Lange sah die Stadt Norderstedt ihre kostenlosen Parkplätze als Standortfaktor. Jetzt wird doch über die flächendeckende Einführung von Parkgebühren diskutiert

Norderstedt. Gerade hat Gundula Braase ihren Mercedes-Kombi in eine Parklücke in der Tiefgarage unter dem Rathaus manövriert. Es ist Donnerstag – Markttag. Braases Mann betreibt einen Imbiss auf dem Wochenmarkt am Rathaus. Die kostenlose Parkgarage unter dem Markt ist gut für die Händler. Sie und deren Kunden können hier grenzenlos frei parken. Doch Verwaltung und Politik in Norderstedt diskutieren gerade über die Einführung von Parkgebühren. Schon bald könnten Parkplätze in Norderstedt je halbe Stunde einen Euro kosten. Das hört Gundula Braase nicht gerne. „Das vertreibt uns die Kunden.“

Norderstedt ist die Verkehrsinsel der Glückseligkeit, was das kostenlose Parken angeht. Tiefgaragen, Parkplätze und Stellflächen am Straßenrand – fast ausschließlich ohne Gebühr. Doch die Stadt glaubt, dass sie diesen Status nicht länger halten kann. Ganztägig kostenloser Parkraum ist kostbar. Norderstedt rechnet mit zunehmender „Pendlerverdrängung“ aus Hamburg. Dort sind P+R-Plätze in naher Zukunft komplett gebührenpflichtig. Momentan bleiben die Hamburg-Pendler noch weg. Komplett ausgelastet sind die Parkflächen in Norderstedt aber auch so.

Wer die Bürger auf der Straße zur „Parkraumbewirtschaftung“ befragt, bekommt ein geteiltes Echo. „In meiner Nachbarschaft gibt es einige, die für jede Kleinigkeit das Auto nehmen“, sagt Wilfried Meyer. „Mein Nachbar fährt jede halbe Stunde wegen irgendetwas los.“ Meyer wohnt um die Ecke des Rathauses und fährt Rad. „Parkgebühren könnten dafür sorgen, dass diese Leute das Auto mal stehen lassen. Und die Plätze den Leuten lassen, die sie dringender brauchen. Pendler zum Beispiel.“

Yesim Öztunlai aus Ellerau rollt gerade mit ihrem Wagen in einer Parklücke auf der Rathausallee und stellt ihre Parkscheibe ein. „Ich gehe gerne hier einkaufen. Wo gibt es das schon noch, dass man kostenlos und nach kurzem Suchen einen Parkplatz bekommt, direkt an den Geschäften?“ Öztunali will sich nicht ewig aufhalten, um eben ein paar Lebensmittel auf dem Markt zu holen. Norderstedt sollte das kostenlose Parkangebot nicht einfach aufgeben.

Wer sich über das Thema Parkgebühren eine Meinung bilden möchte, sollte alle Fakten kennen. Das Abendblatt hat die wichtigsten zusammengestellt:

So ist die Lage auf Norderstedter Parkplätzen

Städtische Mitarbeiter werten laufend alle Daten von Norderstedter Parkflächen aus. Dazu zählen Berichte der Politessen, Beschwerden von Anwohnern, Erkenntnisse von Polizei und Rettungsdiensten. Wöchentlich werden die Parkscheinautomaten ausgewertet, monatlich die Auslastung der Garagen in Mitte (1000 Parkplätze) und Garstedt (700), regelmäßig und zuletzt im April wird der Parksuchverkehr, die Garagenauslastung und die Parkdauer gecheckt.

Die Auswertung zeigt, dass die vier Tiefgaragen in Norderstedt-Mitte und der Rathausparkplatz von Dauerparkern (mindestens vier Stunden) nahezu überbelastet sind. Kurzzeitparker belegen den Parkraum an den Straßen. Die stärkste Belastung hat die Garage unter dem Rathaus, die P+R-Anlagen an der U-Bahn haben nur noch eine Reserve von zehn Prozent. In Spitzenzeiten parken die Autofahrer das Wohngebiet am Alten Heidberg und Sanddornweg zu.

