In einer großen Befragung will das Norderstedter Jugendamt herausfinden, wie die Jugendlichen in der Stadt ticken, was ihre Wünsche und Sorgen sind

Norderstedt. Jürgen Krüger macht das seit mehr als 20 Jahren – ganz nah an den Kindern und Jugendlichen in Norderstedt dranbleiben und versuchen, ihre Wünsche, Sorgen oder Probleme herauszufinden. Krüger ist Jugendsozialarbeiter im Bereich Friedrichsgabe und Harksheide-Nord. Treffen sich Jugendliche irgendwo in seinem Kiez, „chillen“ sie auf Spielplatz, im Park oder auf einer Bank unter einem WLAN-Hotspot, dann sucht Krüger den Kontakt. „Reden hilft, Vorurteile abzubauen“, sagt Krüger.

Genau darum geht es im Kern bei dem aktuellen Projekt des Norderstedter Jugendamtes. „Wir versuchen die Neuaufstellung der offenen Kinder- und Jugendarbeit in der Stadt“, sagt Klaus Struckmann, Leiter des Amtes. Es sei nicht so, dass Mitarbeiter wie Jürgen Krüger nicht wissen, was die jungen Norderstedter beschäftigt und bewegt. Aber jetzt will es das Jugendamt eben mal ganz genau wissen. „Wir wollen die Verhältnisse im direkten Umfeld der Jugendlichen besser verstehen lernen“, sagt Struckmann. Welche Hilfs- und Freizeitangebote haben und nutzen die Jugendlichen in ihrem Kiez? Welche Projekte gibt es vor Ort, was muss dabei verbessert werden? Was suchen die Jugendlichen in ihrer Freizeit, und was vermissen sie dabei an Angeboten?

Die Antworten soll eine umfangreiche Befragung von 800 Schülern an den weiterführenden Schulen in Norderstedt bringen, die heute beginnt und noch bis zum 11. Dezember läuft. Damit die Jugendlichen ehrlich bleiben bei den Antworten, ist die Teilnahme an der Umfrage anonym. Drei Klassen und Altersstufen werden pro Schule befragt. Der Aufbau der Fragen gliedert sich in drei Bereiche, sagt Jürgen Krüger. Die Schüler sollen auf einer Stadtkarte von Norderstedt eintragen, wo sie sich in ihrer Freizeit gerne aufhalten. Dann sollen sie beschreiben, was sie dort machen. Und sie sollen ein Zeitraster über Tage und Wochen erstellen, wann sie sich mit den Aktivitäten beschäftigen. Nach dem gleichen Prinzip sollen in näherer Zukunft auch noch die Grundschüler in der Stadt befragt werden.

Aus den Antworten der Schüler will das Jugendamt ein Gesamtbild erstellen. Dieses dient allerdings noch nicht als Blaupause für die Jugendarbeit der kommenden Jahre. Erst der Vergleich mit dem, was die Erwachsenen für die Kinder- und Jugendlichen als wichtig erachten, macht aus der Befragung eine sinnvolle Grundlage für die Arbeit des Jugendamtes. „Wir wollen alle, die sich mit der Jugendarbeit in Norderstedt auseinandersetzen, sich für sie engagieren oder auch nur interessieren, einladen, uns ihre Ideen und Eindrücke mitzuteilen“, sagt Jürgen Krüger. Dafür hat das Jugendamt vier sogenannte Sozialraumkonferenzen angesetzt (siehe Infokasten). In diesen Konferenzen kann sich jeder zu Wort melden, der etwas zum Thema zu sagen hat. Vereine und Institutionen aus der Jugendarbeit oder dem Sport genauso wie Eltern, die sich ehrenamtlich engagieren.

Dabei soll es nicht nur darum gehen, was Kinder und Jugendliche benötigen, sondern auch, welche Probleme es im Alltag gibt. Auch die Konflikte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen sollen zur Sprache kommen. „Das Spannende beim Vergleich der Ergebnisse aus den Konferenzen und denen aus der Befragung der Schüler sind die Gegensätze“, sagt Krüger. Denn der erfahrene Jugendsozialarbeiter ahnt schon, dass das, was Erwachsene sich für die Jugendlichen wünschen, oft nicht die Bedürfnisse der Zielgruppe trifft. So will die Stadt ermitteln, welche Angebote in der Stadt gar nicht benötigt werden und welche man sinnvollerweise ausbauen sollte. „Letztlich leiten wir aus dem Gesamtergebnis auch ab, welche Jugendzentren wir in Norderstedt noch brauchen und welche geschlossen werden können“, sagt Amtsleiter Struckmann.

Die Befragung ist auch ein wichtiger Baustein beim Prinzip der Sozialraumorientierung, die seit einem Jahr im Norderstedter Jugendamt gilt. Dabei sollen die Umstände im Umfeld eines Jugendlichen derart verbessert werden, dass seine Entwicklung grundsätzlich besser gefördert wird. „Das praktizieren wir seit einem Jahr. Am Anfang brachte das viel Unruhe rein. Mittlerweile sind wir auf einem guten Weg. Die Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und den Akteuren der Jugendhilfe in der Stadt läuft immer besser.“ Das „Herrschaftswissen“ in der Jugendarbeit läge nicht mehr nur im Jugendamt, sagt Struckmann.