Grundschüler lernen zusammen mit Gymnasiasten. Lehrer kooperieren, um den Kindern den Schulwechsel zu erleichtern

Norderstedt. „My next animal ist small, it drinks water, is breathing, has four legs and eats fruits“, sagt Ingke Rehfeld. Arme recken sich in die Luft: „Meerschweinchen“, sagt einer. „Das englische Wort“, fordert die Lehrerin. „Guinea pig“, die Antwort kommt sofort und dann ein lang gezogenes „Oah“, soll heißen, wie süß, als die Pädagogin ein Foto des possierlichen Nagers in die Klasse zeigt.

Die ist an diesem Tag extra groß, denn die Fünftklässler vom Lessing-Gymnasium haben Besuch. Jungen und Mädchen aus der vierten Klasse der Grundschule Heidberg sind zu Gast im Norderstedter Gymnasium. 45 Jungen und Mädchen beschäftigen sich mit Haustieren – auf Englisch. Die gehen immer, viele Kinder lieben Meerschweinchen, Katzen, Hunde und Co., und haben selbst ein Familienmitglied mit Fell.

Sie schnuppern in den Englischunterricht der Gymnasiasten hinein und sind die ersten der Heidbergschule, die diese Chance bekommen. „Wir wollen die Schüler erleben lassen, wie der Unterricht an der weiter führenden Schule abläuft“, sagt Grundschullehrerin Ingke Rehfeld, die den Ausflug der Grundschüler in die gymnasiale Lernwelt mit ihrer Gymnasialkollegin Friederike Kyas organisiert hat. Ziel ist, den Jungen und Mädchen den Übergang zu erleichtern – bisher sind die Übergänge oft Bruchstellen in der Bildungskarriere.

Wenn die Kinder von der Kita in die Grundschule, von dort auf ein Gymnasium oder eine Gemeinschaftsschule und nach dem Abschluss ins Berufsleben oder Studium wechseln, kann es schon mal einen Lern- und Lustknick geben. Knapp 1,5 Millionen oder 15 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland haben keinen Berufsabschluss, knapp zwölf Prozent der jungen Leute unter 25 in Schleswig-Holstein sind arbeitslos. Doch auch der Sprung von Klasse vier in Klasse fünf treibt besorgte Eltern um, aus dem eher spielerischen wird plötzlich ein Lernen mit festen Strukturen.

Immer wieder klagen Lehrer an weiterführenden Schulen in Schleswig-Holstein über unzureichendes Vorwissen der Fünftklässler. Doch während die eine Schule Englisch erst ab der dritten Klasse lehrt, startet die andere schon in der ersten Klasse. Während die eine Klasse nur singt und spielt, paukt die andere schon gezielt Vokabeln. Immer wieder beklagen Lehrer der weiter führenden Schulen über den unterschiedlichen Wissensstand der Fünftklässler, der dazu führe, dass der Unterricht „bei null“ beginnen müsse. Zudem fehlten an den Grundschulen ausgebildete Englischlehrer.

Lehrerverbände forderten daher eine Rückbesinnung der Grundschule auf die Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen. „Wenn ein Kind nicht richtig Deutsch kann, ist Englisch auch mental ein Hindernis“, hatte Helmut Siegmon, Vorsitzender des Philologenverbandes in Schleswig-Holstein, gesagt.

„Immer wieder sorgen sich Eltern, dass ihr Kind plötzlich einen Batzen Vokabeln lernen muss“, sagt auch Friederike Kyas. Doch die Pädagogin vom lessing-Gymnasium beruhigt Väter und Mütter, denn: Die meisten Wörter kennen die Kinder schon. Das ist eine Erkenntnis der Kooperation, zu der sich Grundschullehrer und ihre Kollegen der weiter führenden Schulen in Norderstedt auf freiwilliger Basis zusammen gefunden haben. Sie wollen sicher stellen, dass ein Lernschock für die Kinder und ihre Eltern ausbleibt, wenn die Grundschüler an der weiterführenden Schule ihr Wissen erweitern. Ziel der Zusammenarbeit ist zudem, das Vorwissen der Kinder so weit wie möglich zu vereinheitlichen und mit den Anforderungen für die fünften Klassen abzugleichen.

„Der Unterschied ist in Englisch am größten“, sagt Ingke Rehfeld. Lehrpläne wie an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien gebe es für die Fremdsprache an den Grundschulen nicht. Der Rahmenplan stelle das spielerische Eintauchen in die Weltsprache und „kommunikative Kompetenzen“ in den Vordergrund, heißt für die Praxis: Es wird gesprochen, kaum geschrieben, ganze Sätze frei zu formulieren, ist eher die Ausnahme.

„Natürlich vermitteln wir den Schülern Satzhüllen, sodass sie auf Englisch beispielsweise darum bitten können, das Fenster zu öffnen“, sagt Ingke Rehfeld. Auch kleine Dialoge werden geübt. In Klasse fünf kommt sofort das Lehrbuch auf den Tisch, und die Schüler müssen schreiben. „Wenn wir wissen, wie methodisch in der Grundschule gearbeitet wird, können wir daran anknüpfen und beispielsweise Spiel aufgreifen“, sagt Friederike Kyas.

Den Schülern hat es in jedem Fall Spaß gemacht. „Wir sind zwar ganz gut mitgekommen, haben aber auch gemerkt, dass die anderen schon weiter sind“, sagte Max, 10, von der Grundschule Heidberg, der beim gemischten Memoryspiel keine Probleme hatte. Gastgeberin Alida, 10, findet den Besuch auch gut: „Dann wissen die Grundschüler, was auf sie zukommt.“