20 Parabol-Antennen an der Fassade des Wasserwerks Friedrichsgabe ermöglichen den Empfang von rund 450 Sendern aus der ganzen Welt

Norderstedt. Hat der amerikanische Geheimdienst NSA hier seine Ohren aufgesperrt? Oder was hat die Konzentration an Satellitenschüsseln an der Wand zu bedeuten? Diese Frage stellen sich nicht nur die Anwohner der neuen Oadby-and-Wigston-Straße, sondern auch die Autofahrer, die auf dem neuen Straßenabschnitt zwischen Ulzburger Straße und Waldstraße unterwegs sind und auf der Höhe von Jungheinrich die Wand passieren, an der ein Empfangsgerät neben dem anderen hängt. „Wir bekommen immer wieder Anfragen“, sagt Oliver Weiß, Sprecher der Stadtwerke Norderstedt, der das Geheimnis der weißen Schüsseln gern lüftet; denn es gibt gar keins.

Was da die Aufmerksamkeit auf sich zieht, empfängt TV-Signale aus dem All, bereitet sie auf und verteilt sie an mehrere 100.000 Kunden, 300.000 davon allein in der Hansestadt Hamburg, wo der Kooperationspartner von wilhelm.tel, willy.tel, aktiv ist. Doch auch in Hannover und selbst im Saarland können sich TV-Zuschauer dank der Signale aus Norderstedt unterhalten und informieren lassen.

Was die Satelliten aus ihrer festgefügten Position in rund 36.000 Kilometer Hohe zur Erde senden, fängt die Empfangsstation, im Fachbegriff Kopfstation, in Norderstedt auf. Sie hängt direkt am Wasserwerk Friedrichsgabe. Von dort werden die Informationen via Glasfaserkabel weitergeleitet.

Erster Anlaufpunkt für die Satelliten-Signale aus dem Universum sind die Parabol-Antennen, die im oberen Bereich der Fassade angebracht und nach Süden ausgerichtet sind. „Das ist nötig, weil die TV-Satelliten über dem Äquator stehen“, sagt Malte Kock, der bei den Stadtwerken für technische Planung und Systemintegration zuständig ist. Im Prinzip verfahren Kock und sein Team nach dem gleichen Prinzip wie der private Satelliten-Nutzer. Nur: An der Wand der Empfangsstation kleben gleich 20 „Schüsseln“. Die Menge ist nötig, um den Kunden Vielfalt auf dem Bildschirm zu bieten: Einschließlich Bezahl-Sendern stellt der Norderstedter Kommunikationsanbieter 450 Sender zur Verfügung, hinzu kommen mehr als 190 Radiosender.

Die 16 Parabol-Antennen mit einem Durchmesser von 1,20 Metern und die vier mit einem Durchmesser von 1,80 Metern nehmen die Signale von 17 TV-Satelliten auf. Darunter sind bekannte wie Eutelsat und Astra, der auf der Orbitposition 19,2 Grad Ost mit seiner Satellitenflotte ungeschlagen die Nummer Eins für deutschsprachige Angebote in Europa ist. „Mehr Sorgen machen uns die Angebe aus der Türkei, weil die Sendeleistung oft schwach ist“, sagt Kock. Dennoch gelingt es den Norderstedter Technikern, die Inhalte „aus dem All zu fischen“.

Das ist nicht das einzige fremdsprachige Angebot: Den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera können Kunden auf Bosnisch, Arabisch und Englisch empfangen, Ariana Afghanistan sendet auf Paschtu, Arirang TV auf koreanisch und ARM 1 auf Armenisch. „Wenn entsprechende Anfragen bei uns eingehen, versuchen wir die Senderechte zu bekommen und schalten auch Übersetzer ein, wenn nötig“, sagt Malte Kock.

Nicht nur die Zahl der Satellitenschüsseln unterscheidet sich vom Privatbereich. Die professionellen Empfangsgeräte von wilhelm.tel sind beheizbar, damit die Sendequalität nicht durch Eis und Schnee leidet. Und jede Leitung, die im Aufbereitungsraum ankommt, ist einzeln gegen Blitzschlag abgesichert. Zudem sind Satelliten-Schüsseln äußerst stabil verankert. Damit die Wand die Last trägt, ist das Stahl-Beton-Gemisch 60 Zentimeter stark. Und für das Stahlgerüst wurden nochmals sechs Tonnen Stahl verbaut. 280 Receiver verarbeiten die Signale, fällte einer aus, ist Ersatz vorgesehen, sodass die Kunden nicht auf einen dunklen Bildschirm gucken müssen.

Schon immer war die Kopfstation ans Wasserwerk angeflanscht. Und als das marode Gebäude am Ende der Lawaetzstraße im Jahr 2000 durch einen Neubau ersetzt wurde, nutzten Kock und sein Team die Chance, gleich einen High-Tech-Bau auf die Wiese zu setzen. Energiesparen lautete da das Motto. So wird die Wärme, die die Receiver erzeugen, nach nebenan geleitet, wo sie Büros, den Sozial- und Sitzungsraum heizt. Kaltes Quellwasser wird nicht nur als Trink- und Brauchwasser gefördert, sondern auch, um die Empfänger zu kühlen. „Natürlich in einem extra Kreislauf, der komplett vom Trinkwasser-Kreislauf getrennt ist“, sagt Kock.