Polizei fordert Geschwindigkeitsmessanlagen, Grüne wollen Übertragung der Verkehrsaufsicht.

Norderstedt. Wie konnte es zu dem tragischen Unfall auf der Schleswig-Holstein-Straße kommen? Diese Frage steht im Raum, nachdem am vergangenen Sonnabend ein McLaren 12 C Spider mit 625 PS frontal gegen einen entgegenkommenden Kleinwagen geprallt ist (das Abendblatt berichtete). Die Fahrer beider Fahrzeuge sind gestorben, der acht Jahre alte Junge, der im Sportwagen auf dem Beifahrersitz saß, schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Er atmet wieder selbstständig, seine Lage ist stabil, teilte die Polizei mit. Unklar ist noch, ob er bleibende körperliche Schäden davongetragen hat.

Die Kollegen des Unfallfahrers können immer noch nicht verstehen, wie es zu dem schweren Unfall kommen konnte. Nach Angaben von Ronald Ludwig, General Manager von McLaren Hamburg, Kamps Sportwagen AG, Weg am Jäger, war der verstorbene Verkäufer ein erfahrener Fahrer, der sogar von McLaren geschult worden war, bevor er sich selbst an das Steuer eines solch PS-starken Fahrzeuges setzen durfte. „Er ist mit einem McLaren sogar im Regen problemlos von Hamburg nach München gefahren“, sagt Ludwig, der dafür gesorgt hat, dass das Foto des Verunglückten seit Montag nicht mehr auf der Internetseite des Autohauses zu sehen ist. Als Mitarbeiter des dreiköpfigen Teams ist dort jetzt ein anderer Verkäufer aufgeführt. „Es ist für uns unerklärlich, wie es zu diesem Unfall konnte.“ Seit zwei Jahren sei der verunglückte Mitarbeiter im Autohaus tätig gewesen, vorher habe er in einem anderen Autohaus ebenfalls Sportwagen verkauft. Ludwig: „Für den Umgang mit diesem Fahrzeug hatte er ausreichend Erfahrung.“

Die von Presseagenturen verbreitete Nachricht, dass in dem McLaren-Autohaus am Sonnabend eine Verkaufsveranstaltung stattgefunden habe, in deren Verlauf der acht Jahre alte Junge zu einer Spritztour eingeladen worden sei, bezeichnet Ronald Ludwig als falsch. Die Eltern des Jungen seien am Kauf des 224.800 Euro teuren Sportwagens interessiert gewesen und hätten ihm das Mitfahren erlaubt.

Noch immer ist völlig unklar, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Eindeutig geklärt ist inzwischen, dass der McLaren auf die Gegenfahrbahn geraten war, wo er den Opel Corsa eines 57 Jahre alten Norderstedters auf der Fahrerseite rammte. Wie berichtet, war der Corsa-Fahrer sofort tot, während der McLaren-Fahrer in der Heidberg-Klinik wenig später seinen schweren Verletzungen erlag. Über die Geschwindigkeit des Sportwagens können nur Vermutungen angestellt werden: In diesem Abschnitt der Schleswig-Holstein-Straße darf nur Tempo 60 gefahren werden – der McLaren war wahrscheinlich schneller. Bremsspuren waren nicht zu erkennen. Der Unfall wird jetzt von Sachverständigen analysiert, beide Unfallfahrzeuge wurden beschlagnahmt.

Nachdem bereits Ende Dezember vergangenen Jahres ein Ferrari-Fahrer einen Unfall mit zwei Toten verursacht hatte, wird in Norderstedt spekuliert, warum die Schleswig-Holstein-Straße als offensichtliche „Rennstrecke“ beliebt ist. Kai Hädicke-Schories, der Verkehrsexperte des Norderstedter Polizeireviers, weiß, dass sich die meisten Fahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten – oder nur leicht darüber liegen. Vor Kreuzungen und Ampeln darf nur 60 km/h gefahren werden, ansonsten 80 km/h. Andererseits sei die Straße aber auch eine Art „Einladung“ für Autofahrer, die aus Richtung Hamburg kommend hinter dem Ochsenzoll-Tunnel plötzlich eine freie Strecke vor sich haben und einen „Fahrspaß vor der Haustür“ einlegen könnten. „Für Spritztouren mit schnellen Autos ist die in Stadtnähe gelegene Landesstraße geradezu ideal.“ Hier könne schnell demonstriert werden, wie toll ein solches Fahrzeug der Premiumklasse sei. Eine solche Tour wollte offenbar auch der Autoverkäufer mit seinem jungen Beifahrer unternehmen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren sind bei Unfällen auf der Schleswig-Holstein-Straße acht Menschen ums Leben gekommen.

Nach Ansicht von Kai Hädicke-Schories müssten hinter dem Ochsenzoll-Tunnel Geschwindigkeitsmessanlagen installiert werden – am besten gleich mehrere hintereinander. So könne zu schnelles Fahren verhindert werden. Die Grünen-Fraktion in der Norderstedter Stadtvertretung sieht dringenden Handlungsbedarf. „Sollte sich herausstellen, dass die Stadt Norderstedt keinerlei Handhabe zur Erhöhung der Sicherheit auf der Schleswig-Holstein-Straße hat und es aktuell keine Bestrebungen anderer Stellen in Segeberg oder Kiel dazu gibt, müssen wir im Sinne der Verkehrssicherheit alles daran legen, hier aktiv zu werden“, sagt Grünen-Fraktionschef Detlev Grube. „Ein Appell mit der Bitte der Übertragung der Verkehrsaufsicht an die Stadt kann dann nur die erste logische Konsequenz sein. Ich rufe den Oberbürgermeister und alle Norderstedter Parteien auf, dann in Richtung Landrat und Verkehrsminister zu handeln.“