Für Levke Steinhau war es eine tolle Erfahrung, drei Monate in einem fremden Land und in einer fremden Familie zu verbringen

Norderstedt. Mit 13 Jahren nach Frankreich – und das für drei Monate. Als ich mit dieser Idee kam, war meine Familie nicht sonderlich begeistert. Damals war ich zwölf und felsenfest davon überzeugt, dass ich das machen wollte. Da auch meine Lehrer der Meinung waren, dass mir so ein Auslandsaufenthalt gut tue, stimmten meine Eltern schließlich zu.

Vor etwa einem Jahr durfte ich mich endlich für das Brigitte-Sauzay-Programm anmelden. Im Rahmen dieses Programmes verbringen Schüler aus Deutschland und Frankreich drei Monate im jeweils anderen Land und besuchen zusammen mit ihrem Austauschpartner die Schule. Das Programm beruht auf Gegenseitigkeit, und die Schüler absolvieren den Aufenthalt nacheinander. Ich durfte mir eine Austauschpartnerin aussuchen. Da der Austausch ja nicht nur zwei Wochen dauern sollte, fand ich es sehr gut, dass ich die Wahl zwischen vielen Mädchen hatte. Ich entschied mich für Anais, ein Mädchen in meinem Alter. Nachdem auch Anais’ Schule dem Austausch zugestimmt hatte, hieß es – warten. Ganze vier Monate bis zu dem Tag, an dem Anais in Hamburg ankommen sollte. In den Tagen vor ihrer Ankunft wurde mir bewusst, dass ich meine Familie ein halbes Jahr nicht für mich haben würde. Doch ändern konnte ich das nicht mehr.

Anais kam Ende Mai an, und die drei Monate danach gingen sehr schnell vorbei. Eigentlich war alles ziemlich normal, außer dass ich mein Zimmer teilen musste. Aber sonst ging der Alltag weiter wie zuvor.

In Frankreich dauert die Schule länger, und die Lehrer sind strenger

Die Zeit meines Auslandsaufenthaltes rückte immer näher. Und meine Angst wurde immer größer. Mir schossen viele Fragen durch den Kopf. Zum Glück hatten wir zu Hause noch viel zu tun, und die Angst in mir konnte sich nicht festsetzen. So kam es also, dass ich an einem Sonnabendmorgen im August am Flughafen stand und mich von meiner Familie verabschieden musste. Es liefen zwar viele Tränen, doch auch am Flughafen hatte ich wenig Zeit, traurig zu sein, denn alles war auch sehr aufregend.

Drei Monate ohne Familie, dachte ich zunächst. Doch da lag ich falsch. Ich hatte eine Familie in Frankreich, eine Familie, die für mich da war und die mir Halt gab. Ich konnte viele tolle Orte in Frankreich sehen, da hatte ich wirklich Glück. Ich war in Paris, in Nantes und Clermont-Ferrand und am Atlantik. Ich habe den Mont-Saint-Michel besucht und stand auch auf einem Vulkan in der Auvergne.

In Frankreich war vieles anders. Die Schule dauerte viel länger, und auch die Lehrer waren viel strenger als in Deutschland. Wir hatten sehr viele Hausaufgaben und somit wenig Zeit für die Familie oder Freizeitaktivitäten. Ich hatte immer viel zu tun, und die Zeit ging sehr schnell vorbei. Zu schnell, wie ich finde. Nach den drei Monaten fiel mir der Abschied von den Klassenkameraden und der Familie schwer. Und auch die Freundschaft zwischen Anais und mir erschwerte den Abschied. Trotz der Freude, meine Familie wiederzusehen, blieb lange Zeit auch eine gewisse Traurigkeit, da Anais nicht bei mir war. Zum Glück gibt es aber Handys und Skype. So können wir oft miteinander sprechen. Mittlerweile habe ich mich auch wieder gut eingelebt. Und ich merke immer mehr, wie viel mir dieser Austausch gebracht hat. Ich habe nicht nur Französisch sprechen gelernt, ich bin in meiner ganzen Art erwachsener geworden – und viel selbstständiger.

Levke Steinhau