Die Grün Alternative Liste in Norderstedt wurde liquidiert. Die letzte Fraktionschefin Maren Plaschnick blickt zurück

Norderstedt. Anette Reinders hatte das Bild eines Igels irgendwo gefunden. Als sie es ihren Mitstreitern von der Grün Alternativen Liste in Norderstedt – kurz GALiN – zeigte, hatte die Wählergemeinschaft ihr Maskottchen gefunden. „Genauso wollten wir sein“, erinnert sich Maren Plaschnick. „Der Igel kann stachelig sein. Aber er hat auch eine weiche und empfindsame Seite.“

Stachelig im politischen Diskurs in der Stadtvertretung und empfindsam im Umgang mit den Bürgern und ihren Sorgen. So sah sich die GALiN, als sie 2002 als neue politische Kraft in Norderstedt an den Start ging und damit im Land Schleswig-Holstein zum Novum wurde. Sie waren die etwas anderen Grünen. Ex-Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, die es als Verrat an den grünen Kerninhalten ihrer Partei ansahen, dass die Bundespartei Bundeswehr-Einsätze im Kosovo und Afghanistan befürwortete.

Zwölf Jahre später ist die GALiN Geschichte. Die Wählergemeinschaft wurde vom Amtsgericht Kiel aus dem Vereinsregister gestrichen. In einer letzten Mitteilung an die Öffentlichkeit geben die „Liquidatoren“ Maren Plaschnick, Klaus Rädicker und Frank Grzybowski bekannt, dass das Vereinsvermögen der GALiN in Höhe von etwa 9000 Euro zu gleichen Teilen an neun Norderstedter Vereine gespendet wird, darunter die Ortsgruppen des Nabu und des BUND sowie das Theater Pur.

Was bleibt, ist der Blick zurück. Auf zwei Legislaturperioden kommunalpolitischer Arbeit in der Stadtvertretung, bis die GALiN bei der Wahl 2013 nicht mehr kandidierte und das Feld den Bündnis-Grünen überließ, die es nach Jahren der kommunalen Bedeutungslosigkeit in Norderstedt geschafft hatten, einen Ortsverband zu gründen.

Maren Plaschnick war für die meisten Norderstedter zuletzt das Gesicht und die Stimme der GALiN. Die immer streitbare und provokante Oppositionspolitikerin, die es verstand, mit Vehemenz und der nötigen Portion Frechheit die Mehrheitsparteien gegen sich und ihre Standpunkte aufzubringen – oder zu gewinnen, je nach Thema.

Nun hat sie sich nach 20 Jahren in der Stadtvertretung und 40 Jahren in der kommunalpolitischen Arbeit zurückgezogen. „Ich komme mit der Liquidierung der GALiN ganz gut zurecht. Die Wehmut hält sich in Grenzen“, sagt Plaschnick. Ihren Frieden mit den Bündnis-Grünen hat sie gleichwohl nie gemacht. „Ich sehe die grüne Idee in Norderstedt nicht mehr so gut aufgehoben.“ Jeden zweiten Tag würde sie auf Stichworte stoßen, die einen echten Grünen aufregen müssten. „Doch ich stelle fest, dass das keinen interessiert.“ Beispiel Arriba: „Die Bündnis-Grünen verhalten sich wie die FDP, sprechen von Privatisierung des Bades, wo doch die Rekommunalisierung insgesamt das Thema ist.“

Die Stadtwerke sind eng verbunden mit dem wohl größten Triumph der GALiN, wie Plaschnick sagt. Kurz nachdem Plaschnick gemeinsam mit Anette Reinders und Klaus Rädicker erstmals in die Stadtvertretung eingezogen war, setzte die Fraktion sich vehement gegen die von der Verwaltung angestrebte Privatisierung der Stadtwerke ein. „Gutachten bei der Deutschen Bank hat die Stadt in Auftrag gegeben. 40 Seiten lang Argumente für die Privatisierung, 1000 Euro Kosten pro Seite“, sagt Plaschnick. Im Zusammenspiel mit SPD und Bürgerpartei nutzte die GALiN das Instrument des Bürgerbegehrens, man sammelte in sechs Wochen 10.000 Unterschriften – und schließlich hatte sich das Thema Privatisierung erledigt. „Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote hatte damals sogar erlaubt, dass die Unterschriftenlisten in der Stadtbüchereien liegen dürfen. Ich muss sagen, da war er echt fair.“

Mit ihrer unermüdlichen Warnung vor zu viel „Remmidemmi“ im Stadtpark schrieb Plaschnick in der hitzigen Debatte um die Bewerbung zur Ausrichtung einer Landesgartenschau 2011 Stadtgeschichte. Sie dichtete sogar ein „Remmidemmi-Lied“. Heute sieht sie ein, dass die von ihr abgelehnte Wasserski-Anlage überhaupt kein Problem und der Stadtpark an sich sehr gelungen ist. Doch die lärmenden Großveranstaltungen der Stadtpark GmbH machen eben doch „Remmidemmi“ – und deswegen fühlt sich Plaschnick auch wieder ein wenig im Recht.

Den größten Wahlerfolg feierte die GALiN 2008, als sie sensationell mit sechs Mandaten in die Stadtvertretung zog und zur starken dritten Kraft hinter CDU und SPD avancierte. Ob Krippen, Kitas, Ganztagsgrundschulen, Radverkehr, Wohnungsbau oder Taktverdichtungen im U-Bahn- und Busverkehr – die GALiN habe viel angestoßen und bewegt. „Von außen sah es oft so aus, als ob wir uns ständig streiten mit den Vertretern der anderen Parteien“, sagt Plaschnick. „In den Sitzungen haben uns CDU und FDP Zunder gegeben. Und hinterher beim Schinkenbrot oder in der Tiefgarage haben sie mir dann Recht gegeben.“ Politisch kontrovers, menschlich harmonisch. „Jetzt bin ein Homo politicus im Ruhestand.“ Auf Facebook treffe sie regelmäßig auf den CDU-Fraktionschef Gert Leiteritz und dann werde fair gezankt. Beiden würde was fehlen, wenn es nicht so wäre.