Mit vergünstigten oder kostenlosen Kastrationen soll die Zahl der 75.000 Streunenden Katzen im Land gesenkt werden

Norderstedt. Sie leiden an Unterernährung, sind von Parasiten befallen und nicht selten Überträger von Krankheiten: 75.000 streunende Katzen leben nach Schätzungen der Landesregierung in Schleswig-Holstein, 6000 davon im Kreis Segeberg. Diese Katzen sorgen unkontrolliert für Nachwuchs und werden dabei häufig von freilaufenden Katzen privater Halter unterstützt. Ein Pilotprojekt gegen Katzenelend soll nun im Land dafür sorgen, das diese Zahlen sinken.

Vertreter von Kommunen, dem Land, Tierschutzverbänden und Tierärzteschaft haben am Montag in Kiel eine Vereinbarung unterzeichnet. „Wir wollen die Halterinnen und Halter von Katzen motivieren, ihre Tiere kastrieren, chippen und in einer Datenbank erfassen zu lassen. Sie tragen auf diese Weise dazu bei, dass Populationen frei lebender Katzen in Schleswig-Holstein wieder kleiner werden und das Leiden der Tiere abnimmt. Dies ist zugleich ein Beitrag zum Schutz von Wildvögeln und Kleintieren“, sagte die Staatssekretärin Silke Schneider.

Das landesweite Pilotprojekt hat insgesamt drei Phasen. Die erste startet am Mittwoch, 15. Oktober, und dauert bis zum 14. November. 2015 folgt die zweite Phase vom 15. Februar bis 31. März, die dritte vom 1. bis zum 30. September. In diesen Monaten wird die Kastration von Katzen finanziell unterstützt. Die Zeiträume sind so gelegt, dass möglichst keine trächtigen Tiere zum Tierarzt gebracht werden.

Männliche wie weibliche Tiere sollen gleichermaßen kastriert werden, die Kastration der weiblichen Tiere wird aufgrund der höheren Kosten jedoch stärker finanziell unterstützt. Ziel sind 5000 kastrierte weibliche Katzen innerhalb eines Jahres. Die Kastration kostet im Normalfall bei weiblichen Tieren 125 Euro, bei Katern 75 Euro. In den Aktionszeiträumen verzichten Tierärzte auf einen Teil ihres Honorars, somit reduzieren sich die Kosten auf 75 Euro für Weibchen und 50 Euro für Kater. Wer von Hartz-IV lebt, bekommt die Kosten komplett erlassen. Kostenlos behandelt werden auch frei lebende Katzen, die von einem Tierschutzverein gebracht werden. Dafür wurde ein Fonds eingerichtet, in dem sich derzeit etwa 150.000 Euro befinden. Das Ministerium, der Tierschutzbund, der Landestierschutzverband Schleswig-Holstein, der Harald Nolte Vogelschutz Fonds der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und ein anonymer Privatspender tragen die Summe gemeinsam. Es ist beabsichtigt, weitere Mittel für den Fonds einzuwerben, beispielsweise von den Kommunen im Land und aus Bingo Lotto.

Für Claudia Keck vom Verein Straßentiger ist das Pilotprojekt mehr als willkommen. Seit Jahren kümmern sich Keck und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter um streunende und ausgesetzte Katzen in und um Norderstedt. „Wir haben mit unserem Verein bestimmt schon über 1000 Katzen über Spenden kastrieren lassen“, sagt Keck. Sie schätzt, dass etwa 6000 Katzen frei im Kreis Segeberg unterwegs sind. „Sie leben mitten unter uns – aber man sieht sie kaum.“ Leer stehende Häuser oder Fabriken seien ihre Unterschlüpfe. Die Tiere seien nicht in der Lage, in der freien Natur gut zu überleben. „Sie finden nicht ausreichend Futter und sind immer noch auf die Hilfe von Menschen angewiesen.“

Die Weibchen hätten fortlaufend viel zu große Würfe und könnten dann ihre Jungen nicht ausreichend versorgen, weil sie nicht genügend Milch haben. „Wir haben uns bei der Landesregierung in Arbeitsgruppen immer wieder für so ein Kastrations-Projekt eingesetzt“, sagt Keck. „Aber bislang wurde die Notwendigkeit dafür nicht gesehen. Ich bin froh, dass nun endlich umgedacht wurde.“ Holger Sauerzweig-Strey, Vorsitzender des Landesverbandes des Deutschen Tierschutzbundes und Willy Sandvoß vom Landestierschutzverband Schleswig-Holstein sehen das auch so. „Die Tierschutzverbände begrüßen das gemeinsame Vorgehen im Lande. Wir versprechen uns davon auf längere Sicht eine Entlastung der Tierheime. Die Probleme, die von großen Populationen frei lebender Katzen ausgehen – kranke und schlecht versorgte Tiere – sind regional teilweise sehr drängend“, sagte Sandvoß.

Für Jochen Nielsen, den stellvertretenden Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages (SHGT), hat das Projekt auch einen haushalterischen Aspekt: „Uns geht es darum, die Fundtierkosten der Kommunen zu senken und die Verwaltungen zu entlasten.“

Privatspender können auf ein Sonderkonto bei der Tierärztekammer Schleswig-Holstein einzahlen (Pilotprojekt Katzenelend S-H, Konto: 33200558, BLZ: 218 604 18, IBAN DE61 2186 0418 0033 2005 58, BIC GENODEF1RHE). Infos gibt es unter www.gegenkatzenelend.schleswig-holstein.de.