Arbeitsplätze der Norderstedter Hilfsorganisation bleiben erhalten. Gründer Michael Vollmer zieht sich zurück

Norderstedt. Bei der Norderstedter Hilfsorganisation KBA beginnt eine neue Zeitrechnung: Vereinsgründer Michael Vollmer gibt 29 Jahre nach der Gründung den Vorsitz auf. Künftig wird der KBA eng mit dem Hamburger Ambulanz- und Rettungsdienst G.A.R.D. zusammenarbeiten, der zum internationalen Falck-Konzern gehört. Vollmer verkündete die Nachricht bei einer Betriebsversammlung, seine 280 Mitarbeiter wurden völlig überrascht.

„Für die Patienten von KBA wird sich nichts ändern“, versprach Falck-Sprecher Christoph Lippay. „Alle Dienstleistungen und Standorte werden in der gewohnten Form beibehalten.“ Die Marke KBA werde erhalten bleiben. Der Verein hat im Auftrag des Kreises Segeberg den Rettungsdienst in Norderstedt übernommen und ist in der Stadt mit einem Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungswagen im Einsatz.

Außerdem gehören zum KBA eine ehrenamtliche Sanitätsbereitschaft, die in den Katastrophenschutz integriert ist, und ein Transportservice für medizinische Labore. In Hamburg, Neumünster und Bad Bramstedt hat die Organisation Fahrzeuge für einfachen Krankentransport stationiert.

Die Arbeitsplätze bleiben erhalten, versprach Vollmer. Von der angestrebten Kooperation mit Falck erhofft sich der KBA, der als Verein bestehen bleibt, vor allem Synergieeffekte. „Mit der personellen Veränderung und mit Falck als einem starken und sehr erfahrenen Kooperationspartner ist der KBA nun bestens aufgestellt, um sich weiterhin erfolgreich entwickeln zu können“, sagt Vollmer.

Auch die Jahrzehnte langen Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem hätten seine persönliche Entscheidung beeinflusst, sagte Vollmer. Er spricht von „einem chaotischen System ohne Ideen“ und fügt hinzu: „Verletzte, Kranke und Alte haben keine Lobby. Wir machen nicht das, was die Bürger brauchen.“

Für die KBA-Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer bedeutet die neue Kooperation mit einem großen Partner und der Rückzug Vollmers eine Zäsur. Die Geschäftsführung übernimmt nach und nach G.A.R.D.-Chef David Barg, der schon lange ein Auge auf den KBA geworfen haben soll. Der dänische Mutterkonzern Falck, nach eigenen Angaben mit 2000 Mitarbeitern größter Rettungsdienst Deutschlands, setzt derzeit auf Expansion und versucht, besonders im einträglichen Rettungsdienst Fuß zu fassen, der von den Kommunen vergeben wird.

Falck genießt den Ruf eines effizienten, aber fairen Arbeitgebers, der mit denselben Problemen kämpft wie alle Rettungsdienste Deutschlands: Ihnen fehlt qualifiziertes Personal. Höhere Gehälter können kaum gezahlt werden, weil die Krankenkassen die Ausgaben für Einsätze von Rettungseinsätzen so niedrig wie möglich halten. In der Branche war bereits seit Monaten über eine Fusion spekuliert worden, nachdem G.A.R.D. den Krankentransport in einem Hamburger Krankenhaus vom KBA übernommen hatte und Kooperationen bei der Fahrzeugbeschaffung beider Organisationen bekannt wurden.

Weitreichende Konsequenzen könnte die Übernahme für den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) haben, der als zweite große Hilfsorganisation für den Rettungsdienst im Kreis Segeberg zuständig ist und sämtliche Städte und Gemeinden außer Norderstedt versorgt. Bei künftigen Ausschreibungen wird dem DRK ein großer Konkurrent gegenüberstehen. Bereits zwischen dem KBA und dem DRK war es zu juristischen Rangeleien gekommen.

Außerdem steht den Rettungsdienstorganisationen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ins Haus, die von der Kreisverwaltung in Bad Segeberg in Auftrag gegeben wurde. Als dritter Teilnehmer ist die Organisation ASG mit Sitz in Lentföhrden für den Rettungsdienst im Auftrag des Kreises Segeberg unterwegs.

Michael Vollmer wird vorerst beratend in der Geschäftsführung mitarbeiten, um sich in wenigen Monaten komplett zurückzuziehen. Er gründete den Verein im Alter von 23 Jahren. Damals wollte er es anders und besser machen als die Hilfsorganisationen, die er kennengelernt hatte. Mit den „verkrusteten Strukturen“ wollte der Student aufräumen. Er kaufte mit einem Kredit von seinem Vater seinen ersten gebrauchten Rettungswagen (RTW). Um das Projekt zu finanzieren, schuftete Vollmer nachts in Krankenhäusern – sogar noch, als er schon die ersten Angestellten beschäftigte.

Vollmer gilt als kompetenter, aber streitbarer Querdenker, der Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen, Konkurrenten und Behörden nicht scheut. Schlagzeilen machte Vollmer beispielsweise mit einem Notarzteinsatzhubschrauber, der 2011 in Hartenholm stationiert wurde. Die fliegenden Retter sollten ihre Kollegen am Boden unterstützen, wenn kein Fahrzeug rechtzeitig verfügbar war. Im Kreis Segeberg war der Hubschrauber regelmäßig unterwegs.

Andere Kreise und die Krankenkassen gaben hingegen an, es fehle der Bedarf. „Ich hätte nie für möglich gehalten, dass Leitstellen bei einem schweren Unfall mit Verletzten den Notarzteinsatzhubschrauber nicht rufen“, sagt Vollmer. „Vollmer war mit seiner Idee fünf Jahre zu früh“, sagt ein Fachmann. Höhepunkt der Auseinandersetzung war eine Anordnung der Polizei an einen Streifenbeamten, das Funkgerät des Notarztes während eines laufenden Einsatzes zu beschlagnahmen – angeblich wegen einer fehlenden Genehmigung. Der Einsatz war innerhalb der Polizei höchst umstritten. Außerdem stellte der KBA als erste Organisation ein Spezialfahrzeug für schwer übergewichtige Patienten vor. Inzwischen sind mehrere Fahrzeuge unterwegs.