80 Unfälle auf Fußgängerüberwegen gibt es im Jahr in Norderstedt: Heidi Jahnk wurde im Juli beinahe umgefahren

Norderstedt. Nur bei Grün gehen. Das lernt jedes Kind. Denn wer als Fußgänger oder Radfahrer einen Überweg mit Ampelschaltung nutzt, der darf sicher sein, dass ihm nichts passiert. Denkste. Heidi Jahnk, 71, aus Norderstedt hat die Erfahrung gemacht, dass man als Fußgänger selbst hier nicht mehr sicher ist.

Die Seniorin wurde mitten auf dem Fußgängerüberweg auf der Ohechaussee, gegenüber von Meyers Mühle, Opfer einer Fahrerflucht. Und weil sie nicht zulassen will, dass der rücksichtslose Autofahrer einfach so davonkommt, versucht sie nun, Zeugen zu finden.

Es war ein Donnerstag, der 24. Juli 2014, gegen 11.15 Uhr. Heidi Jahnk kommt mit ihrem Fahrrad vom Wochenmarkt am Schmuggelstieg. Die Ohechaussee will sie auf dem Überweg mit Ampelsignal auf der Kreuzung mit der Ochsenzoller Straße überqueren. „Die Ampel ging auf Grün, und ich fuhr los. Da kam der Wagen als Linksabbieger aus der Ochsenzoller Straße gefahren, so schnell, dass ich dachte: Der fährt dich um“, sagt Heidi Jahnk. Ihrer Erinnerung nach handelte es sich um einen silbergrauen BMW, vielleicht ein Modell der 5er-Reihe, vielleicht auch der 3er-Reihe.

Geistesgegenwärtig bremst Heidi Jahnk ihr Fahrrad mit aller Kraft ab. Einen Zusammenstoß mit dem Wagen kann sie nur so knapp verhindern. Doch bei der Aktion gerät sie aus dem Gleichgewicht und stürzt. „Ich fiel der Länge nach auf die Straße“, sagt die Norderstedterin. Das Auto fuhr ein Stück weiter und blieb dann stehen. „Die Autos stauten sich an der Ampel. Und ich lag da auf dem Asphalt. Eine Frau half mir dabei, mich aufzurappeln.“

Der Fahrer des BMW aber blieb stocksteif in seinem Wagen sitzen und tat nichts. Irgendwann sei die Beifahrertür aufgegangen. „Eine Frau kam heraus und half mir, mich zu sortieren. Sie sagte nur, dass sie ihrem Mann gesagt habe, er solle bremsen. Dann ging sie zurück zum Auto – und die beiden fuhren weg.“

Heidi Jahnk konnte erkennen, dass es sich bei dem Fahrer um einen älteren Mann um die 70 Jahre gehandelt hatte. Außerdem konnte sie sich an den Großteil des Nummernschildes aus Hamburg erinnern. Trotzdem konnte die Polizei den Fahrer bislang nicht ermitteln.

„Ich suche nun auf diesem Weg nach Zeugen, die mehr zum Unfall sagen können, vielleicht die Frau, die mir damals geholfen hatte, aufzustehen“, sagt Heidi Jahnk. Nach dem Unfall litt sie vier Wochen lang unter den Prellungen, die sie sich beim Sturz vom Fahrrad zugezogen hatte. „Ich hatte Schmerzen am ganzen Körper. Besonders an den Armen und Beinen war es schlimm.“

Kai Hädicke-Schories, Verkehrsbeauftragter der Norderstedter Polizei, kennt den Fall. „Die klassische Unfallflucht, wie sie häufig in unserer Stadt vorkommt, aber nicht sehr oft angezeigt wird. Uns liegen nur ein bis zwei Fälle pro Jahr vor.“ In der Regel belassen es Fußgänger und Radfahrer in dieser Situation bei der drohenden Faust und ein paar Kraftausdrücken in Richtung des Verursachers. „Dabei ist das kein Kavaliersdelikt. Es ist eine Straftat. Wenn wir den Fahrer ermitteln, könnten eine Geldstrafe und ein Fahrverbot infrage kommen.“ Da es sich bei dem Fahrer um einen angeblich betagten Mann handelt, komme auch die Prüfung der Fahrtüchtigkeit in Betracht und der generelle Entzug der Fahrerlaubnis – nicht selten ist dies auch der Grund für die Fahrerflucht, die Angst vor dem Verlust der Mobilität.

Im Fall Jahnk habe die Polizei alle Angaben überprüft. Leider gab es zu dem Kennzeichen-Fragment und der Beschreibung des Wagens keinen Treffer in der Kartei. „Die zuständige Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen Unbekannt deswegen eingestellt“, sagt Hädicke-Schories. „Jetzt können tatsächlich nur noch Zeugen weiterhelfen, die das Kennzeichen genau gelesen haben.“ Die Wahrscheinlichkeit, diesen Zeugen nach Monaten noch ausfindig zu machen, ist mutmaßlich eher gering.

Der Unfallhergang sei exemplarisch. Und er zeige, dass Fußgänger und Radfahrer auf den Furten tatsächlich nicht sicher sein können. „Wenn es knallt, dann auf den Furten“, sagt Hädicke-Schories. 100 bis 120 Unfälle zwischen Auto, Radfahrer und Fußgängern verzeichnet Hädicke-Schories jährlich in seiner Verkehrsstatistik. 80 davon passieren direkt auf den Überwegen – trotz Ampel, trotz Warnsignal. „Häufig sind es, wie in diesem Fall, die Rechts- oder die Linksabbieger, die Radfahrer oder Fußgänger schlicht übersehen.“ Gerade an den Übergängen an der Kreuzung Ohechaussee mit Ochsenzoller und der Ulzburger Straße komme es häufiger zu Konflikten. „Wenn Fußgänger oder Radfahrer dann zu langsam oder noch bei Rot auf die Straße gehen, dann staut sich der Verkehr zurück und die Autofahrer werden ungeduldig. Trotzdem: Wenn etwas passiert, hat der Autofahrer zu 100 Prozent Schuld.“

Wer Heidi Jahnk mit einer Zeugenaussage weiterhelfen kann, meldet sich in der Redaktion unter 040/300 620 104.