Norderstedt und die Energie-Effizienz-Genossenschaft sind ausgezeichneter Ort im Land der Ideen

Norderstedt. Zu Ende gedacht könnte ein Pilotprojekt in Norderstedt dabei helfen, die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa zu bekämpfen, allein in Deutschland etwa 180 Milliarden Euro an Energiekosten einzusparen, die Wirtschaft grüner und die Welt insgesamt zu einem besseren Ort zu machen. „Es stellt sich uns allein die Frage: Wie schaffen wir das alles?“

Professor Maximilian Gege stellte sich diese Frage am Mittwoch im Norderstedter Kulturwerk. Gege ist international einer der renommiertesten Vordenker in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, Vorsitzender und Mitbegründer des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) und Verfechter eines ökologischen Wirtschaftswunders. Und einer, der nicht nur redet, sondern auch die praktischen Lösungsansätze bietet.

Und das führte ihn nun nach Norderstedt. Zum einen, weil hier die von ihm entwickelte Regionale Energie-Effizienz Genossenschaft (REEG) Wirklichkeit werden soll und damit die Antwort auf die oben gestellte Frage liefert. Zum anderen, weil B.A.U.M. und Norderstedt dafür am Mittwoch zu einem „Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet wurden. Die gemeinsame Standortinitiative von Bundesregierung, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutschen Bank prämiert seit 2005 innovative Ideen und Projekte in ganz Deutschland.

Was macht nun also die REEG zu einer dieser herausragenden Ideen? Und was hat das ganze mit der Jugendarbeitslosigkeit zum Beispiel in Portugal zu tun?

B.A.U.M. möchte bis März 2016 in Norderstedt so eine Genossenschaft für Energieeffizienz aufbauen. Die Idee ist ebenso einfach wie genial: Bürger und andere Anleger geben ihr Kapital in einen Fonds, aus dem EnergieeffizienzMaßnahmen in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Privathaushalten finanziert werden. Die aus den Energieeinsparungen resultierenden Einnahmen laufen zum Teil wieder zurück in den Fonds und garantieren den Anlegern eine Rendite von etwa fünf Prozent. „Durch einen regionalen Zukunftsfonds können die beteiligten Kommunen ihre Vorreiterstellung in Sachen Energieeffizienz weiter ausbauen, ein grünes Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze sichern und schaffen“, sagt Gege. Die Investition in mehr Energieeffizienz kostet den Anwender kein Geld. Er muss keinen Kredit aufnehmen. Er profitiert stattdessen von Anfang an von den Energieeinsparungen, aus denen auch die Refinanzierung der Investition erfolgt. Und es könnten jede Menge Energie eingespart und tonnenweise Kohlendioxid-Ausstoß vermieden werden.

Das Ziel seien 900 derartiger Genossenschaften in Städten und Kreisen in ganz Deutschland. Und danach eine Verbreitung in die ganze Welt. Was uns nach Portugal führt. „Ich war dort gerade zu Besuch: Die Portugiesen haben keine Jobs für junge Leute, importieren aber für Milliarden an Euro Atomstrom aus dem Ausland, haben aber kaum Sonnenkollektoren auf dem Dach“, sagt Gege. Die Regionalen Genossenschaften könnten nicht nur den Energiebedarf drosseln, sondern auch für den Einsatz von erneuerbarer Energie werben. „All das schafft Arbeitsplätze“, so Gege. Er warb dafür, dass die Menschen in Deutschland ihre geschätzten 2000 Milliarden Euro an gespartem Vermögen in die Hand nehmen und in diese Zukunftsfonds investieren. „Auf Gespartes wird vielleicht demnächst Strafzins fällig. Bei uns gibt es drei bis vier Prozent Rendite. Damit lässt sich eine Altersvorsorge aufbauen.“

Norderstedt ist neben Aachen und dem Landkreis Berchtesgadener Land eine von drei Pilotregionen in Deutschland, in der die ersten REEG erprobt werden. Projektleiter in Norderstedt ist Rainer Kant. Er sucht Firmen, kommunale Einrichtungen oder Privathaushalte, die sich bei der Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen, sei es bei der Beleuchtung, bei der Wärmegewinnung oder bei Produktionsabläufen von B.A.U.M. beraten lassen wollen und Teil des REEG werden. „Wir prüfen derzeit betriebliche Projekte in Norderstedt und Ellerau. Außerdem haben wir die Satzung für die Genossenschaft erarbeitet.“

Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote zeigte sich stolz, dass mit Maximilian Gege ein Mann der Stadt die Ehre erweise, der sich unter anderem ganz eng mit Angela Merkel austausche. Grote bekannte sich zur Nachhaltigen Stadtentwicklung und dem Ziel, energieautarke Kommune zu werden. „Das ist keine Ideologie mehr oder Schöngeistigkeit – das ist heute ein harter Wirtschaftsfaktor.“