Schüler lernen am Coppernicus-Gymnasium Chinesisch. Das Angebot gibt es nur an drei Schulen in Schleswig-Holstein

Norderstedt. „Ihr müsst den Pinsel gerade halten und nicht wie einen Kuli oder Füller.“ Claudia Friedrich weiht ihre Schüler in die Kunst der Schönschrift ein – eine echte Herausforderung, handelt es sich doch um chinesische Schriftzeichen, die die Jungen und Mädchen in die vorgefertigten Kästchen auf den Matten schreiben sollen. 22 Zehntklässler haben sich für ein Lernangebot entschieden, das in Schleswig-Holstein zu den absoluten Raritäten in der Bildungslandschaft zählt und an ihrer Schule, dem Coppernicus-Gymnasium, ganz neu ist: „Chinesisch wird im Norden nur an drei Schulen angeboten“, sagt Fachlehrerin Claudia Friedrich. Neben dem Norderstedter Gymnasium haben das Gymnasium Glinde und das Internat Louisenlund die asisatische Sprache in den Fächerkanon aufgenommen.

Die Pädagogin ist Exotin unter ihren Kollegen und zugleich Fachleiterin im Norden. „Unsere Fachschaft kann sich locker bei mir am Küchentisch treffen“, sagt Claudia Friedrich. Außer ihr unterrichten noch zwei Kolleginnen die Sprache aus dem Reich der Mitte. Die Sinologin pendelt, sie unterrichtet außer am Copp auch in Glinde und in Hamburg, wo sie wohnt. Ein Jahr hat sie in Taiwan gelebt und ihr Uni-Wissen vom Kopf auf die Füße gestellt. „Wir waren zwar theoretisch topfit. Nur Tomaten am Marktstand einkaufen, das konnten wir nicht“, sagt die Chinesisch-Lehrerin, die damit auch die Richtung für den Unterricht vorgibt.

Die Schüler sollen so viel lernen, dass sie sich im Alltag verständigen, sich vorstellen, aber auch abwägen und ihre Meinung sagen können. Irgendwo zwischen den Niveaus A2 und B1 nach dem europäischen Referenzrahmen definiert die Lehrerin das Ziel des dreijährigen Unterrichts, in dem Hochchinesisch (Mandarin) vermittelt wird.

Drei Jahre lang bis zum Abitur tauchen die Gymnasiasten am Copp nun jede Woche vier Stunden in die Welt der Schriftzeichen ein und werden kaum unter die Oberfläche kommen. Insgesamt gibt es rund 87.000 Schriftzeichen, von denen viele jedoch nur selten verwendet werden. Für den alltäglichen Bedarf reichen 3000 bis 5000 Zeichen, immer noch zu viele für drei Jahre Schulchinesisch.

„640 Zeichen sollen wir lernen“, sagt Philipp Kuhnert, 15, der lieber Chinesisch als Französisch lernen wollte. China ist schon jetzt eine Wirtschaftsmacht und expandiert weiter. „Und wenn man später in der Wirtschaft und vielleicht sogar in einem deutschen Unternehmen in China arbeitet, können wir das, was wir jetzt lernen, sicher gut gebrauchen.“ Tischnachbar Patrick Henz, 16, sieht das ähnlich, und ihn reizt das Unbekannte, das Neue. Das gilt auch für die Mehrzahl der anderen Kursteilnehmer. „Es ist schon spannend, wie Schriftzeichen Bilder und Sinn ergeben“, sagt Patrick, der wie seine Mitschüler lernen muss, welche Bedeutung die Zeichen haben und wie sie ausgesprochen werden.

Mit Chinesisch erweitert das Coppernicus-Gymnasium seinen sprachlichen Schwerpunkt. „Als Europaschule sollen und wollen wir die Schüler auf ein gemeinsames Europa ohne (Sprach-) Grenzen vorbereiten. Chinesisch geht noch darüber hinaus und fördert die Mehrsprachigkeit unserer Schüler“, sagt Schulleiterin Heike Schlesselmann, die die anderen Norderstedter Schulen gern einbeziehen und das Angebot für externe Schüler öffnen will. Bisher habe es noch keine Kooperation gegeben, die Copp-Leiterin ist aber zuversichtlich, dass künftig auch Jugendliche der anderen Schulen das Angebot wahrnehmen werden.

Claudia Friedrich widmet eine Stunde pro Woche der chinesischen Kultur und den landestypischen Gewohnheiten. In der letzten Stunde vor den Weihnachtsferien gab es davon gleich eine größere Dosis. Die Schüler bekamen kleine gelbe Kärtchen mit ihren chinesischen Namen. In China steht der Familienname vorn, erklärte die Lehrerin. Zum einen herrsche dort das Prinzip „von der größeren zur kleineren Einheit“, zum anderen habe die Familie eine große Bedeutung. Zudem haben die Chinesen Namensstempel, die sich jeder für wenig Geld in einem der vielen Stempelläden anfertigen lassen könne. Diese Stempel hätten offiziellen Charakter, damit werde auch beurkundet.

„Der erste Rausch ist verflogen, die Schüler haben gemerkt, dass man auch oder gerade in diesem Fach lernen muss“, sagte Claudia Friedrich. Wer will, kann Abitur in Chinesisch machen.