In dritter Generation ist Sabina Bern Eigentümerin des Itzstedter Sees. Nur ein kleiner Teil im Nordwesten gehört der Nachbargemeinde Oering

Lautlos gleitet das Boot über die Wasseroberfläche. Die beiden Ruder werden diesmal nicht benötigt, ein unscheinbarer, kleiner Elektromotor sorgt für den Antrieb, unter der mittleren Sitzreihe ist hierfür ein Akku installiert. „Wegen der Umwelt“, sagt Sabina Bern, während sie über den Itzstedter See navigiert. Vom heimischen Steg führt die Strecke am Ufer entlang, in Sichtweite der Badeanstalt stoppt die Tour. „Von jetzt bis April ist es eigentlich die schönste Zeit“, sagt sie. Denn bis auf Schwäne, Enten, Wildgänse und Fischreiher schwimmt hier derzeit niemand, die offizielle Freibad-Saison ist längst beendet.

Für Sabina Bern gilt das nicht, denn es ist weitestgehend „ihr“ See. In dritter Generation ist sie Eigentümerin über etwas mehr als 13 Hektar Wasser- und zusätzlich knapp drei weitere Hektar Landfläche, nur die nordwestliche, 5000 Quadratmeter umfassende Ecke ist Teil der Nachbargemeinde Oering. Und wäre das nicht schon beneidenswert genug, gehört Sabina Bern zudem das weiße Häuschen, von dem sich viele Badende über die Jahre immer wieder gefragt haben, wer dort überhaupt wohnen würde. Fast schon ein Mythos scheint Bern gewesen zu sein – eine Frau, die nie zu erreichen ist, die irgendwo im fernen Ausland lebt.

Darüber lacht die 53-Jährige herzhaft. Seit 1972 – zugegeben mit ein paar Unterbrechungen – sei die Gemeinde Itzstedt ihre Heimat, sagt sie. Der See, eines der beliebtesten Freizeitziele der Region, ist noch länger in Familienbesitz. Hierüber führt Sabina Bern sorgfältig Buch, ihre eigenen Recherchen über die Historie des Gebietes haben sie bereits bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgeführt. Als Beweis legt sie die Kopie einer im Auftrag des Königlich-Preußischen Katasteramtes handgezeichneten Karte vor. 12. Juli 1901 ist dort notiert, die Gemarkung wurde damals dem Gut Borstel zugeordnet.

Zwei Weltkriege und knapp 55 Jahre später trat Otto Draber auf den Plan. Draber war Sabina Berns Großvater und ein erfolgreicher Kaufmann, der sein Vermögen mit dem Betrieb mehrerer Kammer-Lichtspiele in Hamburg und Bremen gemacht hatte. „Und er war ein leidenschaftlicher Angler“, sagt Bern. Als Otto Draber erstmals den Itzstedter See gesehen hatte, wusste er: Hier, in dieser ländlichen Idylle, wollte er seine spärliche Freizeit verbringen. Daher machte er der Naher Familie Hüttmann – bekannt durch die gleichnamige Ziegelei – ein Angebot, das diese nicht ablehnen konnte. Am 3. Februar 1956 wurde der Kaufvertrag notariell besiegelt. Auch das Fischereirecht erwarb Otto Draber, der sich mit seiner Frau Margarethe vor Ort niederließ.

Der See weckte allerdings bald auch andere Begehrlichkeiten. Davon zeugt das Protokoll eines Treffens vom 8. März 1956. „In ihrer Eigenschaft als Erwerber des Itzstedter Sees sind die Eheleute Draber grundsätzlich bereit, der Öffentlichkeit einen begrenzten Teil des Sees für Badezwecke zur Verfügung zu stellen.“ Interessant ist die folgende Passage: „Dieses Baderecht soll jedoch auf die Einwohner des Amtes Itzstedt sowie der Gemeinde Sülfeld beschränkt bleiben.“ Das heißt: Als Naherholungsgebiet für die gesamte Metropolregion war der See keinesfalls konzipiert.

