Digitaler, wirtschaftsfreundlicher, weltoffener: Wie CDU-Politiker Axel Bernstein die Neuausrichtung seiner Partei sieht

Kreis Segeberg. „Deutschland und Europa sind im Vergleich zu den USA digitale Zwerge. Das muss sich ändern, wir müssen wieder Technologieführer werden und ein gründerfreundliches Klima schaffen.“ Das fordert Axel Bernstein. Der Segeberger CDU-Landtagsabgeordnete gehört zu den bundesweit gut 50 „jungen Rebellen“, die der Union als „Netzwerk CDU2017“ ein zukunftsfähiges Programm mit einem stärker wirtschaftlich orientiertem Markenkern verpassen wollen. Was sich dahinter verbirgt, sagt der 40 Jahre alte Politiker im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.

Hamburger Abendblatt:

Wie sind Sie ins „Netzwerk CDU2017" geraten?

Axel Bernstein:

Zum einen ist die Digitalisierung, die ja wichtiger Baustein eines Zukunftsprogramms sein muss, einer meiner Schwerpunkte. Zum anderen kenne ich vor allem aus meiner Zeit als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Schleswig-Holsteinischen Landtag durch den Kontakt zu anderen Landesverbänden viele Kollegen. Und: Ich bin davon überzeugt, dass die Partei möglichst schnell ihr Profil schärfen sollte, nicht nur mit Blick auf die nächste Bundestagswahl, sondern auch, um Deutschland gerade angesichts der aktuellen Wachstumsschwäche als Wirtschafts- und Industrienation zu stärken.

Ist das zugleich eine Kritik am gegenwärtigen Kurs der CDU und der Kanzlerin, die in den letzten Jahren verstärkt auf soziale Themen gesetzt haben?

Bernstein:

Nein, wir sehen uns auch nicht als Rebellen, sondern als eine Gruppe, die einen konstruktiven Beitrag leisten will. Nach anfänglicher Kritik hat uns die Kanzlerin ausdrücklich ermutigt. Der bisherige Kurs war erfolgreich, nur der eigene Markenkern darf nicht hinten runterfallen. Und wir müssen uns stärker an der Lebenswirklichkeit der 18- bis 32-Jährigen orientieren. Bei dieser Gruppe hat die CDU bei der letzten Bundestagswahl die meisten Stimmen von allen Parteien geholt.

Welche Themen sind da gefragt?

Bernstein:

Zum einen dominieren durchaus traditionelle Werte: eine Familie gründen, Karriere machen, „bürgerliche“ Berufe ergreifen. Das sind Orientierungen, für die die CDU steht. Und doch hakt es noch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wir brauchen mehr Flexibilität bei den Arbeitsplätzen und, wie gerade von der Bundesagentur für Arbeit gefordert, flexiblere Öffnungszeiten der Kitas. Ein paar Jahre Teilzeitarbeit dürfen nicht zum Karriereknick führen, denn wir brauchen die gut ausgebildeten Frauen, damit die dringend benötigten Fachkräfte zur Verfügung stehen und Deutschlands Wirtschaft wachsen kann.

Beim Fachkräftemangel kommt eine zweite Gruppe ins Spiel: qualifizierte Zuwanderer. Nutzt Deutschland dieses Potenzial?

Bernstein:

Bisher sind das eher Einzelinitiativen, wenn Arbeitgeber Fachkräfte aus Südeuropa mit seiner hohen Arbeitslosigkeit einstellen. Es fehlt ein europaweit abgestimmtes Konzept. Es gibt weder verlässliche Zahlen zum Bedarf, noch zur Zahl der Zuwanderer und deren Qualifikation.

Zurück zur digitalen Zukunft. Frage aus aktuellem Anlass: Gerade hat die Bundesregierung beim IT-Gipfel in Hamburg angekündigt, bis 2017 fast eine halbe Milliarde Euro in die Digitalwirtschaft zu pumpen. Reicht das?

Bernstein:

Ich hatte Gelegenheit, am IT-Gipfel teilzunehmen, der ein starkes Signal war, dass Wirtschaft und Politik für Deutschland eine Führungsrolle in der Digitalisierung erreichen wollen. Ich denke, der Staat sollte seine finanzielle Unterstützung in diesem Bereich auf neue Lehrstühle und Hilfe bei der Finanzierung von Start-ups konzentrieren und nur da, wo letztlich unerlässlich, sollten wir Wirtschaftlichkeitslücken beim Breitbandausbau schließen helfen. Das kann der Markt inzwischen weitgehend alleine. Mit klugen Gesetzesnovellen, wie der Ermöglichung von neuen Verlegeverfahren und der Mitnutzung bestehender Infrastrukturen für Glasfasernetze, hat die Bundesregierung hier den richtigen Rahmen gesetzt. Bei einer solchen Schwerpunktsetzung ist die halbe Milliarde zusammen mit den zu erwartenden Erlösen aus der Versteigerung von Frequenzen als „Digitale Dividende 2“ schon erst mal ganz ansehnlich.

