Im Religionsunterricht mit der dritten Klasse hatten wir die Mose-Geschichten durchgenommen. Ich hatte den Kindern erzählt, wie Mose das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten geführt und es trockenen Fußes durch das Rote Meer geleitet hatte.

Nun lag aber die Wüste vor ihnen. Die Vorräte und das Trinkwasser gingen zur Neige. Die Israeliten wandten sich erbost an Mose: „Mose, wo hast du uns hingeführt? Wir werden alle umkommen! Wären wir doch bloß in Ägypten geblieben. Dort hatten wir wenigstens genug zu essen.“ Wie schnell sich Überzeugungen ändern, wenn es an die Substanz geht.

Gott reagiert. Zum Abend kommen Wachteln (Zugvögel auf der Durchreise) und bedecken das Lager. Frischfleisch in der Wüste! Wer hätte das gedacht. Und am Morgen ist der Wüstenboden mit etwas Unbekanntem bedeckt: „Manna?“ Was ist das? – so die hebräische Übersetzung. Süßlich schmeckende Krümel. Sie merken: Das macht satt und schmeckt auch. Jeder durfte davon sammeln, so viel er wollte. Aber nur für einen Tag.

Bis dahin erzählte ich meiner Klasse die Geschichte. Nun sollten die Schüler die Geschichte nachspielen und sich überlegen, wie sie wohl weiter gegangen ist. Nacheinander spielten die Kinder vor. Als die dritte Gruppe an den Punkt kam, wie Gott sein Volk weiter versorgen würde, antworteten sie freudestrahlend: „Am nächsten Tag, da ließ Gott Schweine vom Himmel regnen.“

Im ersten Moment war ich ein wenig beleidigt. Wollten sich die Schüler doch offensichtlich über mich und die biblischen Geschichten lustig machen! Dann nahm ich wieder Blickkontakt mit ihnen auf und schaute überrascht in fröhliche und arglose Kindergesichter. Ich begriff: Sie glaubten an einen Gott, der auch mal Schweine vom Himmel regnen lassen kann, wenn es darum geht, sein Volk mit Nahrung zu versorgen.

Und was glaube ich? An einen Gott, der sich an Naturgesetze halten muss? Wie klein machen wir Großen (Erwachsenen) Gott doch oft. Und wie groß ist Gott für die Kleinen! „Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet Ihr nicht ins Himmelreich kommen“, sagt Jesus. Vielleicht ist es genau dies, was die Kinder uns Erwachsenen voraushaben: Gott alles zuzutrauen.

Im Grunde genommen können wir uns die Eckpfeiler des christlichen Glaubens auch nicht vorstellen: Gott wird Mensch; stirbt am Kreuz für unsere Schuld, um uns zu erlösen; steht von den Toten wieder auf und lebt. Wichtiger aber als unsere Vorstellung von Gott ist, dass Gott sich uns vorstellt. Das tut er, wenn wir ihm die Tür öffnen (Offenbarung 3, 20) und ihn aufnehmen (Johannes 1, 12-13). Dazu braucht es aber den Mut eines Kindes.

Jörn-Detlef Dau-Schmidt ist Pastor der Kirchengemeinde Ellerau