Landrätin Jutta Hartwieg ist nur noch wenige Tage im Amt. Das Hamburger Abendblatt begleitete sie einen Tag lang bei der Rundreise durch den östlichen Teil des Kreises

Die Frau kann es einfach nicht lassen. „In meinem Kopf tickert es unaufhörlich“, sagt Jutta Hartmann und stößt dabei den grauhaarigen Herrn neben sich an. „Herr Graumann, das müssen wir einfach bekannter machen.“ Herr Graumann, Chef der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Kreises Segeberg, nickt ergeben. Und lächelt still vor sich hin. Denn erstens ist Jutta Hartwieg nur indirekt seine Chefin, zweitens ist sie nur noch eine Woche im Amt. Also kann sie ihm gar nichts sagen. Aber das sagt Ulrich Graumann natürlich nicht. Er weiß, dass die Landrätin des Kreises Segeberg recht hat. Beide stehen am Rande des Dorfes Berlin, genießen Stutenmilch und lassen sich von Annegret Seraphin zeigen, wie eine Haflinger-Stute innerhalb von Sekunden gemolken wird.

Jutta Hartwieg ist in ihrem Element. „Ich bin Fachfrau im Schmecken.“ An diesem Tag kann sie ihr Talent voll entfalten: Von 9 bis 19 Uhr macht sie eine ganz besondere Abschiedstournee durch den östlichen Teil des Kreises Segeberg: Die Ziele sind Betriebe der unterschiedlichsten Branchen, die nachhaltig wirtschaften und deren Produkte auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen schließen lassen. Für diesen Tag hat die Landrätin ihren Resturlaub extra um einen Tag verkürzt. Während der Rundfahrt zeigt sich, dass sie noch mehr Talente hat, die dem einen oder anderen Mitarbeiter und vielleicht auch manchem Kreispolitiker in den vergangenen sechs Jahren verborgen geblieben sind: Jutta Hartwieg kann gut mit Menschen.

Wenn sie erscheint, kommt Fröhlichkeit auf, Berührungsängste kennt sie nicht – und das vermittelt sie auch den Leuten, mit denen sie ins Gespräch kommt. Jutta Hartwieg bleibt auf Augenhöhe und lässt sich zu spontanen Äußerungen hinreißen: „Sie können mich nachts um drei wecken, und ich backe ihnen einen Pflaumenstreusel“, sagt sie, als sie die vollreifen Pflaumen im Hof des Haflinger-Gestüts Seraphin sieht. Sofort entfaltet sich ein lebhaftes Gespräch über die Vor- und Nachteile von Pflaumenkuchen. Im Laufe des Tages wird sie noch mehrfach Überraschendes aus ihrem kulinarischen Privatleben preisgeben – zum Beispiel dies: Nudeln kochen, Sahnesauce machen und Pesto einrühren. Fertig. „Das geht schnell, schmeckt und ist gut, wenn man wenig Zeit zum Kochen hat.“ Ob das auch nachts um drei Uhr funktioniert, sagt sie allerdings nicht. Vermutlich ja, denn oft brannte in ihrem Büro noch bis Mitternacht oder darüber hinaus Licht. Natürlich probiert sie auch einen Stutenmilch-Likör, der die gute Laune offenbar noch steigert. Sofort ordert sie einen ganzen Karton Stutenmilch.

Ja, sagt Jutta Hartwieg, Abschied habe sie innerlich längst genommen. Die „Trauerarbeit“ sei vollbracht, jetzt gelte es, das Büro zu räumen und dafür zu sorgen, dass angefangene Dinge weitergeführt werden.

Auf dem Bioland Hof Hohlegruft der Familie Stoltenberg, sieht sich die Landrätin die schwarz-weißen Angler Sattelschweine an, die extrem vom Aussterben bedroht sind, hier aber artgerecht gehalten werden. Die Ferkel und Sauen inspirieren sie in Anspielung auf ihre Tätigkeit als Landrätin zu dieser Aussage: „Ich war sechs Jahre lang Nutztier, diese Schweine hier stehen aber unter Artenschutz.“ Im Hof-Bioladen ist sie begeistert von der biologischen Eiscreme und bedauert gleichzeitig zutiefst, dass sie vor der Abfahrt nicht an eine Kühltasche gedacht hat. Karbonade, durchwachsenen Speck und Müsli kauft sie bei Anke Stoltenberg ein, die natürlich darauf hinweist, dass dieser Laden erst kürzlich zu Deutschlands bestem Bioladen gekürt wurde. Der Kofferraum von Ulrich Graumanns Mercedes, in dem Jutta Hartwieg mitfährt, füllt sich langsam.

Im Landhaus Schulze-Hamann in Blunk ist Jutta Hartwieg ein gern gesehener Gast. In diesem Haus hat sie sich oft zu Arbeitsessen mit Gästen getroffen. Auch mit Norderstedts Bürgermeister Hans-Joachim Grote hat sie hier schon diniert. Wirtin Angela Schulze-Hamann, die das Haus mit ihrem Mann in der fünften Generation führt, umarmt Jutta Hartwieg denn auch wie eine alte Freundin. Und so etwas ähnliches wie eine Freundschaft hat sich wohl auch entwickelt.

Während der Tour erzählt die Landrätin oft von Freunden, mit denen sie unterwegs ist und sich trifft – aber sind auch durch ihren Landratsjob Freundschaften entstanden? Sie denkt nach, wägt in Gedanken ab. „Ja, ich glaube, einige schon.“ Als Beispiel nennt sie die Pronstorfer Bürgermeisterin Bettina Albert, zu der es offenbar eine innige Verbindung gibt. Im Landhaus wird unter anderem Schnitzel aus dem Fleisch der Angler Sattelschweine vom Stoltenberg-Hof serviert. Alle Produkte stammen aus der Umgebung.

Weiter geht es nach Reinsbek, einem Ortsteil von Pronstorf, wo die Druckerei Quint seit über 20 Jahren ihren eigenen Strom mittels einer Windkraftanlage auf dem Grundstück erzeugt. Das ist einmalig in Deutschland. In Geschendorf endet die Rundreise: Im ehemaligen Restaurant Lindenhof residiert jetzt die Tessenower Manufaktur von Michael Schaake, der hier Salze, Pestos, Öle und Vinaigretten produziert. Für Butterbrote mit dem hier produzierten Limettensalz hat Jutta Hartwieg eine besondere Vorliebe entwickelt.

Termine nimmt Jutta Hartwieg bis zum letzten Tag wahr. Den hat sie am Montag, 1. September: Morgen um 8 Uhr trifft sie sich mit ihrem Nachfolger, um ihm den Schlüssel für das Landratsamt zu übergeben. Was kommt danach? „Ich weiß noch nicht, wie ich mich orientieren werde, es gibt aber Angebote." Aber zunächst will sie sich um ihre schwer erkrankte Mutter kümmern, die trotz Krankheit zu ihrer Abschiedsfeier aus Köln anreist. Bad Segeberg soll Wohnsitz von Jutta Hartwieg und ihrem Mann bleiben.