Weil der Norderstedter die Anzahlung nicht rausrückte, stand er jetzt vor Gericht

Norderstedt. Es gibt eine Spezies Mensch, der man angeblich noch weniger traut als Journalisten oder Investmentbankern – Autohändlern. Jeder, der schon mal einen Gebrauchtwagen kaufen wollte, kennt dieses diffuse Gefühl, irgendwie über den Tisch gezogen zu werden. Obwohl die Papiere stimmen, der TÜV neu und der augenscheinliche Zustand des Fahrzeugs ordentlich ist, glaubt man tief drinnen zu wissen, dass da irgendwo ein kapitaler, versteckter Schaden ist, den der Händler mit breitem Lächeln weg grinsen möchte. Dass Autohändler auch nur Menschen und von solchen üblen Vorurteilen gekränkt und frustriert sind, das konnte man nun im Norderstedter Amtsgericht miterleben.

Shabir Y., 39, ist seit Jahren einer der vielen Autohändler an der Segeberger Chaussee in Norderstedt. Vor dem kleinen Klinkerhaus an der Bundesstraße hat er seine Gebrauchten stehen, im Internet bietet er über die gängigen Portale seine Fahrzeuge an. Darunter auch außergewöhnliche, zum Beispiel Hotelbusse. Einen vom Typ Kässbohrer hatte Shabir Y. im Juni 2013 online feilgeboten. „In gutem Zustand bekommt man für solche Busse normalerweise bis zu 70.000 Euro“, sagte Shabir der Amtsrichterin Dagmar Goraj. Er habe das nach seiner Beschreibung mängelfreie Gefährt mit neuem TÜV und Standheizung für knapp 30.000 Euro angeboten – aus seiner Sicht ein richtig guter Deal für den Käufer.

Die meldeten sich auch prompt. In Form einer Glaubensgemeinschaft aus Litauen. Eine Gruppe, die plante, ganz Europa zu bereisen und dafür den passenden gebrauchten Bus mit Übernachtungsoption suchte. „Ich drehte ein Video von dem Bus – 20 Minuten lang. Das konnten sich die Herrschaften anschauen. Wir haben unendlich oft telefoniert. Bestimmt 1000 Euro Telefonkosten hatte ich“, sagt Shabir Y., ohne allerdings entsprechende Belege vorweisen zu können. Vielleicht war es ja auch nur eine gefühlte Berechnung aufgrund der Verkaufsgespräche.

„Die sagten mir: Wenn der Bus der Beschreibung im Internet entspricht, dann kaufen wir ihn“. Shabir Y. gab vor, sehr viele Interessenten für den Bus zu haben. Um sicher zu gehen, verlangte er eine Anzahlung von den Litauern in Höhe von 5000 Euro. Die Litauer baten schließlich einen Norderstedter Bekannten als Mittelsmann aufzutreten, ein Unternehmer, der das Geld aus der eigenen Kasse für die litauischen Freunde auslegte und Shabir Y. überwies.

Schließlich reisten die zwei Litauer Glaubensbrüder nach Norderstedt. „Sie kamen auf meinen Hof, ich gab ihnen den Schlüssel für den Bus, damit sie ihn sich anschauen und Probe fahren können.“ Als Shabir Y. später auf den Hof blickt, steht dort der Bus, aber die Litauer sind weg – grußlos. Später erreicht ihn ein Anruf des Norderstedter Mittelsmanns. Der berichtet ihm, die litauischen Freunde wollen den Bus nicht, denn der Unterboden sei verrostet, der Motor habe Probleme – und außerdem habe der Bus keine „Webasto“, womit die Standheizung gemeint ist. Der Mittelsmann forderte von Shabir Y. nun die 5000 Euro Anzahlung zurück. Basta.

Shabir Y. ist auch über ein Jahr nach dem gescheiterten Deal noch entrüstet. „Macht man so etwas? Ist so etwas menschlich? Einfach gehen? Ohne, dass ich etwas dazu sagen kann?“, fragt er Richterin Goraj. Die zuckt emotionslos mit den Schultern. Denn sie hat in der Hauptverhandlung etwas ganz anderes zu klären. Es geht nicht um gute Manieren, es geht um die Frage, ob Shabir Y. seine Litauer Kundschaft betrügen wollte. Denn der Autohändler überwies die 5000 Euro Anzahlung zunächst nicht zurück. „Warum?“, fragte Richterin Goraj. „Die sollten auch mal sehen, wie das ist, wenn man auf sein Geld wartet“, sagt Shabir Y. „Hatten sie finanzielle Probleme zu dem Zeitpunkt?“, fragt ihn der Staatsanwalt. „Ein bisschen“, antwortet Shabir Y., um sich dann aber erneut nur über die Litauer zu entrüsten. „Die drücken mich 10.000 Euro im Preis, machen Telefonterror, kommen vorbei und gehen ohne ein Wort. Das ist nicht menschlich“, wiederholt sich der Autohändler.

„Nun tun sie mal nicht so! Sie sind Autohändler. Das ist doch etwas völlig normales im Rahmen eines Geschäftes. Sie können mir nicht erzählen, dass sie in ihrem Metier solche gescheiterten Deals nicht gewöhnt sind“, sagt Richterin Goraj. Kleinlaut sagt Shabir Y.: „Wenn sie meinen.“ Es wird deutlich, dass der Autohändler es schlicht nicht verknusen konnte, dass ihm die Litauer keinen Spielraum für Diskussion gelassen haben und sich schlicht und einfach und ganz emotionslos auf ihren Sachverstand verlassen hatten. „Aber der Bus hat eine Standheizung! Ich habe es hier schriftlich“, versucht Shabir Y. noch im Sitzungssaal den Mittelsmann der Litauer zu überzeugen.

Richterin Goraj unterbricht die sich anbahnende Wiederaufnahme der Verkaufsgespräche. Da Shabir Y. mittlerweile fast 4000 Euro zurücküberwiesen hat, stellt sie das Verfahren gegen die Auflage ein, dass er auch die ausstehenden 1000 Euro und die Anwaltskosten der Gegenseite übernimmt.

„Zahle ich bis Jahresende“, sagt der Angeklagte Shabir Y., immer noch sichtlich beleidigt.