Neue Online-Technologie gibt Norderstedter Bürgern die Möglichkeit, Wartezeiten auf dem Amt sinnvoll zu nutzen

Norderstedt. Man kann sich kaum eine größere Verschwendung von Lebenszeit vorstellen als das Warten auf Behördengängen. Mit der Wartenummer in der Hand Viertelstunde um Viertelstunde auf die Anzeigetafel starren, bis man endlich aufgerufen wird. Nur um seinen Startplatz nicht zu verlieren, wagt man es nicht, schnell noch die Einkäufe zu erledigen, Mittagessen zu gehen oder sich einfach nur im Park die Beine zu vertreten.

Die gute Nachricht ist: Für Norderstedter Bürger ist das jetzt alles vorbei. Zumindest auf dem Bürgeramt, also da, wo der Norderstedter alles erledigt, was rund um das Dasein in einer Kommune nötig ist. Die Stadtverwaltung hat eine neue Aufrufanlage in Betrieb genommen. Eine Technik, wie sie laut Stadtsprecher Bernd Olaf Struppek nur in wenigen Kommunen Deutschlands eingesetzt wird. „In Schleswig-Holstein nur in Eutin“, sagt Struppek.

Das System überschlägt die Wartezeit und schickt sie aufs Smartphone

Und das funktioniert so. Im Wartebereich des Einwohnermeldeamtes zieht der Bürger ein Ticket. Das Terminal spuckt die Wartenummer aus und informiert gleichzeitig auf einem Display und auf mehreren Flachbildschirmen an den Wänden über die voraussichtliche Wartezeit. Dort wird bis auf wenige Minuten genau zu erkennen sein, wann eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zur Verfügung steht. „Die Situation an bis zu zehn Behördenschaltern wird in das neue Aufrufsystem einbezogen“, sagt Heike Feig, Leiterin des Bürgeramtes. „Die Bürger sehen an einer Echtzeit-Anzeige, wie lange sie nach warten müssen – und können das Rathaus zum Beispiel noch einmal verlassen, um andere Dinge zu erledigen.“ Bisher konnten die Meldeamt-Kunden die voraussichtliche Wartezeit nur anhand der Anzahl der anderen Wartenden grob einschätzen. Das neue System ist dabei sogar lernfähig: Die Technik aktualisiert die Wartezeiten anhand der Abläufe an den Schaltern immer wieder neu.

Wer will, kann den QR-Code auf seinem Warte-Ticket in sein Smartphone einlesen. Dann hat er die Wartezeitanzeige mobil dabei. „Außerdem können sich die Norderstedter unterwegs mittels eines Mobiltelefons oder eines Tablet-PCs ihr Service-Ticket online lösen“, sagt Struppek. Der Weg zum Online-Service ist noch etwas holprig. Der Bürger muss zunächst die Homepage der Stadt aufrufen, dann den Unterpunkt Bürgerservice wählen, dann links den Bereich Online-Dienste und erst dann taucht der Link zum Anbieter Timeacle auf, der das Meldesystem für Norderstedt und andere Städte in Deutschland betreibt. „Die Homepage der Stadt wird demnächst überarbeitet. Und dann wird der Weg zum Meldesystem kürzer“, verspricht Struppek.

Wer ein virtuelles Ticket löst, kann sich übrigens nicht etwa vordrängeln. Er wird von der Technik in den Wartekreis der Bürger einsortiert, sagt Norbert Weißenfels, Leiter des Amtes EDV in der Stadtverwaltung. „Wem die angezeigte Wartezeit zu lang ist, der kann sich auch ein Termin-Ticket buchen.“ Wer also weiß, dass er Donnerstag in einer Woche in der Mittagspause Zeit für den Behördengang hat, kann sich für diesen Zeitraum im Voraus ein Ticket ziehen. Wer mit der digitalen Welt nicht so viel zu tun hat, kann auch schlicht und einfach im Bürgeramt anrufen (040/53595445 oder -446).

Norderstedt ist Modellkommune für E-Government in Deutschland

Das neue Meldesystem ist die für den Bürger spürbarste Neuerung der digitalen Offensive des Norderstedter Rathauses. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine der modernsten und innovativsten, aber vor allem auch bürger- und unternehmerfreundlichsten Städte im Norden zu werden“, sagt Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote. Die Stadt sei jetzt eine von acht ausgesuchten Kommunen in Deutschland, die in den kommenden zwei Jahren als eine „Modellkommune E-Government“ die Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten vorantreiben wird. Norderstedt hatte sich bei einem bundesweiten Wettbewerb des Bundesinnenministerium beworben. Bis zum Projektende im Sommer 2016 erhält Norderstedt eine Förderung von 60.000 Euro. Es sollen vorbildhafte Strategien für andere Städte und Gemeinden entwickelt werden. Die Digitalisierung soll nicht nur bei internen Verwaltungsprozessen voranschreiten, so Grote. „Es geht für die Zukunft vor allem darum, dank digitaler Technologie Bürger, Unternehmen und Verwaltung bestmöglich miteinander kommunizieren zu lassen.“

Neben dem Meldesystem wollen es EDV-Leiter Norbert Weißenfels und sein Team möglich machen, dass Bürger online die Weitergabe von persönlichen Daten aus dem Melderegister sperren – was bis dato immerhin annähernd 5800-mal pro Jahr geschieht, sagt Weißenfels. Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist der Aufbau einer sogenannten De-Mail-Infrastruktur für die sichere und fristgerechte Zustellung von elektronischen Dokumenten. Im Bereich der Abfallwirtschaft sollen 17.000 Papierakten, die für Grundstücke in Norderstedt angelegt wurden, durch die digitale eAkte ersetzt werden, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

„Besonders wichtig ist uns außerdem die Entwicklung eines einfachen ePayment-Verfahrens“, sagt Weißenfels. „Die Voraussetzung für die Abwicklung von Verwaltungsprozessen im Internet.“ Auch neue städtische Apps soll es in Zukunft geben, etwa den personalisierten Abfallkalender für das Smartphone – nie mehr vergessen, den Müll rauszustellen.

Die elektronische Verwaltung soll Prozesse optimieren und Kosten senken, indem sie die Mitarbeiter im Norderstedter Rathaus von Aufgaben entlastet. 2015 soll im Rathaus ein elektronisches SB-Bürgerterminal aufgestellt werden. Der Bürger muss hier lediglich seinen Personalausweis einscannen und kann dann alle elektronischen Dienstleistungen in Anspruch nehmen – wie am Fahrkartenschalter.