Die Männerchorgemeinschaft Norderstedt löst sich auf, weil es an aktiven Sängern fehlt. Eine Tradition geht zu Ende

Norderstedt. Das Aus kam nach 105 Jahren, und eine große Tradition ging still zu Ende. Die Männerchorgemeinschaft Norderstedt hat zum Jahresende 2014 die Auflösung des Gesangvereins beschlossen. Die Sänger gaben jahrzehntelang der Waldweihnacht und dem Himmelfahrtstag in Syltkuhlen eine frohe Atmosphäre.

„Wir haben einfach nicht mehr genügend Stimmen, und als auf einen Schlag der gesamte zweite Bass komplett wegbrach, waren wir nicht mehr in der Lage, als Chor richtig aufzutreten“, sagt Niels-Gernot Günther, bis zuletzt Vorsitzender des Chorvereins.

Viele seien durch Krankheit und Immobilität nicht mehr in der Lage, an Chorproben und Konzerten teilzunehmen. Hinzu käme, dass Eberhard Koch am 5. Januar 80 Jahre alt geworden ist und die Chorleitung niedergelegt habe. „Wir haben nur noch zwölf Sänger, wie sollen wir da einen neuen jungen Chorleiter bezahlen“, fragt sich Günther. Und: „Wir freuen uns aber, dass wir in der Adventszeit noch so viele Konzerte auf Weihnachtsfeiern geben konnten.“

Das sei aber nur mit der sängerischen Unterstützung des Männerchores Schnelsen-Eidelstedt möglich gewesen, doch der habe sich ebenfalls zum Jahresende aufgelöst.

Der 72-Jährige, aktiver Inhaber eines Bootsbau-Spezialbetriebs, bedauert es sehr, dass mit seiner Sänger-Generation die 105-jährige Tradition der Männerchorgemeinschaft Norderstedt zu Ende geht. „Volkslieder will keiner singen, wir sind der Zeit hinterher“, sagt Günther.

Wie einige seiner Mitsänger ist auch er auf der Suche nach einem neuen Chor. „Ich singe seit mindestens 50 Jahren im Chor und jetzt nur noch in der Badewanne oder in der Firma zu trällern, das ist mir zu wenig“, sagt Günther, der schon im Hamburger Operettenchor und vielen anderen Chören den Ton angab.

Er will sich jetzt bei der Chorgemeinschaft Alster-Nord umhören und bei dem Norderstedter Shantychor „Die Moorbekschipper“.

Bei denen singt auch Bernd Meyer, mit 66 Jahren jüngstes Chormitglied, demnächst mit. „Wir hätten alle gern weiter gemacht, aber ohne neue Sänger ist das nicht möglich“, sagt Meyer, der seit 40 Jahren im Chor mitsang.

„Das Chortreffen war immer ein Höhepunkt in der Woche“, sagt Gerhard Löwe, der als 28-Jähriger in den damaligen Garstedter Männergesangverein eintrat.

Einer der vielen Höhepunkte in der Geschichte des Männergesangvereins war die Verleihung der Zelter-Plakette im Jahr 2009 durch die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis. Die Auszeichnung gibt es für 100-jähriges Chor-Bestehen. Der Nachweis dafür stand aber auf der Kippe, und erst durch das Aufräumen einer Vitrine entdeckte Sänger Peter Heyse, der 1971 die Norderstedter Jugendmusikschule gründete, alte Mitgliedsbeitragsbücher, die eindeutig 100Jahre Sängerverein belegten.

„Wir haben viele Erinnerungsstücke aus den 105 Jahren, viele Standarten, Wimpel, Bücher, Banner und Fahnen, Ehrenteller und Orden, Pokale und alte Fotos von 100 Jahren Chorgeschichte, das überlassen wir dem Archiv der Stadt Norderstedt“, sagt Günther.

In ihrer langen Geschichte haben die Sänger nicht nur die Waldweihnacht aufgemischt, sondern auch mit ihrem Gesang in Altersheimen, bei Stadtteilfesten und in Begegnungsstätten für Stimmung gesorgt. Und sie haben das „Norderstedt-Lied“ getextet, irgendwann auf einer Chorfahrt mit dem damaligen Kulturdezernenten Heinz Bischoff.

Auch die Geselligkeit war stets Trumpf bei der Männerchorgemeinschaft. Dann durften auch die Frauen dabei sein. Als aber sieben Sangesfreunde damals, am 16. Dezember 1909, im Wirtshaus „Zur Ohe“ den Garstedter Männergesangverein gründeten, waren sie unter sich. Eine Mark musste jeder zur Gründung einzahlen, und eine Mark pro Vierteljahr als Vereinsbeitrag. Die erhielt der Chorleiter, damals der Lehrer Haseloff. Bälle wurden veranstaltet, Preis-Maskeraden und Theater-Aufführungen. Mit den Frauen.

Geübt wurde in Behrmanns Gasthof, dem heutigen Garstedter Hof. Das größte Fest der Vereinsgeschichte war das 40-jährige Stiftungsfest am 19. Juni 1949 mit 17 Vereinen und 400 aktiven Sängern. 1951 erreichte der Chor mit mehr als 40 aktiven Sängern seine höchste Mitgliederzahl.

Große Auftritte, unter anderem im Hamburger Curiohaus (1956) und in der Laeiszhalle (1971), folgten. 1970, mit Norderstedts Stadt-Gründung, fuhr der Chor nach Maromme, nach Frankreich. Am 31. März 1973 entschloss sich der Garstedter Männergesangverein zur Namensänderung in Norderstedter Männerchorgemeinschaft. Jetzt ist auch der Geschichte.