Eine Glosse von Manfred Scholz

Zum Bäcker meines Vertrauens gehe ich gern. Neben dem besten Brot der Welt komme ich jedes Mal mit der netten Verkäuferin zum Plausch. Sie erzählte, dass sie am Wochenende gern angelt. So erfahre ich etwas über Köder, Blinker und die passende Ausrüstung. Außerdem träumt sie davon, eine Clownschule zu besuchen. Ich staune.

Merke: Wer mit Menschen ins Gespräch kommt, erfährt Neues. Kleiner Tipp: Neugierig sein! Mal den Mund aufmachen! Oft reicht schon eine kleine witzige Bemerkung als „Türöffner“ von Mensch zu Mensch. Meine Fachverkäuferin steht täglich hinterm Verkauftresen. Wie sieht sie ihre Kunden? „Unfreundlich ist kaum einer, aber richtig freundlich sind nur wenige“, so ihr Eindruck. Muffelig seien manche und nur wenige ausgesprochen interessiert. „Es sind“, urteilt sie, „eben typische Norddeutsche. Kühl und unnahbar“.

Eine Pauschalkritik, keine Frage. Wie sollte ich auf diesen Rundumschlag reagieren? Dass die Bewohner des Nordens selten zu massiven Gefühlsausbrüchen neigen, ist Tatsache. Dass der Rest der Republik die Landsleute hoch oben wahlweise als dröge, spröde und kühl einstufen, ist auch Tatsache. Alles Vorurteile? Sicherlich. „Dem Norddeutschen“, staunt meine Verkäuferin vom Niederrhein, „reichen zur Konversation wenige Worte: „Moin“, „Naaa“, „Jo“ und „Mmmmm“. Das sei für sie auf Dauer zu wenig. Ratlos lässt sie mich zurück. Hat sie etwa recht – oder doch nicht? Ich bin ein Nordlicht, also befangen.