Familie Drabers Rechtsanwalt schrieb mehrfach an Itzstedts Bürgermeister

Die am 23. Oktober 1956 geschlossene erste Vereinbarung wurde keinesfalls zur Zufriedenheit der Drabers umgesetzt. In den nächsten Jahren schrieb deren Rechtsanwalt Adolf Lumpe mehrfach an Itzstedts Bürgermeister Ernst Wrage. „Die Gemeinde Itzstedt hat sich verpflichtet, für einen polizeimäßigen Zustand am Itzstedter See Sorge zu tragen“, so Lumpe, um harsch hinzuzufügen: „Es liegt nunmehr im dringenden Interesse der Gemeinde Itzstedt, wenn endlich und zwar notfalls mit Polizeigewalt dafür Sorge getragen wird, daß der Badebetrieb sich ordentlich, reibungslos und ohne Störung für die Eheleute Draber in Zukunft abspielt.“

Endgültig geklärt wurde das Verhältnis zwischen allen Parteien erst 1963

Anders gesagt: Die Dorfjugend war den Drabers zu aufdringlich und insbesondere zu laut geworden. „Offenbar ist die Gemeinde der Auffassung, daß die Eheleute Draber ständig so langmütig bleiben werden wie bisher“, schrieb Rechtsanwalt Lumpe im Juni 1961.

Endgültig geklärt wurde das Verhältnis zwischen allen Parteien erst nach siebenjährigem Gezerre am 22. August 1963. Die Drabers gestanden der Gemeinde ein Nutzungsrecht für den Bereich zu, der auch heute noch auf Basis genau dieses Vertrages vom Amt Itzstedt als Badestelle genutzt wird. Otto Draber erwarb zudem eine anliegende Wiese, die wiederum getauscht wurde gegen den 200 Meter langen Zuweg zu seinem Haus am See, sodass dieser Bereich ab sofort rein privat wurde. Bis ungefähr Mitte des 20. Jahrhunderts war das Gebäude noch eine beliebte Ausflugsstätte, die „Seeklause“. Eine alte Postkarte aus dieser vergangenen Zeit hat Sabina Bern aufgehoben, auch Privatfotos von geselligen Runden im Garten. „Und natürlich sind die Menschen immer schon im See baden gegangen“, sagt sie. „Dass sich das Baden wegen des Uferschutzes auf eine Ecke konzentrieren sollte, war aber auch schon 1956 bekannt. Genauso, dass ein gesunder Schilfgürtel wichtig ist – das wusste mein Großvater als Angler und Jäger.“

Nur auf Oeringer Gebiet ist ein Angelverein aktiv

Über die Jahrzehnte hat sie die Veränderungen am See beobachtet. Es gab Sommermonate mit über 50.000 Besuchern, in diesem Jahr waren es 26.000. „In den 70er- und 80er-Jahren hatte ich noch freie Sicht über den See auf die gegenüberliegenden Felder, da gab es keinen Baumbewuchs am Ufer“, so Sabina Bern. „Heute ist der Laubeintrag das Problem. Gerade im Herbst, wenn wir in der Regel Westwind haben.“ Weil die Schwarzerlen sogar über das Schilf gewachsen waren, wurden sie mittlerweile auf der Südseite zurückgeschnitten.

Ein vom Amt Itzstedt in Auftrag gegebenes Gutachten kam 2011 zu dem Schluss, dass eine Reihe von Maßnahmen nötig sei, um den ökologischen Wert des Sees zu steigern. So sei unter anderem der Karpfenbestand zu hoch. Nur auf Oeringer Gebiet ist jedoch ein Angelverein aktiv – Sabina Bern würde zwar gerne das Fischereirecht verpachten, grundsätzlich aber nur für den gesamten See.

Ihre Zusage hat die Besitzerin hingegen für eine Phosphatfällung gegeben. Mit diesem wissenschaftlichen Verfahren soll das Verhältnis zwischen Nährstoffen und Sauerstoff wieder in Einklang gebracht werden. „Seitdem habe ich aber nichts mehr davon gehört“, sagt Sabina Bern. Die Zeit ist längst knapp geworden, sodass es sein könnte, dass die wichtige und zeitaufwendige Maßnahme auf den nächsten Herbst verschoben wird. Auch, weil es noch keine Einigkeit zwischen der zuständigen Landesbehörde und der Verwaltung gibt bezüglich eines vorgegeben Besucherlimits von 25.000 Badegästen pro Saison.

Was Sabina Bern indes genauso gern hätte, ist eine Art naturpädagogischer Lehrpfad rund um den See. Ob nun mit Infotafeln oder einem kleinen Pavillon, zumindest sollte den Gästen die Tier- und Pflanzenwelt nähergebracht werden. Um den Wildbadern zu erklären, warum es dringend notwendig ist, die Badeanstalt zu nutzen. Damit die Hundehalter ihre Tiere nicht im Uferbereich herumtollen lassen. Und warum es Sinn macht, vor dem Sprung ins Wasser die Sonnencreme abzuduschen. Sabina Bern: „Man muss nur ein wenig an den Köpfen der Menschen arbeiten.“