Trotz stundenlanger Diskussion gibt es noch keine Entscheidung über eine Entschädigung für Margrit Herbst

Bad Bramstedt. Über zweieinhalb Stunden haben Segebergs Kreispolitiker am Dienstagabend in einer nicht öffentlichen Sitzung über das Schicksal der Tierärztin Margrit Herbst beraten. Erstmals durfte sich auch Herbst selbst äußern. Eine Entscheidung über die von Linken und Piraten beantragte Rehabilitation der Veterinärin wurde nicht gefällt, stattdessen beschäftigen sich der Hauptausschuss noch einmal mit dem Fall. Am 4. November werden die Mitglieder vermutlich einen Beschluss vorbereiten; der könnte anschließend am 6. November vom Kreistag abgesegnet werden.

Trotz des erneuten Aufschubs des Beschlusses zeichnet sich nun eine Tendenz ab: Margrit Herbst wird wohl nicht finanziell entschädigt werden. Sie selbst jedenfalls habe nach der für sie kräftezehrenden Sitzung die Hoffnung aufgegeben, sagte sie dem Abendblatt. Ihre Forderung nach einer finanziellen Entschädigung werde sie trotzdem aufrechterhalten. „Ich gebe nicht auf, es geht weiter“, sagte die 74-Jährige. Bislang haben sich nur Linke und Piraten klar für eine ideelle oder finanzielle Art der Wiedergutmachung ausgesprochen. Die einzelnen Fraktionen werden in den kommenden Tagen über die Ergebnisse der Befragung Herbsts beraten.

Der mittlerweile seit zwanzig Jahren schwelende Fall ist bis heute brisant und gilt einigen als Paradebeispiel für den Umgang mit Whistleblowern. Die Tierärztin hatte ab 1990 als angestellte Tierärztin im Bramstedter Schlachthof Rinder mit typischen Symptomen der tödlichen Rinderkrankheit BSE entdeckt. Deutschland galt damals noch als BSE-frei. Herbst informierte ihre Vorgesetzten immer wieder über die Verdachtsfälle, schaltete auch den Landrat ein. Proben der Rinder blieben ohne eindeutig positives Ergebnis.

Als sie öffentlich vor BSE-Gefahren warnte, wurde Margrit Herbst entlassen

Weil sie im November 1994 schließlich öffentlich vor BSE warnte, wurde Herbst entlassen und vom Betreiber des Schlachthofs auf Schadenersatz verklagt. In mehreren Gerichtsurteilen wurde die Rechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt, Margrit Herbst hätte sich erneut an ihre Vorgesetzten und nicht an die Öffentlichkeit wenden müssen, so die Richter. Die Schadenersatzforderungen wurden abgewiesen. Nach der Entlassung fand die Tierärztin nie wieder eine Anstellung; bis heute glaubt sie, dass die Verdachtsfälle damals vertuscht werden sollten. Inzwischen wurde Herbst mit diversen Preisen für ihren Mut geehrt. Im Februar hatte ein bislang unbekannter Tierarzt aus dem Kreisveterinäramt durch anonyme Hinweise an das Land einen erneuten Hygieneskandal im Bramstedter Schlachthof aufgedeckt. Im Zuge dessen setzten Linke und Piraten den Fall erneut auf die Tagesordnung.

Zur Ausschusssitzung wurde Margrit Herbst von ihrer Tochter Susanne Herbst-Richter begleitet. Sie verteidigte ihre Mutter: „Ich glaube nach wie vor, dass meine Mutter damals richtig gehandelt hat. Ich würde ihr immer wieder dazu raten, die Wahrheit zu sagen, auch wenn das für sie negative wirtschaftliche Konsequenzen hatte. Wir brauchen solche Menschen, auch wenn sie vielleicht nicht immer die richtigen Mittel gefunden hat.“ Während Margrit Herbst die Diskussion als in Teilen aggressiv bezeichnete, betonte Susanne Herbst-Richter die sachliche und höfliche Gesprächsatmosphäre. Beide bemängelten zudem, dass viele Ausschussmitglieder den kontroversen Fall auf die juristische Aufarbeitung durch die Arbeitsgerichte reduzierten.

In der Tat lassen sich zwei verschiedene Sichtweisen auf den Fall ausmachen: Während ein Teil der Politiker den Fall mit den rechtskräftigen Gerichtsurteilen abgeschlossen sieht, betonen andere Ausschussmitglieder die mangelhafte Unterstützung durch das Segeberger Veterinäramt, die zu Margrit Herbsts Gang an die Öffentlichkeit geführt haben könnte.

Piraten-Abgeordneter veröffentlicht Dokumentenarchiv zum Fall Herbst

Für zusätzliche Brisanz in dem Fall dürfte nun der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Patrick Breyer (Piraten) sorgen. Er stellte am Dienstagabend ein umfangreiches Archiv mit Dokumenten ins Internet. In einer Pressemitteilung ruft Breyer die Bürger dazu auf, das Archiv zu ergänzen.

Patrick Breyer setzt sich seit geraumer Zeit für Margrit Herbst ein. Dem Land wirft er vor, die BSE-Untersuchungsberichte damals verharmlost zu haben. Bislang vergebens appellierte er zudem an Ministerpräsident Albig, Margrit Herbst zu entschädigen. Im Juni war der Jurist unter Druck geraten, nachdem er einen Bericht des Innenministeriums zur Rockerkriminalität ins Internet gestellt hatte. In dem Bericht waren neben Informationen zu von der Polizei eingerichteten Gefahrengebieten auch die vertraulichen Namen und Kontaktdaten von Polizisten zu lesen.