Ehrenamtliche Seelsorger arbeiten in der Norderstedter Emmausgemeinde nach dem Konzept der Gestaltseelsorge

Norderstedt. Schon Martin Luther wusste: Das Evangelium wird nicht nur über die Verkündigung von der Kanzel weitergegeben. Wichtig sei auch der Austausch der Glaubensgeschwister untereinander, fasst Pastor Martin Lorenz zusammen. Er arbeitet in der Garstedter Christuskirche, die zur Emmausgemeinde gehört. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, die schon Luther umtrieb, stellte er sich die Frage, warum in der Kirchengemeinde zwar vieles professionell angegangen wird, nur der Austausch nicht? Bedarf gibt es in seinen Augen genug: „Es gibt immer wieder Menschen, die ich gerne ansprechen würde, denn mir fällt bei denen auf, dass etwas mit ihnen ist.“

Für eine Therapie seien die Probleme oft nicht gravierend genug, oder die Hilfsbedürftigen müssten zu lange auf einen Platz warten. Auch die Kapazitäten des Pastors und ausgebildeten Gestalttherapeuten Lorenz sind begrenzt: „Ich selbst kann maximal drei Menschen intensiv in der Woche bei grundlegenden Lebensfragen begleiten.“ Und so wünschte er sich einen Kreis von Menschen, die er in solchen Fragen ansprechen kann: „Kann sich einer von euch kümmern?“ Damit war die Idee der Ausbildung zum ehrenamtlichen Seelsorger in der Welt. Mittlerweile ist in der Gemeinde bereits der zweite Kursus beendet, vor einer Woche wurden elf Teilnehmer im Gottesdienst für die Aufgabe gesegnet. Sie verstehen sich als Zeitschenker, als Menschen, die für andere da sind und ein offenes Ohr haben.

Regina Knoth-Rickert: „Ich habe so schöne Erfahrungen gemacht“

Zu ihnen gehört Regina Knoth-Rickert. Sie bringt gleich eine besondere Qualifikation mit: Die Gebärdensprache. Im Rahmen der Ausbildung hatte sie bereits Kontakt zu einem gehörlosen Klienten, und jetzt ist bereits der nächste vorstellig geworden. „Der Kontakt ist so wichtig für die Menschen mit Hörschädigung“, sagt sie. „Ich habe da so schöne Erfahrungen gemacht.“ Auch die Ausbildung war für die frühere Krankenschwester nach eigener Aussage eine tolle Erfahrung. Bereits zuvor war sie im Geburtstagsbesuchskreis der Gemeinde aktiv und hatte dabei ein bewegendes Erlebnis mit einem Trauernden. „Danach bin ich nach Hause gegangen und habe mich gefragt, ob ich die richtigen Worte gefunden habe?“, sagt Knoth-Rickert. Das Angebot der Ausbildung zur Gestaltseelsorge kam für sie gerade recht.

Auch Laura Heufel kam über den Umgang mit Trauernden zur Ausbildung. „Ich hatte darauf keine Antwort“, bekennt sie heute. Nach einem Jahr in der Gruppe von Pastor Lorenz sieht sich jetzt gestärkt und sagt: „Man muss darauf achten, was dran ist. Das ist dann die Trauer. Wichtig ist: Nichts hält ewig, auch die Trauer nicht.“

Das Motto in der Gemeinde lautet: „Würdigen, was gerade dran ist“

Mit dieser Form ehrenamtlicher Gestaltseelsorge ist die Emmausgemeinde laut Pastor Lorenz in der Nordkirche einzigartig. „Das Motto in der Gemeinde ist: Würdigen, was ist, werde der du bist, und dann kannst du dich verändern“, fasst Lorenz zusammen.

Auch Anja Gestram hat dieses Konzept vor einem Jahr überzeugt. Sie habe sich nach Beratungserfahrungen in der Psychiatrie und einem VHS-Kursus zum Coaching kommunikativ weiterbilden wollen. „Ich habe mehr bekommen, als ich erwartet habe“, sagt sie. Sie selbst sei achtsamer in Begegnungen geworden und hofft in der heutigen schnelllebigen Zeit auf kontinuierliche Kontakte, aber auch kurzfristige seien ihr recht. „Alles soll sich aus der Begegnung ergeben“, sagt Pastor Lorenz. „Manche Kontakte sind nach zwei Begegnungen beendet, manche dauern anderthalb Jahre.“ Wichtig sei immer zu spüren, was dran ist. „Mein Wunsch ist es, eine seelsorgerliche Grundhaltung in der Gemeinde wachsen zu lassen.“