Versuchter Totschlag: Haftbefehl gegen Freddie B. aufgehoben. Nach Ansicht des Gerichts führten die Tritte und Schläge nicht zum Tod

Wahlstedt/Kiel. Der Vorsitzende Richter der 8. Großen Strafkammer des Kieler Landgerichts Jörg Brommann sprach von einer schwierigen Entscheidung, da es sich bei den Umständen, die Anfang März dieses Jahres zum Tod des 49-jährigen Peter C. geführt haben, um eine außergewöhnliche Konstellation handele.

Diese milde Entscheidung werde vermutlich besonders bei den als Nebenklägern anwesenden beiden Söhnen des Getöteten auf Unverständnis stoßen, weshalb sich der Jurist in einer ausführlichen Urteilsbegründung besonders darum bemühte, die getroffene Entscheidung nachvollziehbar werden zu lassen.

Es sei eine Tat von großer Grausamkeit gewesen. Wenn man sich die Bilder ansehe, laufe es einem kalt den Rücken hinunter, so Brommann. Peter C. habe furchtbar zugerichtet in einer Riesenblutlache in seiner Wohnung gelegen, entstellt durch zahllose Tritte und Schläge. Wie berichtet, hatte das Opfer Knochenbrüche und Quetschungen in Gesicht und Oberkörper, da der Angeklagte Freddie B., 53, ihn mit Schlägen und Fußtritten in einem Ausbruch brachialer Gewalt misshandelt hatte.

Diese entsetzlichen Bilder dürften aber die juristische Beurteilung der Tat nicht beeinflussen, sagte der Richter, denn der medizinische Sachverständige hatte festgestellt, dass die vom Angeklagten Freddie B. dem Nachbarn versetzten Tritte und Schläge weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit nachweisbar den Tod des Opfers verursacht hätten. Der Tod von Peter C. trat durch eine mangelnde Sauerstoffversorgung des Herzens ein und diese wurde mit großer Wahrscheinlichkeit ausgelöst durch die hohe Alkoholisierung und eine vorher vorhandene Herzerkrankung des Opfers. Bei Peter C. hatte der Sachverständige einen Blutalkoholwert von 3,2 Promille festgestellt. Da also nicht auszuschließen war, dass Peter C. auch ohne die ihm zugefügten Misshandlungen gestorben wäre, hatte die Staatsanwaltschaft Anklage nur wegen versuchten Totschlags erhoben. Dieser setze aber einen Tötungsvorsatz voraus, den die Kammer nicht für gegeben hielt.

Der Angeklagte sei ein Mensch mit stark verminderter Intelligenz, der sein Leben lang unter Betreuung gestanden und in Behindertenwerkstätten gearbeitet habe. Wie berichtet, brachte der Angeklagte seinem Nachbarn an jenem Tag Anfang März selbst gemachten Fleischsalat und wurde dann von seinem späteren Opfer und drei weiteren Gästen dazu aufgefordert, mit Wodka zu trinken.

Nachdem die anderen Gäste gegangen waren, wollte auch der Angeklagte die Wohnung verlassen, wurde aber von Peter C. festgehalten und nach seiner Meinung unsittlich berührt. Zuvor hatte der Angeklagte einen Streit mit seiner Lebensgefährtin gehabt und den Eindruck, einer der anwesenden Saufkumpanen habe sein Zigarettenetui gestohlen. Das alles habe nach Meinung des Gerichts dazu geführt, dass der Angeklagte völlig aus der Fassung geraten sei und wie von Sinnen auf sein Opfer eingeschlagen und getreten habe.

Allerdings sei Peter C. aufgrund seiner Knieoperation nicht so hilflos gewesen wie zunächst angenommen, so der Richter. Er habe nämlich seinen Nachbarn am Ohr gezogen, ihn im Treppenhaus verfolgt und ihm von hinten die Finger in die Nasenlöcher gesteckt, was beim Angeklagten Schmerzen verursacht habe. Letztlich habe das Opfer selbst die „Lawine“ losgetreten, sagte der Richter.

Die Kammer wertete die Tat wegen des fehlenden Tötungsvorsatzes als schwere Körperverletzung und ging trotz der Grausamkeit des Geschehens von einem minder schweren Fall aus. Der Angeklagte sei nach den Übergriffen durch seinen Nachbarn von der Situation überfordert gewesen und habe im Affekt gehandelt. Richter Brommann betonte, dass bei dem Angeklagten echte Reue zu erkennen sei.

Der Haftbefehl wird aufgehoben, sodass der Angeklagte nun zunächst in seine Wahlstedter Wohnung zurückkehren kann.