Die Stadt hat mehr als 77.000 Einwohner und damit schon fast so viele wie Neumünster

Norderstedt. Ganz kurz keimt Hoffnung auf, als der Leiter des Neumünsteraner Bürgerbüros die aktuelle Bestandsstatistik der Stadt aktualisiert. Marco Casper rechnet die aktuelle Flüchtlingswelle aus der Gesamtzahl der Einwohner heraus. Dabei erschreckt er sich. „Wie? So viele? Warum sind das so viele? Doch – es stimmt. 1060 Menschen müssen wir abziehen.“

Und so beträgt die Zahl der Bürger, die zum 31. Oktober 2014 in der kreisfreien Stadt Neumünster leben, exakt 78.369. Damit ist klar, dass Neumünster nach wie vor die Nummer vier im Land zwischen den Meeren ist. Und Norderstedt bleibt auf dem fünften Platz, obwohl es nach der neuen Bewegungs- und Bestandsstatistik der Stadtverwaltung nie dagewesene 77.016 Norderstedter gibt. Knapp daneben ist auch vorbei.

Genau genommen leben in Neumünster 79.429 Bürger mit Erstwohnsitz. Denn Flüchtlinge, die nach Schleswig-Holstein kommen und sich in der zentralen Aufnahmestelle der Stadt melden, haben dort für die Dauer ihres Asylverfahrens ihren Erstwohnsitz. Doch die Statistik behandelt sie nicht als gleichberechtigte Bürger.

Es gibt also 1353 Neumünsteraner mehr als Norderstedter. Die seit Jahren in Stein gemeißelte Reihenfolge der größten Städte Schleswig-Holsteins bleibt vorerst bestehen. Kiel (241.261), die Hansestadt Lübeck (214.000), Flensburg (88.000), dann Neumünster, dann erst Norderstedt. Wie wichtig der Titel „Viertgrößte Stadt des Landes“ für Neumünster ist? „Beim kommunalen Finanzausgleich ist jeder Kopf wichtig“, sagt Marco Casper.

Die Einwohnerzahlen in Neumünster sind seit Jahren rückläufig

Die Norderstedter können es kaum abwarten, den Neumünsteranern den Titel abzunehmen. Die Prognosen sagen, dass sie das auch irgendwann tun werden. Denn die Einwohnerzahlen sind in Neumünster seit Jahren rückläufig, während sie sich in Norderstedt stetig auf die 80.000-Marke zubewegen. Doch de facto würde der Titel der Stadt nichts einbringen. „Verändern würde er nichts. Da geht es lediglich um Prestige“, sagt Stadtsprecher Hauke Borchardt. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote würde zum Beispiel keinen Cent mehr verdienen als Lenker der viertgrößten statt der fünftgrößten Stadt. Vielleicht würde die alte Diskussion um die Kreisfreiheit Norderstedts wieder aufflammen. Warum sollen die Neumünsteraner ein eigenes Kennzeichen haben, die Norderstedter aber weiterhin mit SE herumfahren, obwohl man doch größer ist? Doch die Aussicht auf Erfolg ist gering. Kreisgebietsreformen sind nicht in Sicht.

Was den kommunalen Finanzausgleich und die Schlüsselzuweisungen vom Land angeht, so ist die Lage ohnehin unübersichtlich. Denn im Land rechnen die Kämmerer mit völlig anderen Zahlen. Nämlich denen, die auf dem Zensus von 2011 beruhen. Danach hat Neumünster zum 31. Dezember 2013 nur 77.058 Einwohner, Norderstedt sogar nur 75.394 Einwohner. Flensburg hat durch die Unterschiedlichkeit der Zahlenbasen sogar 6500 Bürger auf einen Schlag und sieben Millionen an Landesgeldern verloren. Nur noch knapp 82.000 Bürger billigt der Zensus der drittgrößten Stadt zu. Flensburg und Hunderte weitere Kommunen klagen deshalb gegen die Volkszählung. Es geht um Millionen von Euro an Steuergeldern.

In Norderstedt wird jede Neuanmeldung sofort im Standesamt registriert

Norderstedt ist ganz zufrieden mit der Diskrepanz zwischen hauseigener Statistik und der des Landes. Weniger offizielle Norderstedter bedeuten nämlich auch weniger zu zahlende Kreisumlage. Das Rathaus betont, dass im Einwohnermeldeamt jede Neuanmeldung sofort registriert und im Standesamt Sterbefälle und Geburten sofort gemeldet würden und somit die städtische Statistik immer auf dem aktuellen Stand sei. Die Bundes- und Landesstatistiker betonen, die Städte und Kommunen würden zu viele Karteileichen führen, also nicht gemeldete Tote und Bürger, die sich beim Umzug ins Ausland nicht ordentlich abgemeldet haben. Ein direktes Abgleichen zwischen Zensus-Daten und denen der städtischen Melderegister darf es aus Datenschutzgründen nicht geben. Und so bleibt die Diskrepanz.

Der Blick auf die städtische Statistik birgt aber auch noch jede Menge unnützes Wissen für den Small talk auf dem nächsten Neujahrsempfang der Stadt. Zum Beispiel die Gesamtzahl der in Norderstedt lebenden Menschen. Die liegt nämlich bei 81.604. Da zählen dann auch diejenigen mit, die nur eine Nebenwohnung in der Stadt haben, immerhin 4588 Halb-Bürger.

Und: Norderstedt ist weiblich! Denn in der Stadt sind 41.997 Frauen gegen 39.607 Männer in der Mehrheit. Interessant auch der Blick in die Geburtsjahrgänge der gemeldeten Norderstedter. Die älteste Bürgerin der Stadt ist Jahrgang 1907 und damit stolze 107 Jahre alt. Weitere Damen folgen mit Jahrgang 1909 und Jahrgang 1911 auf den Plätzen. Sechs Menschen mit 102 Jahren leben in Norderstedt, darunter die beiden ältesten Männer der Stadt und die älteste Ausländerin.

Die meisten Bürger in der Stadt sind 50 Jahre alt. Zumindest bildet der Jahrgang 1964 mit 1590 Bürgern die größte Einzelgruppe in der Jahrgangsstatistik. Gefolgt von 1566 Bürgern, Jahrgang 1966, und 1560, Jahrgang 1965. 574 Norderstedter wurden 2014 geboren und bilden damit die Gruppe der jüngsten Bürger der Stadt.