Seit 1995 erhalten Kinder und Senioren auf Initiative des Lions Clubs Norderstedt warme Winterkleidung

Norderstedt. Es ist nur eine Geste. Niemals können alle Bedürftigen gleichermaßen erreicht werden. Aber genau deswegen ist es so wichtig, dass diese besondere Aktivität des Lions Clubs Norderstedt in der Garstedter Karstadt-Filiale reibungslos abläuft – Jahr für Jahr zu Beginn der Weihnachtszeit, und das seit 1995. Der ernste Hintergrund ist heute mindestens genauso aktuell wie vor knapp 20 Jahren.

Es geht darum, diejenigen Menschen zu unterstützen, die sich keine warme Winterkleidung leisten können. Davon sind viele Gruppen betroffen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Senioren, alleinerziehende Mütter, mit Hartz IV oder ohne, aber auch berufstätige Eltern, die auf jeden Euro achten müssen.

Grundlage sind Einschätzungen von Kitas, Schulen oder sozialen Trägern

Deswegen haben die Lions ein Netzwerk in der Stadt Norderstedt aufgebaut. Sie halten Rücksprache mit Schulen, Kindertagesstätten und sozialen Trägern. Dort sind die Erzieherinnen, Lehrer, Sozialarbeiter, die genau wissen, in welchen Familien welche Probleme bestehen. Sie sollen nicht allein gelassen werden, so lautet das Credo der „Löwen“. Dafür stellen die Lions ein Budget bereit, dass sich jährlich aus den Einnahmen von verschiedenen Aktivitäten wie etwa dem Adventskalender ergibt. Ungefähr 11.000 Euro sind in diesem Jahr zusammengekommen, zudem gibt es einen kleinen Zuschuss der Hamburger Sparkasse.

Diese Mittel werden in Gutscheine umgewandelt, die an einem ausgewählten Nachmittag bei Karstadt eingelöst werden können – und das ausdrücklich nur für warme Kleidung. „Wir möchten es gezielt machen. Uns ist es genauso wie vielen Unterstützern wichtig, dass wir etwas für Norderstedter Bürger machen. Auch wenn es immer nur ein Ausschnitt ist in einer Stadt von dieser Größe“, sagt Werner Guhr. Er zählt zu den Initiatoren der Aktion und achtet vor Ort gemeinsam mit Munir Eid und Heinz-Werner Tyedmers aufmerksam darauf, dass alle eingeladenen Menschen zufrieden sind. Wichtig ist den Wohltätern auch, dass in jedem Jahr möglichst neue Familien Gutscheine erhalten.

Die Karstadt-Geschäftsführung weist derweil extra eine Kasse für die Lions aus und stellt zwei Mitarbeiter ab, zudem gewährt das Warenhaus Sonderkonditionen für den entsprechenden Teil des Sortiments und öffnet seinen Personalbereich, um dort einen weihnachtlich eingerichteten Aufenthaltsraum für die Gäste anzubieten. Alles soll festlich, aber soweit möglich auch diskret ablaufen.

80 Gutscheine waren allein für Kinderbekleidung verteilt worden. Wie an Sven Lange, der mit seinem Sohn Louis, 6, und Töchterchen Nele, 1, gekommen ist. Ob die beiden Kinder wissen, worum es geht? „Ich habe ihnen gesagt, dass sie neue Schuhe und Jacken bekommen“, sagt der 43-Jährige. „Wir wurden im Kindergarten gefragt, ob man etwas Gutes für uns tun könne. Die Aktion kannten wir gar nicht.“

Beide Eltern sind berufstätig, aber das Geld reicht nicht – kein Einzelfall

Seine Geschichte stimmt bedenklich. Sven Lange arbeitete 20 Jahre als Glaser, ging dann in die Elternzeit, ehe er nun wieder eine Tätigkeit auf 400-Euro-Basis begonnen hat – seine Frau ist eine selbstständige Diplom-Sozialpädagogin. „Es gibt dicke und dünne Jahre“, sagt Lange. „Es bleibt nicht viel übrig, wenn man seine Rechnungen bezahlt. Uns selber gönnen wir selten etwas.“ Ebenso musste er nach eigenem Bekennen jedoch erst lernen, fremde Hilfe offen anzunehmen. „Das war eigentlich nicht mein Ding.“

Es ist bei Weitem kein Einzelfall, das erfahren die Lions in den vielen Gesprächen. „Die Leute sind einfach nur dankbar, dass es Möglichkeiten wie diese gibt, wo sie keine Fragebögen ausfüllen müssen, um etwas zu beantragen“, sagt Werner Guhr.

Auch eine Sozialarbeiterin schaut im Laufe des Nachmittags vorbei – sie betreut für einen privaten Träger insbesondere alleinerziehende Mütter mit meistens mehreren Kindern, seit drei Jahren empfiehlt sie den Lions mögliche Empfänger von Kleidungsgutscheinen. Und versucht, mit in der Gesellschaft verbreiteten Vorurteilen gegenüber vermeintlich gleichgültigen Hartz-IV-Empfängern aufzuräumen. „Die Mütter kämpfen darum, ihren Kindern ein anständiges Leben zu ermöglichen, sie beschäftigen sich sehr damit.“

Seit 1995 wurden rund 1500 Menschen von den Lions warm eingekleidet

Was mit bescheidenem finanziellen und organisatorischen Aufwand begonnen hat, ist für die ehrenamtlichen Lions-Mitglieder längst eine Herausforderung geworden – wirtschaftlich und logistisch. „Als wir damals angefangen haben, waren wir ja alle noch Laien“, sagt Werner Guhr. Der zweite Teil der Aktion folgt allerdings noch, denn damit das Gedränge nicht zu groß wird, ist ein separater Termin für Senioren vorgesehen. Insgesamt wurde seit 1995 nach Schätzung 1500 Norderstedtern geholfen.