... mit Uwe Amthor, der letztmals ehrenamtlich den Bürgerbus Sievershütten steuert. Ab 1. November übernimmt der Kreis den Betrieb komplett

Immerhin reizt der letzte Fahrgast den Service noch einmal komplett aus und bleibt bis zur Endhaltestelle sitzen. „Schön’ Feierabend“ sagt der junge Mann schließlich, steigt in Seth am Steindamm aus und entschwindet in die dunkle Nacht. Es ist 19.01 Uhr, Regentropfen rollen die Windschutzscheibe entlang, das Radio dudelt leise, als Uwe Amthor ein letztes Mal den Bürgerbus Sievershütten in Richtung der heimischen Garage im Stuvenborner Ruhloweg lenkt.

Zuvor ist es ein ruhiger Abend. Um 17.15 Uhr setzt sich das Gefährt – ein Mercedes Sprinter mit Sonderausstattung – in Bewegung Richtung Borstel. „Diese Straße werde ich vermissen“, sagt Uwe Amthor sarkastisch, als der Bus die holprige Verbindungsstraße von Seth zur Bundesstraße 432 entlang ruckelt. „Aber der Bus selbst ist angenehm zu fahren. Wir hatten von Beginn an eine Automatik.“

Amthor ist schon immer dabei gewesen, seitdem eine ambitionierte Idee am 1. November 1990 realisiert wurde. Warum der mittlerweile pensionierte Gymnasiallehrer und frühere SPD-Landtagsabgeordnete (von 1983 bis 1992) sich engagierte? Eine Lücke im öffentlichen Verkehrsnetz wollten sie schließen, die Menschen aus Stuvenborn, Sievershütten und weiteren Dörfern der Region rund um die Stadt Kaltenkirchen.

Und die einzige Möglichkeit hierfür schien, sich selbst hinter das Steuer zu setzen. „Teuer waren ja nicht der Bus, sondern die Personalkosten. Deswegen schreckten Unternehmen und der Kreis zurück. Sie sagten, dass es sich nicht rechnen würde“, erinnert sich Uwe Amthor. Pessimisten sahen in dem Vorhaben eine Schnapsidee. „Anfangs hat man uns keine Zukunft gegeben. Vielleicht ein Vierteljahr.“

Weit gefehlt. 110 Fahrer sind in den 24 Jahren dabei gewesen, nicht wenige haben der Sache durchweg gedient. Viele Pioniere sitzen auch heute noch am Steuer. „Aber ohne eine Firma wie Autokraft wäre es nicht machbar gewesen, das muss man auch sagen“, betont Amthor. „Ganz abgesehen davon, dass wir als Verein keine Konzession bekommen hätten.“

Mittlerweile gehört die Linie „Borstel–Stuvenborn–Kaltenkirchen“ fest zum HVV-Tarifverbund. Die Zusammenarbeit mit dem Autokraft-Unternehmen – Inhaber der Konzession – und dem Kreis Segeberg hat sich bewährt. Derzeit sind es 30 ehrenamtliche Fahrer, die noch auf den abendlichen Touren im Einsatz sind, wobei in den letzten Jahren zunehmend auch Personal der Autokraft benötigt wurde. Nachwuchssorgen gibt es eben auch beim Bürgerbus.

Deswegen wird alles anders, wenngleich das Angebot bleibt. Der Bürgerbusverein hat seine Auflösung zum 1. November 2014 beschlossen, parallel nickte der Hauptausschuss des Kreises Anfang Oktober ab, dass die Verwaltung den Betrieb komplett übernimmt. Und das sogar mit höherer Kapazität – ein 16-Sitzer steht schon bereit.

Die Zukunft ist also geklärt. Um 17.43 Uhr gibt es in Seth ganz andere Probleme, als ein Mann auf dem Bürgersteig zum Sprint ansetzt. Keine Sorge – Amthor hat Zeit, der Fahrplan ist bewusst großzügig angelegt, weil die Linie 7980 grundsätzlich warten soll auf die Verbindung zwischen Bad Segeberg und Ochsenzoll (Linie 7550) und zudem die AKN-Abfahrtszeiten in Kaltenkirchen berücksichtigt.

Dorthin möchte auch Sven Wiedow, der sich so beeilt hat. Der angehende Tischler im dritten Lehrjahr hat eine stattliche Strecke vor sich. „Ich arbeite bei Weber & Jütting in Seth, da ist unsere Werkstatt. Aber ich muss jetzt zurück nach Wilhelmsburg.“ 90 Minuten kalkuliert der 30-Jährige ein. „Gäbe es nicht den Bürgerbus hier, müsste ich auch noch zu Fuß immer zur B432 laufen, das ist ganz schön weit.“

Doch auf das Angebot ist Verlass, der Streckenplan hat sich kaum einmal verändert. „Früher haben wir in Kisdorf das Altenheim noch angefahren, aber das hat sich dann nicht mehr gelohnt“, sagt Uwe Amthor. Andere Gemeinden in der Region, etwa Schmalfeld, zeigten zwar mehrfach Interesse daran, in das Netz aufgenommen zu werden – aber wenn die Rede darauf kam, dass dann auch Einwohner selbst aktiv mitwirken müssten, schwand die Begeisterung meist wieder.

Amthor nennt es „Bestellerprinzip“. Sprich: Orte, die dabei sein wollen, müssten auch Personal bereitstellen. Denn nur deshalb hat das Projekt überhaupt überlebt – bevor der Bürgerbus 1990 auf die Straße durfte, hatte der Verein 20 Fahrer organisiert. Andernfalls hätte es kein grünes Licht gegeben. „Man darf sich aber sowieso keinen Illusionen hingeben, dass der ÖPNV kostendeckend betrieben werden kann. Das ist eine Basisversorgung, dafür zahlen wir unsere Steuern“, so Uwe Amthor.

59 Kilometer sind es zum Abschied geworden, das notiert der 69-Jährige später sorgfältig in sein Fahrtenbuch. Auf der Rückseite der offenen Fahrerkabine hängt ein grünes, handbeschriebenes Plakat. „Das Ziel ist erreicht“ steht dort geschrieben. Welches Ziel? Ganz einfach, sagt Amthor: „Wir wollten den Bus etablieren. Und dadurch, dass der Betrieb beständig war, haben wir eine hohe Akzeptanz bekommen.“ Dann macht er das Licht aus, lässt das Rolltor herunter und der treue Bus verschwindet. Die Mission ist tatsächlich erfüllt.