Jedes Jahr im Herbst führt die Plattdütsche Bühn’ Tangstedt ein niederdeutsches Theaterstück auf – in diesem Jahr „Un nüms will de Vadder sien“; Premiere ist am 10. Oktober. In lockerer Folge beschreibt das Abendblatt die einzelnen Schritte bis zur Aufführung. Heute: Souffleuse Hannelore Roden hat alles im Griff

Tangstedt. Georg Sellhorn, der Vorsitzende der Plattdütschen Bühn’ Tangstedt, sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Der Smoking aus den 70er-Jahren, den er wieder einmal aus dem Fundus geholt hat, sitzt immer noch wie angegossen. Georg ist nicht nur Regisseur, er spielt im niederdeutschen Schwank „Un nüms will de Vadder sien“ auch den Opa Stricker. Eine Rolle, die ihm auf den Leib geschnitten ist.

Am 3. April fand im Wohnzimmer von Angelika und Georg Sellhorn die erste Lesung statt. Seitdem haben sich die zehn Amateurschauspieler 38-mal getroffen und eifrig geprobt. Den 14. kompletten Durchlauf haben sie gerade hinter sich – in ihren originalen Theaterkostümen. Am Freitag, 10. Oktober, ist Premiere.

Heidi, die Braut, lenkte in ihrem langen, weißen Hochzeitskleid schon bei den Proben alle Blicke auf sich, Bräutigam Frank war ganz stolz auf sie. Andrea, die Schwester der Braut, konnte ihre Eifersucht kaum verbergen. Angelika Sellhorn, die Schneiderin, hatte die Akteure fein herausgeputzt. Nur die grüne Uniform von Polizeihauptwachtmeister Angst saß nicht perfekt, die Ärmel mussten noch gekürzt werden.

Alle Darsteller kennen ihren Text, nur hin und wieder „hängt“ einer. Wenn das passiert, ist sofort Hilfe da. Hannelore Roden, die Souffleuse, hat alles im Griff. Sie sitzt einige Meter entfernt von der Bühne auf einem Stuhl, das 84 Seiten starke Rollenbuch in ihren Händen und gibt jedem das richtige Stichwort.

Hannelore Roden ist 74 Jahre alt und eines der Urgesteine des Vereins. Schon beim zweiten Theaterstück vor 35 Jahren stand sie als Schauspielerin auf der Bühne, zusammen mit ihrem vor acht Jahren verstorbenen Ehemann Gerhard, der den unvergessenen Henry Vahl vom Hamburger Ohnsorg-Theater so gut imitieren konnte. Seit 1996 führt sie als Souffleuse souverän durch die Aufführungen.

Sie kennt ihre Pappenheimer gut, sie ahnt es schon, wenn einer ins Stolpern kommt und nach Worten sucht. „Ich muss mich sehr konzentrieren, aber alle wissen, dass sie sich auf mich verlassen können“, sagt Hannelore Roden, die als Kassenwartin auch zum Vereinsvorstand gehört. „Früher stand ich auf, heute sitze ich neben der Bühne. Das waren und sind schöne Hobbys für mich.“

Die Tage vor der Premiere sind minutiös geplant: Nach der letzten Probe am 2. Oktober rückt am heutigen Sonnabend auf dem Gelände des alten Bauernhofes an der Dorfstraße 100 in Tangstedt ein 7,5-Tonner an. Dann werden die Bühne, die Kulissen und weitere Utensilien zum Alten Heidkrug nach Kayhude gebracht.

Georg Sellhorns Söhne Marcus, 35, und Thomas, 32, packen tüchtig mit an, sie kümmern sich um Beleuchtung, Ton und Technik. In zwei Schichten werden sie arbeiten, zwölf Leute sind es insgesamt. „Wir wollen den Umzug an einem Tag durchziehen“, so Sellhorn. Die Tische im Alten Heidkrug müssen raus, der Saal geräumt, die Stühle aufgestellt, ein Teppich für das Bühnenpodest verlegt werden. Der Saal wird durch einen Vorhang getrennt, rechts die Bühne, links der Ankleideraum und die Maske. Am Sonntag schließen letzte Tapezierarbeiten die Vorbereitungen ab.

Am Montag, 6. Oktober, steht der letzte Durchlauf auf dem Programm, einen Tag später die Hauptprobe, am 8.Oktober die Generalprobe. Und am 10. Oktober heißt es dann: Bühne frei für das 36. niederdeutsche Theaterstück in der Geschichte der Plattdütschen Bühn’ Tangstedt.

Die Spannung steigt: Georg Sellhorn ist in den vergangenen Tagen doch etwas nervös geworden. „Wenn ich nur nicht so vergesslich wäre“, sagt er augenzwinkernd und kündigt an: „Ich werde das Rollenbuch nachts unter mein Kissen legen – bis zur Premiere. Dann wird schon alles gut gehen. Wir wollen den Zuschauern im Alten Heidkrug wieder einen heiteren, fröhlichen Abend bieten, an dem sie lachen und den Alltagsstress für ein paar Stunden vergessen können.“