Die Norderstedter Werkstätten feierten ihr Jubiläum mit zahlreichen Gästen im Norderstedter Kulturwerk

Norderstedt. Vielleicht gibt es kein besseres Beispiel für die Unverzichtbarkeit der Norderstedter Werkstätten in dieser Stadt als diese sieben Menschen, die am Freitag verlegen lächelnd auf der Bühne des Kulturwerkes sitzen und von den Gästen mit reichlich Applaus bedacht werden – einfach nur dafür, dass sie immer noch da sind: Matthias Vollmer, Brigitte Korzuschek, Renate Schmuck, Thomas Rogall, Karsten Helmis, Gerd Schmuck und Inge Borchert. Sie sind sieben von ehemals zwölf Bewohnern der ersten Stunde der Einrichtung in Norderstedt.

Sie haben also erlebt, wie es im Juli 1974 in einer kleinen ehemaligen Tischlerei an der Ulzburger Straße 471 losging. Und sie waren dabei, als die Einrichtung nur vier Jahre später „explodierte“, wie der heutige Leiter Matthias Schneeloch es ausdrückt. Wie also die Einrichtung in seine neuen Räume an der Stormarnstraße umzog und nun 120 Menschen mit Handicap eine berufliche Perspektive schenken konnte. Die sieben „Ureinwohner“ haben erlebt, wie sich aus einer großen Idee in einer kleinen Tischlerei in vier Jahrzehnten ein quicklebendiges Unternehmen mit 340 Beschäftigten entwickelte. „Wir sind heute ein moderner Industriebetrieb, der produziert und ausbildet. Wir nehmen die Menschen mit Behinderung und ihre Wünsche ernst und bleiben dabei immer auf Augenhöhe. Darauf können wir stolz sein“, sagt Matthias Schneeloch.

Am Freitag ruhte die Arbeit in den Werkstätten, und es wurde gefeiert und zurückgeblickt auf das Erreichte. Die Feierstunde zum 40. Geburtstag im großen Saal des Kulturwerkes wurde zum Stelldichein für alle Beschäftigten und ihre Angehörigen, für die Förderer, die Kunden und die öffentlichen Träger der Einrichtung. NDR-Reporter Andreas Käckell hatte die Moderation des Festaktes übernommen und lud zu Gesprächsrunden. Die Norderstedter Sozialdezernentin Anette Reinders, die in Vertretung für den Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote gekommen war, bekannte: „Die Norderstedter Werkstätten sind eine so gute Idee – wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“ Sie wünschte sich weitere Projekte mit den Werkstätten, wie sie schon mit dem Bauernhof im Stadtpark oder dem Beschäftigungsmodell im Gebrauchtwarenkaufhaus Hempels umgesetzt seien. Pastor Hans-Christoph Plümer von der Paul-Gerhardt-Kirche sprach von der Menschenwürde, die in der Gesellschaft oft mit Füßen getreten werde. „In den Werkstätten aber finden Menschen mit und ohne Handicap eine Heimat, indem sie einfach zusammenarbeiten. Ein Geschenk, das es zu bewahren gilt.“

Bedroht werde die Idee von politischer Seite, wie Martin Seehase vom Träger, der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie, ausführte: „Ich wünsche mir für die Zukunft der Werkstätten, dass sie aus ihrem Schattendasein treten, nicht als dritter oder vierter Arbeitsmarkt abgekanzelt werden. Dass die Politik ihre leeren Kassen nicht mit Kürzungen in den Werkstätten aufzufüllen versucht. Und dass es keine Wartelisten mehr für Behinderte in den Einrichtungen geben muss.“

„Arbeit – was wären wir ohne sie“, sagte Matthias Schneeloch und bedankte sich bei Firmen wie Jungheinrich. Der Gabelstapler-Hersteller steht seit 40 Jahren immer fest an der Seite der Werkstätten und sichert heute mit seinen Aufträgen 30 Menschen eine feste Beschäftigung.

Am bewegendsten aber waren die Auftritte der Menschen, die in den Werkstätten ihren Weg zu einem selbstbestimmten Leben gehen. Wolfgang Sacher saß gemeinsam mit seiner Tochter Silke auf der Bühne, die seit 2008 in den Werkstätten lebt und arbeitet. „Wir haben keine Sorgen mehr und sind glücklich und zufrieden. Und die Silke sagt: ,Meine Arbeit ist das Wichtigste. Sie macht mich glücklich!‘“

Als der Worte genug gesprochen waren, gab Matthias Schneeloch den Startschuss für die Party danach. Im und außerhalb des Kulturwerkes war alles gedeckt für einen rauschenden Abend. Für einen Hauch Glamour sorgte ein HSV-Profi, der in der Bundesliga-freien Länderspielpause zum Autogramme-Schreiben nach Norderstedt gekommen war: Der holländische Mittelfeldstar Rafael van der Vaart löste seine Aufgabe souverän und hatte für jeden Werkstätten-Mitarbeiter eine persönliche Widmung parat.