Tanja Schmidt, Peter Maler sowie Sonja und Sarah Tente haben den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt

Norderstedt. Noch steht die Existenz auf leicht wackeligen Beinen, doch Woche für Woche wird das Fundament ein kleines bisschen fester. So fassen Sarah und Sonja Tente, Peter Maler und Tanja Schmidt ihren Start in die berufliche Selbstständigkeit zusammen. „Es holpert noch, aber alle Selbstständigen, die ich kenne, haben mir gesagt, es dauert drei bis fünf Jahre, bis der Laden läuft“, sagt Maler. Der Mittvierziger verdient sein Geld als „Lackdoktor“, bessert Schäden an Autos aus und macht Karosserie wie Innenraum wieder hübsch – diesen Arbeitsbereich hatte der gelernte Automechaniker gar nicht im Visier, als er seine Existenz auf eigene Beine stellte. „Aber das wird zunehmend nachgefragt, vor allem von Kunden, die Leasing-Fahrzeuge zurückgeben oder ihren Gebrauchten möglichst gewinnbringend verkaufen wollen“, sagt der Lackdoktor, der die Fahrzeuge in seiner Werkstatt in Kaltenkirchen wieder aufpoliert.

Sein Problem: Die Autohäuser arbeiten schon mit „Lackern“, wie es in der Branche heißt, zusammen, da kommen Neue kaum zum Zuge. Maler bedient Privatkunden, den Senior, der mit seiner silberfarbenen Mittelklasse-Limousine immer wieder irgendwo aneckt und die meist kleinen Schäden schnell behoben haben will. „Im Winter“, sagt der Lackdoktor, „ist wenig los, in den Sommerferien auch“. Viele sagen, sie wollten erst mal in Urlaub fahren, falls dort noch ein Schaden entsteht, und anschließend zum Lackdoktor kommen. Seine finanzielle Sicherheit ist seine berufstätige Frau mit ihrem regelmäßigen Einkommen.

Mutter und Tochter Tente haben ihren Traum vom eigenen Reisebüro verwirklicht. Der Name ist Programm: „Beautiful Britain“, heißt das Zwei-Frau-Unternehmen, das individuell zugeschnittene Reisen ins Vereinigte Königreich anbietet. Urlaub auf der Insel zu organisieren liegt nah, haben die beiden doch sowohl die britische wie die deutsche Staatsbürgerschaft, sind sprachlich fit und sehen Großbritannien als ihre zweite Heimat an. Auch hier reichen die Einnahmen noch nicht zum Leben.

Mutter und Tochter Tente sind nach wie vor mit Herzblut bei der Sache

Tochter Sarah verdient als Betriebswirtin in einem anderen Job dazu, die Mutter stützt sich auf einen sicher verdienenden Partner. „Wir haben uns vor dem Start in der Branche umgehört und mitgenommen, dass man einen langen Atem braucht. Da können schon mal sieben Jahre vergehen, bis man so um die 400 Reisegäste pro Jahr hat“, sagt die Tochter, 26, die nach wie vor wie ihre Mutter mit Herzblut bei der Sache ist.

Kleine Reisegruppen wollen die Reiseunternehmerinnen ansprechen, zwei bis fünf Personen. Eine Herrentour zur Whiskey-Insel Islay, ein Geburtstag in einem schottischen Schloss oder mit Rosamunde Pilchers Romanhelden durch Cornwall – das sind Beispiele aus dem Angebot von „Beautiful Britain“. Überhaupt die Literatur: Die könnte sich zu einem geschäftlichen Zugpferd entwickeln. Im November will „Beautiful Britain" mit maximal zwölf Reisegästen sowie dem Autor und Jack-the-Ripper-Experten Robert C. Marley den Spuren des Serienmörders folgen, Tatorte und Originial-Beweismaterial ansehen und am Ende erfahren, wen Robert C. Marley nach jahrzehntelanger Forschung als Jack the Ripper identifiziert hat. Die Tentes wollen diese Nische weiter verfolgen.

Die Tentes und Peter Maler haben sich auf der „Startbahn: Existenzgründung“ kennengelernt. So heißt das Praxiscamp der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft (WEP) des Kreises Pinneberg (s. Info-Kasten), das Gründungswillige vorbereitet. Vor gut zwei Jahren hatten sich elf Männer zum Vollzeitkursus in Norderstedt getroffen, alle hoch qualifiziert und doch arbeitslos und damit genau die Klientel, an die sich die WEP mit ihrem Beratungsangebot wendet. Die Teilnehmer wollten ihre Arbeitslosigkeit auf einem Weg beenden, der in Deutschland noch immer vergleichsweise selten eingeschlagen wird: „16 Prozent Selbstständige gibt es bundesweit, in den EU-Staaten liegt dieser Anteil bei 55 bis 60 Prozent“, hatte Seminarleiter Josef Juncker damals gesagt. Bei uns herrsche immer noch der Wunsch nach sozialer Absicherung vor, das sei in anderen Ländern nicht der Fall.

Das soziale Netz hat auch Tanja Schmidt verlassen, die sich den letzten Schliff für die Selbstständigkeit ebenfalls im Fachseminar der WEP geholt hatte. „Und das, was ich das gelernt habe, hat mir enorm geholfen, meinen Business-Plan zu erarbeiten“, sagt die Norderstedterin, die geschäftlich ganz auf Pferd und Reiter setzt. Denn die clevere Bekleidungsingenieurin will eine Lücke schließen: „Ich höre von Reiterinnen immer wieder, dass sie sich emotional eng mit ihren Pferden verbunden fühlen und das gern durch Jacken, Westen oder Polo-Shirts im gleichen Design wie Abschwitzdecken oder Bandagen für die Tiere zum Ausdruck bringen würden“, sagt die 43-Jährige, die eine anspruchsvolle Doppel-Kollektion in den Farben Braun und Orange aufgelegt hat.

Zwei von dreien schaffen am Ende den Sprung in die Selbstständigkeit

Nun wirbt sie im Internet für ihre Produkte und mit Ständen auf internationalen Reitturnieren in Verden oder in Warendorf. „Die Online-Bestellungen könnten mehr sein“, sagt die Gründerin, das Geschäft verlaufe wellenförmig. In manchen Monaten bleibe schon ein Plus auf dem Konto. Auch Tanja Schmidt bleibt geduldig, auch sie rechnet mit drei bis fünf Jahren, bis sie der Buchhalterin schwarze Zahlen präsentieren kann. Und auch sie hat die Sicherheit an ihrer Seite, ihren Lebensgefährten. „Gerade die Stände auf den Turnieren sind wichtig. Da kommen die Kunden immer wieder, entwickeln sich zu Stammkunden“, sagt Tanja Schmidt. Zudem schließe sie Kontakte mit anderen Anbietern, man versuche, sich gegenseitig zu helfen.

Die drei haben es zwar noch nicht ganz geschafft, sie stehen aber für die vielen, die nach dem letzten Schliff durch die WEP als Existenzgründer erfolgreich sind. „Zwei von dreien bewältigen den Sprung in die Selbstständigkeit“, sagt Gudrun Kellermann, die bei der WEP für das seit 2008 laufende Projekt „Startbahn: Existenzgründung“ zuständig ist und auf ein großes Wiedersehen hofft: Mehr als 800 Gründer wurden zum Treffen am Montag, 15. September, in Itzehoe eingeladen.