Arbeitnehmervertreter der AKN schreibt offenen Brief ans Verkehrsministerium, das mit Befremden reagiert

Kreis Segeberg. Im Jahr 2020 könnte es soweit sein: Die erste S-Bahn fährt von Kaltenkirchen über Henstedt-Ulzburg nach Hamburg. Jahrzehnte haben Fahrgäste und Politiker darauf gewartet, doch ausgerechnet aus der Führungsspitze der AKN kommt jetzt Kritik. Aufsichtsratsmitglied Holger Wilke kritisiert in einem offenen Brief an Landesverkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) und den CDU-Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann den Plan, auf den AKN-Gleisen künftig eine elektrisch betriebene S-Bahn als Linie 21 fahren zu lassen. Wilke erkennt kaum Vorteile und fürchtet, dass Arbeitsplätze bei der AKN verloren gehen.

Die neuen Fahrzeuge könnten dieselbe Anzahl von Menschen aufnehmen

„Welchen Vorteil verspricht man sich und der Bevölkerung von dem Projekt S21, und welche Nachteile verschweigt man hier ganz gezielt?“, fragt Wilke, der als Arbeitnehmervertreter dem AKN-Aufsichtsrat angehört. Anlass für seine Kritik war die kürzlich vorgelegte, sogenannte standardisierte Bewertung für die S-Bahnverbindung, die zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen war: Der Nutzen übersteigt klar die Investitionen. Mehrfach haben die Eigentümer der AKN – die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein – ihren Willen betont, die S21 zu bauen. Den Betrieb auf der Linie würde dann voraussichtlich die Deutsche Bahn AG übernehmen.

Wilke vermutet hingegen, dass den Bürgern Lügen über den Nutzen der neuen Verbindung erzählt werden. Dazu zähle beispielsweise die Information, dass die S-Bahn mehr Fahrgäste als die AKN-Züge aufnehmen könne. Falsch, sagt Wilke. „Mit unseren vorhandenen Bahnsteiglängen ist die S-Bahn nur in der Lage, die Strecke mit Kurzzügen zu bedienen“, heißt es in dem offenen Brief. Die neuen Fahrzeuge, die die AKN ab 2015 erhalte, könnten als Doppeltraktion dieselbe Anzahl von Menschen aufnehmen.

Die neuen Dieselzüge des Kaltenkirchener Eisenbahnunternehmens sollen zunächst auf der Linie von Kaltenkirchen nach Hamburg eingesetzt werden und nach dem Start der S-Bahn den Fuhrpark auf den Strecken Kaltenkirchen–Neumünster und nach Elmshorn ersetzen.

Falsch sei ebenfalls, dass die S-Bahn schneller und häufiger als die AKN fahre. Die S-Bahn könnte tatsächlich öfter fahren, meint Wilke. „Aber das könnte die AKN auch.“ Voraussetzung sei, dass die Länder das Geld dafür bereitstellen. Billiger als die AKN werde die S-Bahn auch nicht fahren.

Außerdem bezweifelt Wilke, dass die elektrisch betriebene S-Bahn umweltfreundlicher fahre als die neuen AKN-Triebwagen. „Die moderne Dieseltechnik hat nichts mehr mit den alten Rußschleudern der achtziger Jahre gemein“, meint der Aufsichtsrat, der seit vielen Jahren bei dem Unternehmen beschäftigt ist. Den Vorteil der elektrischen Züge bezeichnete er als marginal und kündigte an, dass für das Projekt Anwohner enteignet werden müssen.

Allein in Ellerau seien es mindestens 32, die weichen müssten, wenn die Strecke dort für die S-Bahn zweigleisig ausgebaut werde. Mit dem Bau rücken die Menschen dort näher an die Bahntrasse und müssten daher den Eletrosmog der Oberleitung und eine intensivere Lärmbelästigung als bislang ertragen.

Im Kieler Verkehrsministerium hat der Brief Wilkes für Befremden gesorgt. „Die S21 ist ein zentrales Projekt zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs in der Metropolregion“, sagte Sprecher Harald Haase und bezeichnete Wilkes Einschätzung als „Einzelmeinung“. Haase: „Wir wundern uns über diesen Brief und haben keinen Zweifel am Nutzen der S21.“ Gerade die standardisierte Bewertung habe gezeigt, wie wichtig und nützlich die S-Bahn nach Kaltenkirchen sei.

AKN-Vorstand Seyb ist optimistisch, das gesteckte Ziel erreichen zu können

In den vergangenen Jahren haben die Bundesländer immer wieder die Vorteile des Projekts betont: Eine S-Bahn sorge für eine umsteigefreie, leistungsfähige und zuverlässige Verbindung in die Hamburger Innenstadt. Bislang müssen die Fahrgäste der AKN auf der Linie A1 auf dem Weg dorthin in Eidelstedt umsteigen. Die Jahrzehnte alten Züge der Eisenbahngesellschaft sind weder barrierefrei noch klimatisiert.

AKN-Vorstand Wolfgang Seyb will den Brief eines Mitglieds des Aufsichtsrats über Kosten und Nutzen der S21 nicht kommentieren. Mit Blick auf die Beschäftigung bei dem Kaltenkirchener Unternehmen sagte er: „Unser Ziel ist es, alle Arbeitsplätze zu erhalten.“ Intern werde an einem Konzept gearbeitet. Außerdem verhandele die AKN offensiv mit den Bundesländern. Er sei optimistisch, das gesteckte Ziel erreichen zu können, sagte er.