Das Tourneetheater Thespiskarren eröffnete die neue Abo-Saison mit der Komödie „Ziemlich gute Freunde“ in der „TriBühne“

Norderstedt. Der Mann hat einen unverschämten Ton, beleidigt mit frechen Sprüchen, lümmelt sich dreist über Stuhl und Tisch, dass das Publikum aufstöhnt und diese Flegelei mit „Wie furchtbar“ kommentiert. Alles nur Komödie.

Aber was für eine. „Ziemlich beste Freunde“ nach dem Roman von Olivier Nakache und Èric Toledano räumt direkt und klar mit Rücksichtnahme gegenüber Behinderten auf. Das Tourneetheater Thespiskarren hat das Stück als erstes im neuen Abo-Programm in der „TriBühne“ aufgeführt.

Mitleid? Der Rüpel aus den Slums kennt kein Mitleid mehr. Er hat mit Drogen gedealt und sechs Monate im Knast gesessen. Und er ist Araber. Schwarzer Araber. Da hat sich das mit dem Mitleid für einen Weißen. Auch wenn der im Rollstuhl sitzt. Querschnittsgelähmt.

Felix Frenken und Timothy Peach spielen das ungleiche Paar Driss und Philippe, das unvermittelt aufeinander prallt, weil der eine, der weiße Philippe, einen Pfleger sucht, und der andere, der schwarze Driss, beim Arbeitsamt nachweisen muss, dass ihn niemand haben will. Damit er Stütze kassieren kann.

Verrechnet. „Endlich einer, der kein Mitleid mit mir hat“, sagt sich Philippe, der nur noch den Kopf bewegen kann. Timothy Peach, sonst der Sonnyboy, geht in der Rolle des verbitterten Kranken auf, spielt ihn als einsamen Wolf, grantelnd, sarkastisch, der Zuflucht sucht in feinsinnig geschriebenen Briefen mit einer Unbekannten und in der Musik. Klassik natürlich.

Für Driss, der auch noch dreist ein Fabergé-Ei aus Philippes Edelvitrine für seine Mutter klaut, ist Berlioz dagegen nur ein düsterer Stadtteil. Felix Frenken hat viel Vergnügen daran, vollmundig derbe Sprüche abzusondern, sich an der Hilflosigkeit des Gelähmten zu ergötzen, mit dessen leblosen Armen und Beinen zu schlackern. Political Correctness? Unfug. Stattdessen gibt es Prollsprüche, und die spuckt Frenken mit Vergnügen aus.

Regisseur Gerhard Hess schält mit seinem Schauspiel-Team den Bodensatz der Komödie aus allem Zubehör und verdeutlicht, dass Mitleid und Konsens-Gehabe nicht helfen, sondern hindern. Durch den pragmatischen Umgang mit der Krankheit einerseits und dem Knastbruder andererseits kristallisiert das Team bestechend die Problem-Parallelen des ungleichen Paares heraus. Und folglich die Annäherung.

Beim Joint lernt der eine vom anderen Klassik beziehungsweise Rock. Der Knacki trägt den Kranken in dessen Maserati und dreht mit ihm heiße Runden. Der Underdog bringt dem Verzweifelten die Lebensfreude wieder, und der zeigt ihm, das Disziplin doch hilfreich sein kann. Ein gelungenes Spiel eines gelungenen Stücks – ein hervorragender Saison-Auftakt in der „TriBühne“.