Hunderte Norderstedter feierten am Sonntag den Erntedankumzug 2014 auf der Rathausallee

Norderstedt. Das Erntedankfest 2014 in Norderstedt war ein ganz besonderes. Nicht nur, weil die Norderstedter Bauern – was sie selten genug sind – völlig zufrieden mit einer überdurchschnittlich guten Ernte sind. Nicht nur, weil sich die Norderstedter Verbraucher über unterdurchschnittlich niedrige Lebensmittelpreise freuen, was dem Überfluss auf dem Feld geschuldet ist. Nein, auch deswegen, weil, wie es Hans-Christoph Plümer, Pastor der Paul-Gerhardt-Gemeinde ausdrückte, bei allem materiellen Überfluss immer „diese verdammte Angst“ mitschwinge, dass sich an dieser Situation auf unserer „Insel der Glückseligkeit“ etwas ändern könnte.

Plümer hielt neben dem Kreisbauernverbandsvorsitzenden Jens-Walter Bohnenkamp und der Stadtpräsidentin Kathrin Oehme die Ansprache zum traditionellen Aufziehen der Erntekrone im Foyer des Norderstedter Rathauses. Hunderte Norderstedter wollten dabei sein, nicht wenige von ihnen hatten große Einkaufstüten dabei, in Erwartung der alljährlichen kostenlosen Kohlköpfe, Kartoffeln und Äpfel, mit denen die Bauern die Menschen zum Erntedankfest beschenken.

Der Pastor erinnerte an den Kern des Erntedankfestes. Nämlich daran, dankbar zu sein für das, was das Schicksal einem Gutes beschert hat. „Und dabei nicht jene zu vergessen, die nichts haben.“ Plümer betonte, den Erntedanktag nicht mit dunklen Gedanken eintrüben zu wollen, ließ es sich aber nicht nehmen, an die Solidarität der Norderstedter zu appellieren. „Nicht zu denken, ich gebe nichts ab, weil ich nicht weiß, wie lange es für mich noch genug gibt.“ Plümer sagte das mit Blick auf die Flüchtlinge vor Krieg und Gewalt, die in den Unterkünften der Stadt mitten in der Norderstedter Gesellschaft angekommen sind. „Ich erlebe, dass es in Norderstedt einen guten Geist gibt, diesen Menschen zu helfen, dass es uns nicht egal ist, wenn Tausende von ihnen im Mittelmeer absaufen.“ Zuvor hatte Stadtpräsidentin Oehme gesagt: „Die Flüchtlinge leben bei uns. Sie sind Norderstedter. Wir müssen ihnen unsere Freundschaft anbieten und ihnen dabei helfen, eine Perspektive zu bekommen.“

Dass die Flüchtlinge zum Hauptthema des Erntedanktages wurden, hatte auch mit der Diskussion im Vorfeld der Erntedankumzuges zu tun. Ehrenamtliche der Norderstedter Tafel hatten die Idee ins Spiel gebracht, sämtliche Lebensmittel-Geschenke der Bauern direkt an die Tafel und damit an die Flüchtlinge weiterzuleiten (wir berichteten). Die Stadt hielt am Brauch, die Bürger auf dem Rathausmarkt zu beschenken fest. Die Paul-Gerhardt-Gemeinde spendete alle Opfergaben aus ihrer Kirche hingegen der Tafel.

Bauer Jens-Walter Bohnenkamp, Schweinezüchter aus Garstedt, resümierte die Ernte 2014 für sich und seine Kollegen als außergewöhnlich. Die Witterungsbedingungen sowohl in der Wachstumsphase als auch in der Erntezeit seien für Getreide, Gemüse und Obst hervorragend gewesen. Die enormen Erntemengen und zusätzlich der russische Importstopp habe für eine Verbilligung der Lebensmittel in den deutschen Supermärkten gesorgt. Bohnenkamp: „Wir haben wirklich allen Grund, Danke zu sagen.“

Der Verbraucher habe dazu ganz besonders im nächsten Jahr die Chance. „Dann gilt der Mindestlohn. Und das wird zu einer Verteuerung der Lebensmittel in Höhe von zehn bis 15 Prozent führen“, sagte Bohnenkamp. Er betonte, dass dies der richtige Weg sei. „Weil die Produktionsbedingungen dann transparent werden und sich jeder feststellen lasse, der sich nicht an die Regeln hält.“ Doch Bohnenkamp hofft auf die Einsicht beim Verbraucher, wenn der beim Einkaufen für Kartoffeln oder Gemüse dann auch mehr zahlen muss. Bohnenkamp: „Wir können das nur gemeinsam schaffen.“

Und der Kreisbauernverbandsvorsitzende warb für mehr Verständnis für die Landwirtschaft in der Bevölkerung. Dass der Verbraucher nicht nur die regionale, qualitativ hochwertige Produktion fordere, sondern auch die damit einhergehenden Umstände akzeptiere. Bohnenkamp selbst sieht sich derzeit mit diesem Problem konfrontiert. Nachbarn seines Schweinzuchtbetriebes am Rantzauer Forstweg beklagen sich sehr über den Gestank seiner Tiere.