Omega – mit dem Sterben leben bildet wieder Menschen aus, die andere ehrenamtlich auf dem letzten Weg begleiten

Norderstedt. Sterbehilfe – ein Thema, das unter Politikern und Bürgern ebenso heftig wie kontrovers diskutiert wird. Und ein Thema, das durchschlägt bis zu jenen Menschen, die anderen auf dem letzten Weg beistehen. „Ich bin am Ende. Ich kann nicht mehr. Ich will nur noch sterben. Kennst du jemand, der das macht?“ Das sind Sätze, die Angelika Schwerin immer wieder hört. Die Diplom-Psychologin ist Sterbebegleiterin. Sie engagiert sich im Verein Omega – Mit dem Sterben leben und setzt sich seit Jahrzehnten mit dem Tod, den Ängsten zu sterben und voller Schmerzen dem Ende entgegen leiden zu müssen, auseinander.

„Wenn du dich umbringen willst, bleibe ich bei Dir. Aber wie willst deinem Leben ein Ende bereiten? Willst du dich erschießen?“ Fragen wie diese stellt sie, wenn jemand um Sterbehilfe bittet. Sie sucht das Gespräch, reden hilft, mindert die Schwere und das Leid. Am Ende sei der Suizid oft kein Thema mehr, wirkten die Worte und die Nähe wie die Überdosis Schlaftabletten auf dem Nachtisch. Die Begleiter nehmen die Angst und den Angehörigen die Unsicherheit. „Für Schwerstkranke ist es ungeheuer wichtig, dass jemand da ist, der hilft“, sagt Angelika Schwerin. Eins sei aber klar: „Wir sind Sterbebegleiter und keine Sterbehelfer.“

17 Männer und Frauen gehören einschließlich der Trauerbegleiterinnen zum Team von Omega – Mit dem Sterben leben – der Norderstedter Verein ist seit seit 1994 zur Stelle, wenn Angehörige Hilfe brauchen beim Abschied von Familienmitgliedern oder in der Zeit nach dem Tod, wenn die Trauer Ventile braucht. Es gibt zwei Trauergruppen, eine für alle, die ihren Partner verloren haben und eine, für Erwachsene, deren Eltern gestorben sind. Die Sterbebegleiter sind zwar Freiwillige, sie arbeiten aber professionell. Vorbereitet auf ihre Aufgabe werden sie in speziellen Kursen, am 24. Januar startet der nächste (s. Info-Kasten), den Angelika Schwerin leiten wird.

„Am Anfang steht die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten, die Konfrontation mit Tod und Trauer, die Unsicherheit im Umgang mit Not und Bedürftigkeit“, sagt Friederike Kühnemund, Ärztin, Sterbebegleiterin und einer der Motoren von Omega. Die Teilnehmer bekommen die Chance, sich in einem geschützten Raum, in Ruhe und mit professioneller Begleitung mit Themen auseinanderzusetzen, die nach Ansicht von Kühnemund in den vergangenen Jahren einen Riesenschritt aus der Tabuzone gemacht haben.

„Sterbehilfe, wie sie in der Schweiz oder in den Niederlanden praktiziert wird, wird nicht mehr sofort als Teufelszeug kriminalisiert“, sagt die Omega-Sprecherin. Auch die aktuelle Debatte in Deutschland fördere die Auseinandersetzung mit den lange unter der Decke gehaltenen Themen. Die Ein- und Absicht der Politiker, die Palliativmedizin zu stärken, begrüßen die beiden Frauen von Omega. Wer medikamentös von Schmerzen befreit wird, verliere die Angst und könne sogar lachen. „Auch Sterbende wollen lachen. Jemand, der einen schönen Tag gehabt hat, kann leichter sterben“, sagt die Kursleiterin.

In Rollenspielen und Kleingruppen bekommen die Kursusteilnehmer das Rüstzeug an die Hand. Die Bedürfnisse und Wünsche sind unterschiedlich. „Mancher Sterbende braucht die Distanz und will reden, andere wollen die Nähe, die Hand, die die ihre hält und streichelt“, sagt die Psychologin. Situation ändern sich, an Demenz erkrankten Menschen zeigten sich Aggression, sie entwickelten Abwehrmechanismen oder schätzten sich völlig falsch ein und glaubten, sie würden wieder gesund.

Sich als Sterbebegleiter ehrenamtlich und gut geschult zu engagieren, sei zwar das Kursziel. „Wir verstehen aber, wenn Teilnehmer vorher aufhören und sagen, sie könnten das einfach nicht oder seien nach einem Todesfall in der Familie einfach noch nicht so weit“, sagt Friederike Kühnemund. Alle aber verlassen das Seminar mit einem veränderten Blick aufs Leben. So habe eine ehemalige Teilnehmerin erzählt, dass sie nicht wie früher weggesehen habe und weiter gegangen sei, als ein Mann vor ihren Augen auf der Straße zusammengebrochen war. Sie habe geholfen.

Vor Kursusbeginn klärt Friederike Kühnemund im Gespräch mit Interessierten, ob die Teilnahme sinnvoll ist. Was braucht jemand, der Schwerstkranke und Sterbende begleitet? „Man muss das aushalten können und dabei bleiben“, sagt Friederike Kühnemund, wobei sich die Sterbebegleiter die Betreuung eines Menschen durchaus teilen können. Im Unterschied zu den Profis vom Pflegedienst, dem Palliativpflegedienst und Ärzten ziele das Engagement von Omega auch darauf ab, Angehörige zu entlasten. „Sie vergessen oft, dass sie ein Recht auf ein eigenes Leben haben. Wer sich völlig auf die Pflege von Vater, Mutter oder Partner reduziert, wird das auf Dauer nicht schadlos überstehen“, sagt Angelika Schwerin. Auch pflegende Angehörige müssten zum Arzt, mal einkaufen oder ins Rathaus. So seien ein Mann und seine Tochter, die die Frau und Mutter betreuten, total glücklich gewesen, dass sie mal gemeinsam spazieren gehen konnten.