In unserer Serie „Sattelfest“ stellen wir heute den Reitstall Deichhof in Struvenhütten vor

Reitlehrer Wolfgang Sierig steht in der Mitte der großen Reithalle und gibt Kommandos, die vom Reitschüler sofort umgesetzt werden. Ein eingespieltes Team. Wolfgang Sierig auf der einen Seite, Ulf Wrobel auf der anderen Seite. Reitlehrer und Reitschüler. Aber die beiden sind ein ganz besonderes Team – vor allem ist es das einzige Team in der ganzen Reitanlage. Denn der Deichhof ist ein „schlafender Reitstall“, komplett eingerichtet und mit 20 Pferden in den Boxen gut ausgestattet. Hier reitet nur Ulf Wrobel, der einzige Schüler des bekannten Reitlehrers, der sich seine Kenntnisse bei der weltbekannten Tierlehrerin Linda Tellington-Jones erworben hat. Die Geschichte des Reitstalles Deichhof in Struvenhütten ist deshalb auch eine ganz besondere und nicht zu vergleichen mit den anderen in unserer „Sattelfest“-Serie.

Eigentlich sollte auf dem Gelände an der Straße Deich zwischen Kisdorf und Struvenhütten längst ein reges Reiterleben herrschen. Vor genau 20 Jahren erwarb die Apothekerin Brigitte Wrobel, 67, die Alte Reitschule Struvenhütten, die bereits um 1920 schriftlich erwähnt wurde, um dort einen florierenden Reitbetrieb aufzuziehen. Aber es kam ganz anders. Das Schicksal meinte es mit der Geschäftsfrau, die insgesamt drei Apotheken und ein Café betreibt, und ihrem Sohn Ulf nicht gut. Ulf war eigentlich auserkoren, später den Hof zu führen. Als guter Reiter sollte er derjenige sein, der nach seiner Ausbildung den Betrieb führen sollte. Das war der Plan der Familie Wrobel, der aber buchstäblich mit einem Schlag zunichtegemacht wurde.

Nach dem Reitunfall wurde der Reiterhof nicht in Betrieb genommen

2001 erlitt der damals 17-jährige Ulf einen sehr schweren Reitunfall. Ein normales Leben sei nicht mehr möglich, eröffneten die Ärzte der Familie, der sogar gesagt wurde, ihr Ulf werde wahrscheinlich noch nicht einmal mehr im Rollstuhl sitzen können. Mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma stand ein Leben als menschliches Wrack vor ihm. Der inzwischen umgebaute, aber immer noch nicht offiziell betriebene Reiterhof wurde stillgelegt und fortan weiterhin nur privat genutzt. Die fertiggestellten Ferienwohnungen im renovierten Altbau wurden nie bezogen. Brigitte Wrobel lenkte ihre Kraft um und versuchte, ihrem Sohn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen.

Ulf Wrobel kann mittlerweile ein fast normales Leben führen

Heute erscheint es Brigitte Wrobel selbst wie ein kleines Wunder, dass ihr Ulf mit 30 Jahren wieder neue Lebensperspektiven hat. Nach einer anstrengenden und entbehrungsreichen Zeit kann er wieder mutig voranschreiten. Die Folgen des schweren Unfalls sind nicht völlig, aber doch weitgehend überwunden. Ulf Wrobel hat mit dem Sprechen noch etwas Mühe, aber es ist ihm mit großer Willenskraft gelungen, ein fast normales Leben zu führen. Nach dem erlittenen Schädel-Hirn-Trauma und der langen Zeit im Rollstuhl konnte er zunächst seinen Trecker-Führerschein machen, besitzt inzwischen seinen Pkw-Führerschein und konnte sogar erfolgreich seine Prüfung als Pferdewirt im Ausbildungszentrum der schleswig-holsteinischen Landswirtschaftskammer ablegen.

Ulf und seine Mutter sind überzeugt, dass nur das tägliche Miteinander und die große tägliche Bereitschaft der Pferde Candy und Carulf ihm auf dem langen Weg der Genesung geholfen haben. „Die Pferde waren bereit, Fehler zu verzeihen, sie haben Wärme und Ruhe übertragen“, sagt Brigitte Wrobel. Wer Ulf Wrobel dabei zusieht, wie er reitet, wie er seine Pferde beherrscht und die Kommandos des Reitlehrers sofort umsetzt, kann verstehen, dass die Nähe der Tiere ihm in all den Jahren ganz entscheidend weitergeholfen hat. „Durch die großen Anstrengungen der Ärzteschaft, der Therapeuten und durch die Liebe zu seinen Pferden ist Ulf heute wieder so hergestellt, dass er seinem Hof vorstehen kann.“ Sie selbst und ihre Familie haben bei all diesen Bemühungen sicher eine entscheidende Rolle gespielt. Aber darüber redet Brigitte Wrobel nicht.

Die Integration von Menschen mit Handicap steht im Vordergrund der Arbeit

Die Freude, Kraft und Stärke, die seine Pferde ihm gegeben haben, möchten Ulf und Brigitte Wrobel jetzt auch anderen Menschen mit Handicap zukommen lassen. Sie wollen Menschen helfen, mit Hilfe der Tiere Klippen im Leben zu überwinden, um wieder glücklich sein zu können. Denn Ziel ist nicht nur die Aufnahme eines herkömmlichen Reitbetriebs. Ziel des Deichhofes ist vor allen auch die Integration und Förderung von Menschen mit Behinderung. Zur Seite steht ihnen dabei Pferdewirtschaftsmeister Wolfgang Sierig, der sich neben seiner vielfältigen Ausbildungskompetenz auch noch zusätzliche Fähigkeiten im Umgang für Menschen mit Behinderungen erworben hat. Seit 2012 ist er auch als Dozent und Ausbilder auf dem Gestüt Wiesenhof, Schule für Reitpädagogik & Reittherapie, in Wakendorf I tätig.

Einen genauen Termin für die Eröffnung des Deichhofes gibt es noch nicht. „Aber es kann sofort losgehen“, sagt Brigitte Wrobel. In den großzügigen Ställen stehen 20 eigene Pferde, Gäste können aber auch selbst Pferde mitbringen. Die acht Ferienwohnungen mit einer Art Reihenhauscharakter befinden sich mit auf dem Reiterhof und haben einen direkten Zugang zum Reitgelände. Jede Wohnung verfügt über einen Wohnbereich, Küche, Bad und großen Eingangsbereich. Die Wohnungen sind 48 bis 110 Quadratmeter groß und verfügen jeweils über eine eigene Terrasse.

Zu jeder Wohnung gehört auch eine Pferdebox direkt am Wohnungseingang. Die Boxen sind wettergeschützt und werden von einem hellen Wölbdach vor Regen geschützt. Eine helle und lichtdurchlässige Plane bietet seitlichen Wind- und Regenschutz. In jeder Wohnung gibt es übrigens mindestens ein Stück aus dem ehemaligen Hamburger Ratskeller. Brigitte Wrobel hat viel Geld ausgegeben, um möglichst viel Interieur zu erwerben. Was sie nicht ersteigert hat, steht im Bauernhof des Schauspielers Jan Fedder.

Am kommenden Montag stellen wir in unserer Serie „Sattelfest“ den Reitstall Radesforder Hof in Heidmühlen vor.