Kaltenkirchen soll weiter wachsen, in Henstedt-Ulzburg stellen die Politiker den Wachstum infrage, weil sie auch Angst vor den Folgekosten haben

Henstedt-Ulzburg/Kaltenkirchen. Quo vadis Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen? Weiterhin Wachstum oder Stillstand? Den Orten in direkter Nachbarschaft wird eine gute Zukunft prophezeit: Der demografische Wandel wird hier weniger gravierend ausfallen, als in anderen Städten und Gemeinden des Kreises – die „Vergreisung“ der Bevölkerung wird spürbar sein, aber nicht so stark wie anderswo. So die bisherigen Prognosen. Während in Kaltenkirchen weiterhin auf Wachstum gesetzt wird, stellen Henstedt-Ulzburgs Politiker ihn jedoch infrage. Sie wollen prüfen, ob der Bevölkerungszuwachs gestoppt werden sollte, um Folgekosten zu vermeiden.

Kaltenkirchen nimmt im Kreis Segeberg eine Sonderstellung ein: Die Stadt ist eine Art Vorzeigeort, weil der demografische Wandel hier am allerwenigsten spürbar sein wird. Das geht aus der 2011 erstellten Studie „Älter werden im Kreis Segeberg“ hervor. Eine vorausschauende Ansiedlungspolitik hat das ermöglicht. Und das soll so bleiben: Kaltenkirchen setzt weiter auf Wachstum. „Nicht zu wachsen, heißt Stillstand – und Stillstand bedeutet Rückschritt“, sagt Bürgermeister Hanno Krause. Wohnungsbau, Wirtschaft, Infrastruktur – in diesen Bereichen wächst die Stadt seit wenigen Jahren kontinuierlich und erlebt derzeit geradezu einen Boom. Krause geht davon aus, dass allein die Zahl der Einwohner bis zum Jahr 2025 auf 23.000 steigen wird. Derzeit sind es knapp 21.000.

Die Kaltenkirchener Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung sind sich einig, dass bestehende Lücken geschlossen werden müssen. Das bedeutet: neue Wohngebiete, neue Gewerbeflächen. Der Flächennutzungsplan zeigt schon seit Jahren an, wo noch Raum für neue Projekte vorhanden ist. „Kaltenkirchen hat im Vergleich zu Nachbarkommunen Nachholbedarf“, sagt Krause. „Den arbeiten wir jetzt ab.“

Grundsätzlich beruht die Wachstumsstrategie auf den Zielen, Wirtschaftskraft und Lebensqualität zu erhöhen. Die durchschnittliche Kaufkraft der Kaltenkirchener liegt unter dem Landesschnitt. Die Arbeitslosenquote von acht Prozent hält Krause „im höchsten Maße für unbefriedigend“. Um diese Probleme zu lösen, muss aus seiner Sicht das Wachstum auf allen Ebenen funktionieren.

Die Theorie klingt simpel und wird seit Jahrzehnten in vielen Gemeinden umgesetzt: Firmen schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern an die Gemeinde. Neue und attraktive Arbeitsplätze locken neue Bürger an oder bringen Arbeitslose in Arbeit. Auch damit steigen die Steuereinnahmen; der Einzelhandel freut sich über neue Käufer.

Die Steuern braucht die Kommune, um die Infrastruktur zu bezahlen. Firmen kommen und bleiben nur, wenn sie funktionierende Straßen erwarten können. Und die Bürger freuen sich über ein Schwimmbad, eine Stadtbücherei und andere Annehmlichkeiten, die von der Stadt finanziert werden. Krause spricht von einem „verzahnten und moderaten Wachstum“.

„Wachstum ist kein Selbstzweck“, sagt Krause. Der Satz gilt auch für den Wohnungsbau, der sich an den Bedürfnissen der Kaltenkirchener und neuer Bürger orientieren soll. Der Wohnraum soll bezahlbar sein, die wachsende Zahl älterer Menschen erfordert zunehmend kleinere Wohnungen. Auf dem Gelände des alten Krankenhauses entstehen Reihenhäuser. Gleichzeitig plant die Stadt neue Quartiere für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser.

Noch bietet Kaltenkirchen genügend Flächen, um zu wachsen. Doch auch Krause weiß, dass Wachstum in einer Kommune endlich ist: „Das Stadtgebiet ist begrenzt.“ Doch erst einmal wird investiert – auch, um im Konkurrenzkampf mit anderen Kommunen der Region bestehen zu können.

Was für Kaltenkirchen gilt, galt bisher auch für Henstedt-Ulzburg. Wenn es nach Bürgermeister Stefan Bauer geht, soll es auch so bleiben. Er stützt sich auf Aussagen des Landesentwicklungsplans, nach dem auf den Siedlungsachsen in bedarfsgerechtem Umfang Siedlungsflächen auszuweisen sind. Henstedt-Ulzburg liegt auf einer Siedlungsachse und wird im zentralörtlichen System des Landes als Stadtrandkern 1. Ordnung eingestuft. Das bedeutet: Diese Orte sind Schwerpunkte für Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen sowie für die wohnbauliche und gewerbliche Entwicklung. Sie sind als solche zu stärken und zu sichern. Die Verwaltung spricht sich deshalb für den bewährten moderaten Wachstumskurs der Gemeinde aus.

Das Institut Gewos aus Hamburg stützt diese Aussage mit einem Wohnungsmarktkonzept, in dem prognostiziert wird, dass die Bevölkerungsstruktur von Alterungsprozessen gekennzeichnet sein wird. Schon in zehn Jahren wird sich zum Beispiel der Anteil der über 80-Jährigen von zwei Prozent auf über fünf Prozent mehr als verdoppeln. Will Henstedt-Ulzburg seine Einwohnerzahl halten, müssen in begrenztem Umfang Neubauflächen für den Einfamilienhausbau bereitgestellt werden. Soll die Einwohnerzahl im bisherigen Umfang wachsen, ist der Bedarf an Neubauflächen deutlich größer. Um weiterzuwachsen wie in der Vergangenheit, müssten bis zum Jahr 2030 1260 Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 520 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern erstellt werden, errechnete das Institut.

Ein Teil der örtlichen Politiker aber stellt Wachstum um jeden Preis infrage. Die Folgekosten könnten die Gemeinde erdrücken: Schulerweiterungen oder -neubauten, Kitas und vieles mehr. In dem von allen Fraktionen gemeinsam erarbeiteten Konsolidierungspapier, das während der jüngsten Gemeindevertretersitzung einstimmig zur weiteren Beratung in die Ausschüsse verwiesen wurde, wird das Ziel einer wachsenden Gemeinde infrage gestellt. Es wird eine Prüfung empfohlen, ob die Grenzen des Wachstums bereits heute erreicht sind.