Nicht anders sieht es auf den 450 Stellplätzen in der P+R-Anlage Garstedt am Herold-Center aus. Auch hier sind Dauerparken über vier Stunden die Hauptnutzer. Die etwa 250 Parkplätze am Straßenrand sind seit über zehn Jahren kostenpflichtig oder durch Parkscheiben geregelt und stark ausgelastet. Die Parkzonenregelung verhindert laut der Verwaltung aber, dass angrenzende Wohngebiete zugeparkt werden.

Am Stadtpark sei der Parkraum gut und bedarfsgerecht und nur zu Großveranstaltungen ausgelastet. Parkverdrängungen in Wohngebieten entstünden aber nur in geringem Ausmaß, auch komme es an etwa 20 Tagen zu Konflikten, weil Parkbesucher Stellplätze von Gewerbetreibenden widerrechtlich nutzen.

Am Harksheider Markt, dem Schmuggelstieg und der Tangstedter Landstraße hat die Stadt gute Auslastung an allen Tagen ermittelt, die geringe Reserve liege bei etwa zehn Prozent, zur Weihnachtszeit oder bei Veranstaltungen komme es zur Parkverdrängung in Wohngebiete. Über Konflikte dabei liegen der Stadt keine Daten vor.

Dass die Kostenpflicht auf Hamburger P+R-Parkplätzen die Pendler zum Parken nach Norderstedt verdränge, sei derzeit fachlich nicht zu belegen.

Das kostet und bringt die Parkraumbewirtschaftung

Sieben Bereiche kämen für Parkgebühren infrage: Alle Garagen und Parkplätze rund ums Rathaus, der Harksheider Marktplatz, das EKZ Tangstedter Landstraße, das Einkaufsquartier Schmuggelstieg, das Nachbarschaftszentrum an der Ulzburger Straße, das EKZ am Glashütter Markt und die AKN-Haltepunkte Meeschensee und Quickborner Straße. Zunächst müssten Automaten und Schrankensysteme eingebaut werden. Im Straßenraum kalkuliert die Stadt mit etwa 1,5 Millionen Euro an Kosten, in den Garagen mit 2,5 Millionen Euro. Dazu kämen etwa 900.000 Euro im Jahr an Unterhaltskosten.

Die Schätzung basiert auf Erfahrungen aus der Parkraumbewirtschaftung in Garstedt. Seit 2007 verdient die Stadt hier etwa 30.000 Euro pro Jahr, da sich die Herstellungskosten nach zehn Jahren amortisiert haben. Demnächst stehe die Modernisierung der Automaten an. Dafür werden die Einnahmen der Anlage verwendet und somit Kostenneutralität erzielt – aber kein Gewinn.

Um eine ähnliche Abrechnung für alle genannten Garagen und Stellflächen in der Stadt zu erzielen, müsste sie im Jahr etwa 1,1 Millionen Euro einnehmen. Das bedeutet, die Parkgebühren müssten bei einem Euro je halbe Stunde liegen, bei einer 24-Stunden-Bewirtschaftung der Parkgaragen und kostenpflichtigen zehn Stunden pro Tag auf der Straße. Um gewinnbringend zu wirtschaften, müsste die bestehende Verordnung über Parkgebühren von der Politik geändert werden. Befürchtet wird durch die Kostenpflicht eine „massive Pendlerverdrängung“ in die Wohngebiete. Das müsste mit gestaffelten Gebühren für die verschiedenen Nutzergruppen verhindert werden.

Auch die komplett privatwirtschaftlich organisierte Parkraumbewirtschaftung wird geprüft. Dabei könnte sich die Stadt die Einrichtungskosten teilweise oder ganz sparen. Die Mehrzwecksäle Norderstedt GmbH erarbeitet gerade ein Konzept für die Einführung der Kostenpflicht in den Garagen, den Straßen und dem Parkplatz am Rathaus in Norderstedt-Mitte. Eine Einführung der Kostenpflicht hält die Stadt ab dem Jahr 2016 für realistisch.