Stadt plant eine einzigartige Jedermann-Ausstellung und ruft die Bürger auf, ihre Kunstwerke zu präsentieren

Norderstedt. Kunst spiegelt sich nicht nur öffentlich und als Arbeit von Profis wider. „Es gibt viele Menschen, die in den eigenen vier Wänden kreativ sind“, sagt Norderstedts Behindertenbeauftragte Henriette Schüppler, die diese verborgenen Schätze heben will. Bilder, Fotos, Getöpfertes, Gebasteltes, Gedichte, Skulpturen, Schmuck und mehr will sie aus der Privatsphäre, aus Wohnzimmern und Kellern, von Böden und aus Schuppen holen und im Norderstedter Rathaus zeigen.

Zusammen mit der VHS hat Henriette Schüppler eine Jedermann-Ausstellung auf die Beine gestellt, wie es sie bisher noch nicht in der Stadt gegeben hat, und ruft die Norderstedter nun auf, anderen zu zeigen, wie viel Fantasie, Schaffenskraft und Geschick in ihnen steckt. Der Appell richtet sich aber nicht nur an die Menschen, die in der Stadt wohnen, sondern auch an diejenigen, die hier arbeiten.

Die Schau heißt „einzigArtig zusammenwachsen“. Einen Monat lang wollen die Veranstalter die Exponate in der Rathaus-Galerie zeigen, Start ist am 9. Februar. Um 17 Uhr beginnt die Vernissage, Sozialdezernentin Anette Reinders wird die Ausstellung eröffnen. Schon das deutet darauf hin, dass es nicht nur um Hobbykunst geht, der soziale Aspekt eine wichtige Rolle spielt. „Jeder kann kreativ sein, Menschen mit wie Menschen ohne Behinderungen“, sagt die städtische Behindertenbeauftragte. Kreativität überwinde Kategorien und schließe Schubladen, in die wir einander einordneten. Sie schaffe die Chance zum Zusammenwachsen. Die Organisatorin will weg von der „Defizit-Orientierung“ und hin zu den Fähigkeiten und Möglichkeiten, die Menschen mit Behinderungen hätten.

„Die Ausstellung soll für jeden gleichermaßen zugänglich sein. Ich möchte Menschen mit Behinderungen ermutigen, sich zu beteiligen. Sie stehen aber mit ihrem Handicap weder im Vorder- noch im Hintergrund, sondern mit ihrer Individualität auf der selben Stufe wie alle anderen Menschen auch“, sagt Henriette Schüppler, die die Inklusion von der anderen Seite aufziehen will: Nicht die Unterschiedlichkeit von Menschen mit und ohne Behinderungen will sie in den Vordergrund stellen, sondern die Gemeinsamkeit, in diesem Fall das künstlerische Wirken.

Die Anfrage einer chronisch kranken Norderstedterin hat sie auf die Idee zur Ausstellung gebracht. „Die Frau rief mich an, sagte, sie male und würde gern mal ausstellen“, sagt die Behindertenbeauftragte, nach deren Erfahrung viele Menschen mit Handicap kreativ sind. In einem Gespräch mit Norderstedts neuer VHS-Chefin Dörte Steinert erinnerte sich Henriette Schüppler an den Wunsch der Anruferin, und im Gespräch wurde die Idee zu „einzigARTig zusammenwachsen“ geboren. „Ich hatte eine Idee und keinen Raum, Frau Steinert einen Raum und keine Idee“, sagt Schüppler.

Als sie die Kollegen im Rathaus fragte, ob sie sich an der Jedermann-Ausstellung beteiligen wollen, habe sie regelmäßig folgenden Satz gehört: „Ich bin völlig unkreativ.“ Doch dann habe sie festgestellt, dass das nicht stimme. „Wenn ein Kollege, der sich für völlig untalentiert hält, mir dann erzählt, er habe gerade aus einem Straußenei eine Nachttischlampe gebastelt und sie mit einem Feinwerkzeug auch noch verziert, spricht das ja durchaus für kreatives Potenzial“, sagt Schüppler. Das sei ein gutes Beispiel für diejenigen, die sie und VHS-Leiterin Dörte Steinert ansprechen wollen.

„Wir möchten, dass diejenigen, die an einem Bild oder Gedicht arbeiten, dabei ihre eigenen Stärken erkennen und herausarbeiten. Um dann Freude oder auch Stolz zu empfinden, wenn ihr Werk in der Öffentlichkeit gezeigt wird“, sagt Dörte Steinert. Die beiden Organisatorinnen betonen, dass keine Preisschilder zu sehen sein werden – und es sich nicht um eine Verkaufsschau handele. Auch Videokunst und Graffiti seien willkommen, auch junge Leute sollen angesprochen werden.

„Wir wissen überhaupt nicht, was auf uns zukommt und sind neugierig, wie sich Kreativität zeigen wird“, sagt Henriette Schüppler, die die Aussteller einlädt, ihre Werke gemeinsam anzuordnen, Werk-Collagen zu erstellen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Jeder kann bis zu drei Exponate abgeben, wobei Bilder in einem Rahmen stecken sollten. Angenommen werden sie vom 12. bis 16. Januar und vom 26. bis 29. Januar jeweils von 16 bis 17 Uhr im VHS-Center im Rathaus.