Wo muss dringend nachgesteuert werden?

Bernstein:

Wir waren zu lange nicht auf der Höhe der Zeit. An deutschen Unis werden durchaus brauchbare Ideen entwickelt, doch dann fehlen Umfeld und Geld, realisiert werden die Projekte in den USA. Es ist an der Zeit, dass die nächste Generation der Googles und Apples nicht aus dem Silicon Valley, sondern zumindest aus Europa, wenn nicht aus Deutschland kommen.

Wie lässt sich das konkret erreichen?

Bernstein:

Wir müssen Start-ups besser miteinander vernetzen, beispielsweise über Gründerzentren. Kreative brauchen ein entsprechendes Umfeld, Menschen, die Computerspiele erfinden, wollen Lifestyle, und den finden sie nicht auf dem Land, sondern in der Stadt. Deswegen sollten Schleswig-Holstein und Hamburg ihre Mittel bündeln und Fördergeld gemeinsam in HafenCity Universität in Hamburg stecken. Das wäre mal eine zukunftsweisende Kooperation in der Metropolregion, weil der Norden nicht wie Bayern mal eben zwei Milliarden locker macht, um die Digitalisierung zu fördern. Und wir müssen die Diskussion über die digitale Welt positiver führen, denn Big Data, die ständig wachsende Datenflut und ihr Nutzen, sind der Rohstoff der Zukunft.

... und den Datenschutz vernachlässigen?

Bernstein:

Nein, natürlich nicht. Aber wir müssen Lust darauf machen, Informatik zu studieren oder eine Programmiersprache zu lernen. Wer will denn Apps entwickeln, wenn er den Eindruck hat, immer mit einem Bein im Gefängnis zu stehen? Für eine App zum Verkehrsfluss braucht man nun mal die Daten vieler Nutzer, aber anonymisiert. Auf der anderen Seite ist es ja verständlich, dass die Menschen wissen wollen, wo ihre Daten sind. Meine Idee ist: Jeder bestimmt beispielsweise über einen Button auf dem PC, wann er welche Daten aus dem Internet löscht.

Der Umgang mit Smartphone, Tablet oder digitaler Haushaltssteuerung braucht Medienkompetenz. Sind da die Schulen gefordert?

Bernstein:

Ja, die Lehrer haben zwar schon jetzt alle Hände voll zu tun, um dem Erziehungs- und Bildungsauftrag gerecht zu werden. Wir brauchen eine Reform der Lehrpläne, Medienkompetenz gehört aber in jedem Fall in den Unterricht, genauso, wie jeder Schüler ein Tablet und jede Schule ein digitales Netzwerk haben muss, WLAN inklusive. Programmieren als „Fremdsprachen-Angebot“ ist so wichtig wie Französisch und Englisch. Außerdem müssen die Abschlüsse bundesweit weiter vereinheitlicht werden.

Wie wollen Sie das erreichen, der Föderalismus zeigt sich kaum irgendwo so stark wie bei der Bildung?

Bernstein:

Wir müssen in den Bundesländern, in denen wir regieren, auch den Kultusminister stellen. Dieses wichtige Amt geben wir viel zu oft ab, in Schleswig-Holstein war Peter Bendixen, der bis 1988 im Amt war, der letzte Kultusminister der CDU. In 16 Bundesländern haben nur drei Christdemokraten das Sagen in der Bildung. Wenn wir das ändern, können wir auch den Flickenteppich der Schulformen und Lehrpläne vereinheitlichen und damit dem Wunsch vieler Eltern nachkommen.

Sie sind über das „Netzwerk CDU2017“ bundespolitisch aktiv. Gibt es Ambitionen, von Kiel nach Berlin zu wechseln?

Bernstein:

Nein, überhaupt nicht. Zum einen haben wir mit Gero Storjohann einen hervorragenden Vertreter unseres Wahlkreises im Bundestag. Zum anderen bin ich noch relativ jung und habe momentan viel Spaß an meiner Arbeit im Landtag.