Innenminister Stefan Studt verleiht dem Norderstedter Willkommen-Team für Flüchtlinge den Integrationspreis 2014

Norderstedt. Lächeln. Immer lächeln. Das sagt Regina Baltrusch den Menschen, die aus Syrien, aus Eritrea oder aus dem Irak nach Norderstedt kommen. „Denn wer lächelt, der wird auch lächelnd empfangen.“ Natürlich fällt das schwer, wenn man gerade aus Krieg, Verfolgung und Flucht in der intakten Ordnung einer norddeutschen Mittelstadt gelandet ist. Und deswegen melden sich dann freiwillige Helfer, zum Beispiel aus den Kleiderstuben bei Regina Baltrusch und den anderen Helfern vom Willkommen-Team in Norderstedt und sagen: „Die gucken alle immer so ernst.“ Und dann sagt Baltrusch auch zu den Norderstedtern: „Ihr müsst lächeln! Diese Menschen sind unsicher, ihre Notlage ist ihnen peinlich. Ein Lächeln hilft, das zu überbrücken.“ Und so lächeln schon mal alle. Das ist ein Anfang, das erste Stückchen Integration.

Das Willkommen-Team der Stadt Norderstedt leistet weitaus mehr als die Verbreitung von guter Laune. Man kann sagen, dass die 84 aktiven Freiwilligen den Löwenanteil der gesellschaftlichen Integrationsarbeit für Norderstedt bewältigen. Und nicht zuletzt dafür bekam das im März von Heide Kröger, der Integrationsbeauftragten Norderstedts, und Sozialdezernentin Anette Reinders angeschobene Projekt nun von Innenminister Stefan Studt den Integrationspreis des Landes Schleswig-Holstein 2014 verliehen. 5000 Euro Preisgeld fließen in die Arbeit des Teams.

In der Würdigung der Norderstedter Initiative rief Studt alle Bürger, Kommunen und Organisationen auf, sich ebenso engagiert für ein gedeihliches Miteinander einzusetzen und Berührungs- und Schwellenängste zu überwinden. „Wir müssen die Integration unserer Migranten nach dem Motto ,Miteinander leben – voneinander lernen' weiter nach vorne bringen“, sagte Studt. Integration sei eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie könne nicht verordnet werden, sondern müsse mit den Menschen im Wohnquartier, in der Nachbarschaft, in Kindergärten und Schulen, Jugendclubs und Vereinen und am Arbeitsplatz zusammen geschehen.

Das Willkommen-Team, sagt Heide Kröger, lebe die Integration vom ersten Tag, an dem Flüchtlinge in Norderstedt ankommen. Freiwillige empfangen die Menschen im Tandem mit Muttersprachlern und geben ihnen erste Orientierung und den Willkommen-Beutel, mit allen wichtigen Utensilien für den Alltag in den ersten Tagen. Etwa 20 Norderstedter sind fest in diesen Tandems in den Notunterkünften der Stadt unterwegs und haben seit März 204 Flüchtlinge begleitet. „Wir geben den Menschen das Gefühl, nicht Irgendwo, sondern in Norderstedt angekommen zu sein, nicht in einer Notunterkunft, sondern in einer Gesellschaft“, sagt Kröger. Susanne Martin, die ehemalige Leiterin der Bücherei Norderstedt, hilft ehrenamtlich bei der Koordination des Willkommen-Teams. „Ich bin stolz auf diesen Preis. Und immer wieder begeistert, wie viel Potenzial in den Norderstedtern steckt und wie gerne die Menschen sich hier engagieren.“ Das Willkommen-Team hebe sich klar von karitativen Projekten ab. „Wir wollen die Menschen aktivieren, ihnen Hilfe zur Selbsthilfe bieten und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Wir wollen sie bewusst nicht in Abhängigkeit von Spenden bringen.“

Die Vernetzung mit möglichst vielen Gruppen in Norderstedt wird angestrebt. Zum Beispiel gibt es einen runden Tisch zum Thema Qualifikation und Arbeit. Vertreter der Arbeitgeber, von der IHK und dem Handwerk, sitzen gemeinsam mit dem Willkommen-Team und der Stadt zusammen und versuchen, Hilfestellung zu geben bei der Beschäftigung von Flüchtlingen. „Wir haben sehr viele Überflieger unter den Flüchtlingen. Menschen, die studiert und gut gebildet sind“, sagt Regina Baltrusch. Das größte Problem für sie sei das Erlernen der deutschen Sprache. Das Willkommen-Team bietet erste Sprachkurse an, kommt der Nachfrage aber kaum nach. Offiziell können Flüchtlinge erst die vom Bund bezahlten Sprachkurse nutzen, wenn sie einen Flüchtlingsstatus haben. „Aber gerade studierte Menschen müssen eigentlich schon in den ersten Tagen nach der Ankunft in Kurse vermittelt werden“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders. 24.000 Euro überweist jetzt der Kreis für die ersten Sprachkurse in Norderstedt. Und auch ein Teil der 5000 Euro Preisgeld wandern hier hin.

„Wir sagen den Flüchtlingen immer, sie müssen ihre ersten Sprachkenntnisse auch anwenden“, sagt Regina Baltrusch. Dafür wurden eigens Treffpunkte geschaffen, etwa Willkommens-Cafés immer montags in der freien evangelischen Gemeinde am Falkenkamp 62 (14.30 bis 17 Uhr), wo Norderstedter und Flüchtlinge sich treffen und austauschen können. Aber es gibt auch Kreativ-Treffs, eine Fahrrad-Werkstatt oder die Vermittlung von Einzelkontakten. Zum Beispiel rufen Eltern von Schülern an: „Mein Sohn macht ein Referat über das Zusammenleben in Norderstedt. Kennen Sie einen Flüchtling, den er interviewen könnte?“ Susanne Martin: „Die Rückmeldungen fallen immer völlig begeistert aus. Alle Seiten lernen bei diesen Treffen.“

300 Flüchtlinge werden bis Ende des Jahres in der Stadt leben. Im kommenden Jahr werden mindestens 150 neue dazukommen. Sie alle brauchen Orientierung in einer fremden Welt und Hilfe im Alltag. „Ohne das Willkommen-Team bekämen wir die Lage nicht in den Griff“, sagt Anette Reinders. Sie schätzt, das etwa 50 bis 70 Prozent der Flüchtlinge dauerhaft in der Stadt bleiben werden. „Unsere Herausforderung als Stadt wird es sein, diese Menschen in Wohnungen zu bekommen. 50 Flüchtlinge wollen wir 2015 in Wohnungen unterbringen.“

Regina Baltrusch kennt auch Flüchtlinge, die Sprachkurse ablehnen und so gut wie keine Hilfestellung annehmen. „Weil sie ganz fest davon überzeugt sind, dass sie sehr bald wieder in ihre Heimat zurückkehren werden und das alles nicht brauchen in der Zwischenzeit.“ Heide Kröger kennt diese Argumente aus der Zeit der Flüchtlingswelle während des Irak-Krieges. „Damals haben das auch viele Menschen geglaubt. Sie leben alle noch heute in Norderstedt.“

Helfer gesucht! Das Willkommen-Team sucht laufend Freiwillige, die sich engagieren wollen. Helfer werden vor ihrem Einsatz in dreitägigen Seminaren geschult. Gesucht werden auch Migranten für die Übersetzung: Besonders gefragt sind Arabisch, Kurdisch, Farsi, Albanisch und Tigrinya. Kontakt: willkommen-team@norderstedt.de oder Telefon 040/53595916 oder 0162/7461480