Militante Tierrechts-Aktivisten drohen mit erneuten Sabotageakten auf Hochsitze in den Revieren im Kreis Segeberg

Kreis Segeberg. Über 4000 Hektar umfasst der Segeberger Forst, ein riesiges Waldgebiet, das unmöglich lückenlos zu überwachen ist. Und so gelang es militanten Tierrechtlern, die der Animal Liberation Front (ALF) zugerechnet werden, im Frühjahr unerkannt zuzuschlagen. Allein im Jagdrevier Hasenmoor wurden drei Hochsitze angesägt, zudem die Schrauben gelockert, im gesamten Forst rund 40 der für Drückjagden vorgesehenen Holzbefestigungen zerstört.

Einer der betroffenen Jäger, der anonym bleiben möchte, ist immer noch stinksauer. „Wenn ich abends im Dunkeln hingehe und dann aus sechs Metern vom Hochsitz falle, kann ich von Glück sagen, wenn ich nur querschnittsgelähmt bin. Wenn ich Pech habe, bin ich tot.“ Er kennt unzählige Kollegen aus dem Norden, denen es nicht besser ergangen ist. „Das betrifft auch Steinburg oder Ostholstein.“

Die Täter werden sehr selten ermittelt. Auch, weil die ALF nicht greifbar ist. Deren Zellen arbeiten – wie im Kreis Segeberg – autonom, es gibt keinen hierarchisch organisierten Dachverband, vielmehr ist die ALF ein ideologisches Sammelbecken für Aktivisten aus aller Welt. Ihnen steht frei, die entsprechende Symbolik zu verwenden. Als Sprachrohr fungiert allerdings oftmals der bundesweit vernetzte Verein „Tierbefreier“, der sogar Rechtshilfe bietet.

Hartenholm, die Nachbargemeinde von Hasenmoor, war im März 2013 betroffen. Damals richtete sich eine Aktion der ALF gegen einen Schießstand, der demoliert und mit Parolen besprüht wurde.

Daraufhin folgte ein Bekenntnis im Internet, veröffentlicht auf der einschlägigen Plattform „Direct Action“. Darin heißt es: „Jäger sind Mörder. Überall, wo sie jagen, überall, wo sie das Morden üben, überall, wo sie sich versammeln, da sind wir auch. Solange es die Jagd gibt, werden auch unsere Aktionen fortgeführt.“ Ein weiterer gängiger Slogan lautet „Hunt the Hunters“; übersetzt: „Jagt die Jäger“.

Im August und September hat die Jagdsaison in den hiesigen Revieren offiziell wieder begonnen. Die gesetzlich festgelegte Periode dauert bis 31. Dezember beziehungsweise 31. Januar – und wird begleitet von einer neuen Drohkulisse. Es kursiert ein Brief mit unbekanntem Absender, darin wird angekündigt, wieder Hochsitze anzusägen, damit die Jäger zu Fall kommen.

Wie die „Lübecker Nachrichten“ berichten, beziehen sich die Aktivisten auf den Mord an einem Finanzbeamten in Rendsburg – der mutmaßliche Täter ist Jäger, deswegen seien pauschal alle Jäger eine „Gefahr“. Über den Landesverband und die Kreisjägerschaft sowie über Facebook wurden die 20 lokalen Hegeringe informiert, wachsam zu sein. Zudem ermittelt das Landeskriminalamt mit einer Sonderkommission.

Zu direkten Konfrontationen kommt es kaum, die Jäger arrangieren sich fast schon mit dem unbekannten Gegner. Und werben um gesellschaftliche Akzeptanz. „Wir versuchen aufzuklären, sind mit unserem Infomobil unterwegs beim Imkertag oder auf Veranstaltungen wie im Wildpark Eekholt“, sagt Oliver Jürgens, zweiter Vorsitzender der Kreisjägerschaft.

Ebenso ins Visier geraten sind Schweinebauern mit ihren Mast- und Zuchtbetrieben. Im August machte die Gruppe „Animal Equality“ eine Undercover-Operation öffentlich, in deren Zuge verdeckt in norddeutschen Ställen gefilmt worden war. Tatsächlich wurden mehrere Verstöße dokumentiert, die Branche wehrt sich aber gegen Pauschalverurteilungen.

So wie Jens-Walter Bohnenkamp, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes und Inhaber eines Schweinezuchtbetriebes in Norderstedt. „Wenn das Klima in einem Stall nicht gut ist, erkennt man das als Landwirt sofort, da die Tiere Unbehagen zeigen. Der Landwirt bekommt zudem Befunddaten aus dem Schlachthof, hieraus lassen sich Defizite – zum Beispiel in der Fütterung – erkennen, etwa an den Organen. Und wenn sich Tiere in einem Stall verletzen, hinterlässt das ebenso Spuren. Spätestens im Schlachthof fällt das auf.“

Jedes Tier, das seinen Hof verlasse, habe somit eine Art Visitenkarte dabei. „Wir versuchen, ein offenes Verhältnis auch mit denjenigen Menschen zu haben, die an uns Kritik üben“, so Bohnenkamp. Aber in diesem Fall sei kein Austausch auf Augenhöhe möglich.

Der Jäger aus dem Revier Hasenmoor hält derweil an seiner eigenen, ebenso konsequenten Entscheidung fest: Einen neuen Hochsitz wird es nicht geben. Einfach deswegen, weil die Lust fehlt, irgendwann ein weiteres Mal die Überbleibsel wegschaffen zu müssen. Denn unbemerkt bleibt offenbar nichts, was in den Hegeringen vor sich geht. „Im Internet gibt es Seiten, auf denen alle Orte aufgelistet sind. Da kann jeder Aktivist nachschauen.“