60 Jahre alte Kaltenkirchenerin wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafe verurteilt

Kaltenkirchen. Das hätte sich Agatha Christie nicht besser ausdenken können: Offenbar aus Eifersucht und enttäuschter Liebe hat eine 60 Jahre alte Frau ihrem geschiedenen Ehemann heimlich Schlafmittel in den Cappuccino gemischt. Die Folgen für den 64-jährigen Kaffeetrinker: unerklärliche Gedächtnislücken, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und körperliche Zusammenbrüche. Ob die Giftmischerin ihrem Ex nur einen Denkzettel verpassen oder ihn gar um die Ecke bringen wollte, ist unklar. Das Amtsgericht Norderstedt verurteilte die Kaltenkirchenerin jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Zudem muss sie 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Nachdem K. den Cappuccino getrunken hatte, schlief er auf der Stelle ein

Es war Anfang Juni 2012, als Hans-Joachim K. nach der Trennung von seiner Ehefrau Birgrith K. das Haus in Kaltenkirchen ausräumte. Dabei fand er Kisten mit Spielzeug, und er bat seine Tochter Sandra H., 39, vorbeizukommen, um die Sachen zu sichten. Vater und Tochter hatten sich länger nicht gesehen, da sich Sandra H. nach eigener Aussage mit der Stiefmutter nicht verstand. Hans-Joachim K. kochte sich und seiner Tochter einen Cappuccino, den Sandra H. jedoch stehen ließ, weil er ihr zu bitter schmeckte. Mit ihrem Vater geschah jedoch nach dem Genuss des italienischen Kaffeegetränkes recht Seltsames: Er schlief von einem Moment auf den anderen fest ein; und als die junge Frau ihn später weckte, lallte K. stark, schwankte und wiederholte ständig die gleichen Sätze. Sandra H. fürchtete einen Schlaganfall und brachte ihren Vater in eine Klinik, aus der er allerdings nach ergebnislosen Untersuchungen noch am selben Tag entlassen wurde.

Die Angeklagte behauptet, dass ihr Mann in Ungarn „rumgehurt“ habe

Anfang Juli desselben Jahres wiederholte sich im Hause K.s ein ähnlicher Vorfall: Nachbar Torsten H., 49, trank dort ebenfalls einen Cappuccino und war anschließend nach eigener Darstellung nicht mehr Herr seiner Sinne. Seine Ehefrau fand ihn schlafend auf der häuslichen Terrasse. Von ihr geweckt, lallte H. und konnte sich später nicht mehr daran erinnern, wie er nach Hause gekommen war.

Im Prozess vor dem Norderstedter Amtsgericht musste sich nun die inzwischen von Hans-Joachim K. geschiedene Ex-Ehefrau Birgith K. wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, da sie im Verdacht steht, Schlafmittel in das in Dosen aufbewahrte CappuccinoPulver gemischt zu haben. In ihrer Wohnung hatte die Polizei ein Schlafmittel gefunden, das sowohl in den Cappuccino-Dosen als auch in den Haarproben des Ehemannes und des Nachbarn nachgewiesen wurde.

Doch die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Die Ehe sei im Grunde schon seit Jahren beendet gewesen, man habe aber friedlich im selben Haus nebeneinander hergelebt, bis sie Anfang April 2012 ausgezogen sei. Es habe keinerlei Streit oder Groll gegeben, behauptet die Angeklagte. Richterin Dagmar Goraj hält der Rentnerin vor, dass sie bei der Durchsuchung ihrer Wohnung gegenüber der Polizei davon gesprochen habe, dass ihr Mann nach Ungarn gefahren sei. Dort habe er „herumgehurt“ und eine Geschlechtskrankheit mitgebracht. Auch um den Unterhalt habe es Streit gegeben.

Das Gericht geht davon aus, dass die Angeklagte keine Tötungsabsicht hatte

Zudem soll Hans-Joachim K. soll zu seiner Frau gesagt haben, dass er sie nur zum Kinderkriegen geheiratet habe und um das Haus abzahlen zu können. Wie sie sich denn da gefühlt habe, fragt die Richterin die Angeklagte, die zähneknirschend dann doch eingesteht, einen „gewissen Groll“ gegen ihren Mann gehegt zu haben. Wie die Schlafmittel in den Cappuccino gelangt seien, das könne sie sich jedoch überhaupt nicht erklären.

Mit der Aussage von Stieftochter Sandra H. verdichten sich indes die Indizien, die gegen die Angeklagte sprechen. Sandra H. berichtet davon, dass die Angeklagte ihr vor längerer Zeit gestanden habe, ein Abführmittel in den Nachtisch ihres damaligen Mannes gemischt zu haben, um zu verhindern, dass er einen Freund in Hannover besucht. Die aufgrund einer Ausbildung zur Arzthelferin medizinisch vorgebildete Tochter erinnerte sich nach dem Vorfall mit dem Cappuccino an diese Geschichte. Auch hegte sie wegen des bitteren Geschmacks des Cappuccino den Verdacht, es könnten Barbiturate unter das Pulver gemischt worden sein.

Sandra H. drängte ihren Vater daraufhin dazu, das Pulver untersuchen zu lassen. Hans-Joachim K. traute nach eigener Aussage seiner Frau die Giftmischerei eigentlich nicht zu, musste sich selbst aber eingestehen, dass er schon öfter unter unerklärlichen Bewusstseins- und Gedächtnisstörungen gelitten habe, sodass er beispielsweise, wie er im Prozess erzählt, manchmal nicht wusste, ob er einen Termin wahrgenommen hatte oder nicht. Diese Störungen seien regelmäßig nach dem Genuss von Cappuccino aufgetreten, so K.

Die Richterin ist schließlich ebenso wie die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass es Birgrith K. war, die die Barbiturate in den Cappuccino mischte. Sie habe zwar keine Tötungsabsicht gehabt, aber Racheabsichten. Offensichtlich sei sie nicht in der Lage gewesen, ihren Groll anders abzubauen.