Landgericht stellt fest: Beschlagnahme von Löwen, Tigern und einem Elefanten in Norderstedt war rechtswidrig

Norderstedt . Razzia, Einkesselung, zwangsweiser Abtransport von Tieren: Der Zirkus Las Vegas geriet während eines Gastspiels in Norderstedt im Mai 2013 bundesweit in die Schlagzeilen. Ein Elefant, zwei Löwen und zwei Tiger wurden abtransportiert, nachdem Tierschützer die Behörden alarmiert hatten. Jetzt könnte die Aktion zu einem Bumerang für die Staatsanwaltschaft werden: Das Landgericht Kiel hat festgestellt, dass die damalige Aktion rechtswidrig war. Die Zirkusfamilie Köllner will die Staatsanwaltschaft in Amtshaftung nehmen und hat Strafanzeige gestellt sowie Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht.

Die von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Aktion traf die Zirkusfamilie Köllner und deren Mitarbeiter unvorbereitet und überraschte die meisten von ihnen im Schlaf: Um 6.30 Uhr stand ein Großaufgebot von Polizisten – gezählt wurden rund 100 Beamte – vor dem Zelt und den Wohnwagen des an der Ulzburger Straße gastierenden Zirkus Las Vegas. Keiner der Mitarbeiter durfte zunächst die Wohnwagen verlassen, als die Tiere in stundenlangem Einsatz abtransportiert wurden – sie durften auch nicht zur Toilette. Später wurden die Zirkusleute herausgelassen und von Polizisten vor einem Wohnwagen eingekesselt. Urheber der Aktion war die Tierschutzorganisation Peta, die die spektakuläre Norderstedter Aktion als „Befreiung“ feierte. Die Tiere seien nicht artgerecht gehalten worden.

Den Schlag hat das Zirkusunternehmen noch nicht überwunden. „Es ist unglaublich, was sich damals abgespielt hat“, sagte am Montag Zirkusdirektorin Liane Köllner-Weisheit, die derzeit im sächsischen Moritzburg gastiert. „Meine sechsjährige Tochter hat heute noch Albträume.“ Tatsächlich war der wirtschaftliche Schaden für den mittelgroßen Zirkus nicht unerheblich: Die Löwen wurden zu einem Preis von je 100 Euro an den Zoo in der belgischen Gemeinde Opglabbeek in der Provinz Limburg verkauft. Dort sind jetzt auch die beiden Tiger und der Elefant zu besichtigen: Die Tiger wurden nach Darstellung von Frank Knuth aus Burg bei Magdeburg, dem Rechtsanwalt der Familie Köllner, kostenlos abgegeben, der Preis für den Elefanten ist nicht bekannt. Neue Wildtiere hat sich der Zirkus bis heute nicht angeschafft. Dafür müsste das Unternehmen auch viel Geld bezahlen: Dressierte Löwen und Tiger werden mit je 10.000 Euro gehandelt, Elefanten gibt es im Handel derzeit überhaupt nicht. Elefantendame Chitana gehörte Liane Köllner-Weitsheits Bruder Renaldo, der mitsamt seinem Tier für eine Saison engagiert worden war.

Das Landgericht kam jetzt zu dem Ergebnis, dass eine Voraussetzung für eine Beschlagnahme der Tiere nicht vorgelegen habe. Lediglich bei einer schwanzamputierten Löwin – sie hatte sich einen Teil des Schwanzes selbst abgebissen und drohte zu verbluten – sei die Maßnahme gerechtfertigt gewesen. Die Richter verweisen darauf, dass die Tiere ein wichtiges Element der Tiershow gewesen seien und die Beschlagnahme den Dompteur „wesentlich in seinem Recht auf Berufsfreiheit betroffen hat“. Die Raubkatzen seien auch nicht zu beengt untergebracht gewesen.

Für Rechtsanwalt Frank Knuth ist der Fall klar: Die Staatsanwaltschaft muss Schadensersatz zahlen. Er verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch und den Artikel 34 des Grundgesetzes, wonach die staatliche Organisation haften muss, wenn ein Staatsbediensteter einen Schaden verursacht hat. Er will den Wert für den Verlust der Tiere und einen Einnahmeausfall in noch zu berechnender Höhe einklagen. Strafanzeige wurde auch wegen Einkesselung erstattet. „Aus guten Grund ist das in Deutschland seit 1945 verboten“, sagt Frank Knuth, der auch aus einem anderen Grund mit den Behörden in Kiel hadert. „Seit 15 Monaten verlange ich vergeblich Akteneinsicht.“