Meteorologen vom DWD fürchten Störungen auf ihren Radarbildern. Großenasper Planer wollen vor Gericht ziehen

Kreis Segeberg. Wenn Bürgermeister Torsten Klinger durch Großenaspe geht, gibt es nur ein Gesprächsthema: das vorläufige Aus für den Windpark am Rand der Gemeinde. Als erstes Dorf in Schleswig-Holstein wollte Großenaspe seine eigene Windmühle aufstellen, um sich mit Strom zu versorgen. Mast und Rotor sollten neben weiteren sechs Anlagen stehen, die am Dorfrand 150 Meter in die Höhe ragen sollten. Doch die Großenasper mussten einen unerwarteten Rückschlag hinnehmen. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Lübeck lehnt das Pilotprojekt ab – weil der Deutsche Wetterdienst (DWD) intervenierte. „Die Enttäuschung ist groß“, sagt Bürgermeister Klinger.

Der staatliche Wetterdienst erhob Einspruch, weil die Meteorologen fürchten, der Windpark könnte die Wettermessungen ihres sieben Kilometer entfernten Radarturmes in der Nachbargemeinde Boostedt stören. Dort steht in einem Wald auf einem Hügel eine Messstation, die mit weiteren Radaren in Rostock und Hannover erfasst, was sich im Himmel über dem Norden abspielt. Steht jedoch eine Windmühle zu nah am Turm – so die Sorge –, dann sind die Messungen nicht mehr korrekt und die Vorhersagen nicht präzise. 15 Kilometer Abstand für hohe Mühlen– so viel muss sein, sagen die Offenbacher Wetterkundler über die Lage rund um Boostedt.

Manche Bürger haben 20.000 Euro investiert, andere 250.000 Euro

Klinger und Hans-Günther Lüth, Geschäftsführer des Windparks Großenaspe, können diese Sorgen nicht nachvollziehen. Stets sei ihnen von den Behörden ein Okay für das Millionenprojekt signalisiert worden. Der Windpark hat vier Millionen Euro von seinen 83 Anteilseignern eingesammelt, die sich von den Windmühlen sauberen Strom und eine einträgliche Rendite erhoffen. Viele kommen aus dem Dorf und der Region. Manche haben 20.000 Euro investiert, andere 250.000.

Eine Millionen Euro hat der Bürgerwindpark bereits für die Planung ausgegeben. Sollte es beim endgültigen Aus bleiben, wäre dieses Geld dahin. Doch die Anteilseigner wollen kämpfen. Bei einer Mitgliederversammlung haben sich bei zwei Enthaltungen alle Mitglieder dafür ausgesprochen, Einspruch gegen den Bescheid zu erheben und den Windpark notfalls vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig durchzuboxen. „Wir wollen das nicht hinnehmen“, sagt Klinger.

Den ersten Dämpfer kassierten die Planer von der Kommunalaufsicht

Vor zwei Jahren hatte der Gemeinderat die Bürger befragt, ob sie für den Bau einer dorfeigenen Windkraftanlage sind. „Der Rücklauf war sehr hoch“, erinnert sich der Bürgermeister. 79 Prozent der Bürger stimmten für das erste Projekt dieser Art in Schleswig-Holstein. Bei einer zweiten Abstimmung wurden die Großenasper gefragt, ob sie für den eigenen Haushalt Strom aus dem Windpark kaufen würden, in dem auch die gemeindeeigene Mühle stehen würde. Wieder stimmte die große Mehrheit mit Ja.

Fünf Millionen Kilowattstunden würden die Großenasper aus ihrer Anlage abnehmen – weniger als ihre eigene Windmühle produziert hätte. Ihre Leistungsfähigkeit hätte bei 6,5 Millionen Kilowattstunden gelegen.

Den ersten Dämpfer kassierten die Großenasper von der Kommunalaufsicht in der Kreisverwaltung. Allein dürfe die Gemeinde keine Windkraftanlage betreiben, schrieben die Prüfer. Sie schätzten trotz gesunder Gemeindefinanzen das wirtschaftliche Risiko als zu hoch ein. Die zweite Hälfte übernahm die Bürgerwindpark Großenaspe GmbH.

Dass der Wetterdienst Einwände erheben würde, war Windpark-Geschäftsführer Lüth schon im Jahr 2010 klar. Damals erläuterte er das Projekt bei den Regionalplanern der Kieler Landesregierung. „Uns war klar, dass der DWD sich sperren wird“, sagt Lüth. „Und es war auch klar, dass die Forderungen des Wetterdienstes nicht begründet sind.“ Lüth schaltete Gutachter ein, die nach seinen Worten nachwiesen, dass der DWD „Humbug“ fordere. Sie gehen davon aus, dass die Windmühlen das Radar in Boostedt nicht beeinträchtigen werden.

Hans-Günther Lüth bereitet eine einstweilige Verfügung vor

In der Großenasper Nachbargemeinde Wiemersdorf stehen laut Lüth schon jetzt 16 Windkraftanlagen, von denen nur vier den Höhenauflagen des DWD entsprechen. „Die anderen waren schon da, bevor der DWD kam“, sagt der Planer. Auch im weiteren Umfeld sind viele Mühlen deutlich höher als in den aktuellen Auflagen vorgesehen. 100 Meter sollen es laut DWD sein, doch damit sei kein wirtschaftlicher Betrieb möglich, sagt Lüth. Vor einem ähnlichen Problem wie er stehen auch die Planer eines Windparks in der Boostedter Nachbarkommune Gönnebek sowie im Kreis Plön. Auch sie ärgern sich über die Einsprüche des DWD. Lüth misstraut dem DWD und will jetzt die aktuellen Radarbilder sehen, um zu prüfen, ob die bereits bestehenden Anlagen die Messungen stören. Er bereitet eine einstweilige Verfügung vor.

DWD-Sprecher Uwe Kirsche sieht einem Rechtsstreit gelassen. Mehr als zwei Dutzend vergleichbare Prozesse habe der Wetterdienst bereits geführt: „Wir haben alle gewonnen.“ Außerdem laufen derzeit mehrere 100 Einwendungen. Der Wetterdienst habe als Bundesbehörde den gesetzlichen Auftrag, das Wetter zu überwachen und vor Unwettern zu warnen. Dabei sei man existenziell auf die Radarstationen angewiesen.

Rotierende Windkraftanlagen bereiten nach seinen Worten große Probleme bei der Analyse der Bilder: „Das Radar kann nicht zwischen Hagel und einer Windkraftanlage unterscheiden.“ Auch mit moderner Software sei dieses Problem nicht in den Griff zu bekommen.

Hartmut Schmidt vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume bestätigte die Ablehnung des Genehmigungsantrags, die am 29.September den Antragstellern des Windparks zugeschickt worden sei. Das Amt habe die Voraussetzungen für die Genehmigung geprüft und den DWD um eine Stellungnahme gebeten. Aus der Antwort sei ersichtlich, dass der Wetterdienst eine „signifikante Störung“ seiner Boostedter Anlage befürchte.

Daraufhin habe sich das Landesamt entschieden, den Windpark in Großenaspe nicht zu genehmigen, sagte Schmidt.