Das Konzert im Kulturwerk bot kleinen Kindern großes Theater

Norderstedt. Alice möchte nicht auf die Bühne. Sie geniert sich, ist schüchtern. Und sehr betrübt. Nicht einmal ihr Partner Fabian Gysling kann sie aufmuntern. Denn Alice möchte gern fliegen. Kann aber nicht, weil sie beim Tanzen ihren Fuß verletzt hat. Fabian versucht alle Tricks. Er bietet ihr einen Apfel an. Bläst Luftballons auf und lässt sie blubbernd fliegen. Bemalt die Ballons mit Gesichtern. Versucht es mit Zauberei. Holt sich Sol Gabettas Cellobogen als Zauberstab und spießt die Luftballons auf. Geht auch nicht. Nimmt einen Taktstock und dockt ihn an den Luftballon an. Inzwischen sind einige bunte Ballons ins Publikum geflogen, begleitet vom hellen Lachen staunender Kinder im Saal. Und Alice? Guckt betrübt.

Plötzlich hebt der Ballon ab und – Fabian fliegt! Er schnappt sich Alice und springt mit ihr über die Bühne, zwischen Sol Gabetta und ihrem Cello hindurch und Ulrike Payer am Flügel. Und – Alice ist selig! Fabian hat es geschafft. Das Publikum applaudiert begeistert.

Exakt eine Stunde dauerte das Familien-Konzert mit Pantomime „Brahms träumt vom Fliegen – wenn kleine Ohren große Augen machen“ des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Norderstedter Kulturwerk. Und alle kleinen Zuhörer machten wahrlich große Augen und hörten eine wundervolle Musik, exzellent gespielt von Cello-Star Sol Gabetta und Pianistin Ulrike Payer.

Die Cello-Queen aus Argentinien ist Künstlerin in Residence beim Musik-Festival und hat neben vielen anderen Programmen auch das Kinderkonzert mit Pantomime exklusiv für das Festival erarbeitet.

Gabetta spielte die Sonate für Cello und Klavier Nr. 1 in e-Moll von Johannes Brahms mit viel Gefühl und Hingabe, ließ den wundervollen Klang ihres von Giovanni Battista Guadagnini 1759 gebauten Cellos voll Schmelz und Sehnsucht erklingen und traf fein den Brahms-Kolorit. Der Hamburger Komponist schrieb die Sonate als 29-Jähriger von Liebessehnsucht erfüllt. Gabetta verstand es, diese Gefühle zum Klingen zu bringen. Zwischen den drei Sätzen entwickelt Pantomime Frank Gysling mit seiner lebensgroßen Puppe Alice das Drama vom großen Wunsch des kleinen Mädchens, fliegen zu können.

Im ersten Satz ist Alice, sehr ausdrucksstark mit ihren Kulleraugen und Prinzessinkleid, noch untröstlich, im zweiten konnte der Pantomime schon ihre Aufmerksamkeit wecken, und im dritten fliegt sie endlich mit ihm über die Bühne, quer durchs Publikum im großen Saal und sogar auf die Empore des Kulturwerks. Alice ist glücklich, und die kleinen Ohren und staunenden Augen im Publikum auch. Welch’ ein amüsantes, anspruchsvolles und dabei so kindgerechtes Musiktheater!