Walter Plathe begeisterte als eiserner Gustav in der „TriBühne“

Norderstedt. Es ist ein Seelen- und ein Sittenspiegel, den Hans Fallada den Hurra-Deutschen mit seinem Roman „Der eiserne Gustav“ Anfang 1938 vorhielt. Laut der Ausgabe 6/1947 des Magazins „Der Spiegel“ soll „Der eiserne Gustav“ eine „Bitte“ des NS-Propaganda-Ministeriums gewesen sein. Fallada sollte die Wirren der Inflation beschreiben.

Herausgekommen ist eine Familien-Geschichte in den Umbrüchen während und nach dem Ersten Weltkrieg, und Fallada sprach mit der Figur von Sohn Erich des Eisernen Gustav’ auch die drohende Gefahr von Nazi-Deutschland an.

Schauspieler Walter Plathe ist eine Ideal-Besetzung für den Eisernen Gustav, diesem Berliner Original, dem Fallada nach einer Zeitungsmeldung über dessen Pferde-Droschkenfahrt von Berlin nach Paris und zurück ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Jetzt gastierte die Komödie am Kurfürstendamm mit dem Stück in der „TriBühne“ in Norderstedt und erhielt begeisterten Beifall.

Das Stück wird als Tragikomödie gehandelt. Tragisch ist die Geschichte allemal. Komisch kein einziges Mal. Daran ändert auch der lakonische Wortwitz nichts und auch nicht die schnoddrige Berliner Art, Katastrophen zu meistern. Das Stück spiegelt die Tragödie eines Mannes, der sich nicht mehr zurecht findet in einem Deutschen Reich, in dem er einmal reich war und seinen Kaiser liebte. Der aber schickte seinen Sohn in den Tod, ihn selbst in die Pleite und floh anschließend nach Holland.

Walter Plathe spielt diesen Gustav, der seine schon erwachsenen Kinder mit der Peitsche prügelt, mit all der Zerrissenheit eines Mannes, der weiß, dass er gescheitert ist, es aber nicht zugeben mag und den Schein eisern aufrecht erhalten will. Ein eiserner Schein, der ihm das heulende Elend beschert, aber auch den Trotz, es allen zu zeigen. Plathe, der schon den Zeichner Zille in der „TriBühne“ spielte, gelingt es, alle Höhenflüge und Abgründe dieses zwiespältigen Charakters an der Schwelle eines neuen Zeitalters darzustellen. Brachial regiert er seine Kinder. Faszinierend ist indes, wie Plathe die Balance zwischen väterlicher Gewalt und Respekt vor Muttern, Ehefrau Elsbeth, findet. Wie er einknickt und zur komischen Figur wird, wenn sie seinen Lohn fordert. Das hat knörzigen Charme, und Plathe gelingt es, auszuspielen, dass dieser böse Mann gar nicht lieb sein will, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Im Kaiserreich. Und erst recht nicht im „Tausendjährigen Reich“.

Muttern ist Dagmar Biener, und sie spielt die Frau, die stets versucht, den Familien-Laden zusammen zu halten, sehr intuitiv und natürlich. Nina Juraga als Tochter Eva berührt mit innigem Spiel, in dem sie die verzweifelte Frau zeigt, die ins Rotlicht-Milieu abstürzt.

Björn Harras gibt den jüngsten Sohn Heinz als Idealisten. Felix Maximilian als Sohn Erich kommt dagegen als Tausendsassa, der vor der Peitsche des Vaters in den Krieg flieht, aber schlau genug ist, zu überleben und stets dahin zu gehen, wo die Welt Spaß und Geld bringt. Auch, wenn’s die Nazis sind. Einziges Manko: Alle Schauspieler sprechen zu schnell und sind teilweise schwer zu verstehen – und das nicht wegen des Berliner Slangs.

Regisseur Martin Woelffer hat die zwei Erzählebenen, das Familienleben der Hackendahls und Gustavs Droschken-Tour , als Bild im Bild auf der Bühne gelöst. Die Roary-Twenties-Szene mit Erich, seiner Geliebten Tinette und Heinz inszeniert er vor dem Vorhang, ein gelungener Kunstgriff.

Anja Pahl spielt diese aufgedrehte Nudel, springt aber gleichzeitig in die tragische Rolle der Trudi Gudde, der Buckligen, die von Gustav Hackendahl als Schwiegertochter verachtet wird. Erst seine zwei Enkelsöhne von ihr lässt er zu sich auf den Kutschbock, als er zu seiner Tour nach Paris startet. Aber da ist es schon 1938, Vorabend zu Deutschlands Kulturbruch.

Am 3. März gibt es mit dem Theaterstück „Jeder stirbt für sich allein“ mehr von Hans Fallada. Von 20 Uhr an im Norderstedter Kulturwerk.