180.000 Übernachtungen zählt die Stadt Norderstedt pro Jahr in den Hotels. Die meisten sind Geschäftsreisende, die die Nähe zu Hamburg schätzen. Klassische Touristen? Fehlanzeige. Entsprechend sind die Service-Strukturen der Stadt

Norderstedt. Dass sich Deutschland-Touristen Norderstedt als Abstecher zwischen Lübeck und Hamburg aussuchen, kommt so gut wie nicht vor. Und dass sie dabei sogar noch übernachten, um das Angebot der Stadt zu entdecken, ist so unwahrscheinlich wie Schnee im Hochsommer. Norderstedt ist kein touristisches Ziel im Land zwischen den Meeren.

Trotzdem gibt es pro Jahr 180.000 Übernachtungen in den etwa 15 Hotels und Unterkünften in der Stadt. „Und damit liegen wir im Vergleich der schleswig-holsteinischen Städte auf dem vierten Platz hinter Kiel, Lübeck und Flensburg“, sagt Marie-Kathrin Weidner von Norderstedt Marketing. Doch die Struktur der Gäste ist eine völlig andere als in der Landeshauptstadt oder der Hansestadt. Es sind in der Masse Geschäftsreisende, die die Nähe zu Hamburg und zum Flughafen Hamburg schätzen.

Ein Gäste-Klientel, für das sich die Stadt noch nicht mal besonders anzustrengen braucht, um es zu gewinnen. „Die touristische Situation in Norderstedt ist genau umgekehrt als anderswo im Land: Die meisten Städte und Regionen machen sehr viel Marketing, damit die Gäste kommen. In Norderstedt machen wir so gut wie kein touristisches Marketing – und die Leute kommen trotzdem.“

In Norderstedt gibt es weder ein Tourismus-Büro noch sonst irgendeine zentrale Anlaufstelle für Reisende, die eine Zimmervermittlung oder die kompakte Info über die Stadt bietet. Wer sich mit der Bitte einer Zimmervermittlung an die Stadt Norderstedt wendet – was selten vorkommt –, der landet merkwürdigerweise bei der Volkshochschule. „Die haben eine aktualisierte Liste aller Hotels und Unterkünfte. Das wurde vor Jahren dort angesiedelt und hat sich jetzt so eingespielt“, sagt Weidner. Wie genau die 180.000 Reisenden überhaupt auf Norderstedt als Übernachtungsstandort kommen und wo sie buchen, kann selbst Weidner nicht sagen. „Wir wissen das nicht. Die gängigen Buchungsportale im Internet listen zum Beispiel Norderstedter Hotels nicht auf, wenn Reisende in Hamburg eine Unterkunft suchen. Da muss man schon ganz explizit nach Norderstedt suchen.“

Feuerwehr-Erlebnistour mit Grillen – mehr bietet Norderstedt nicht?

Norderstedt ist auch Teil der Marketingkooperation Städte in Schleswig-Holstein (MakS). Die betreiben unter anderem das Tourismus-Portal sh-staedte.de. Im Vergleich zu den Kooperationspartnern Ahrensburg, Bad Bramstedt, Friedrichstadt und Glückstadt, Husum, Kiel und Lübeck sowie Mölln und Neumünster, Plön und Rendsburg spielt Norderstedt in dem Portal eine eher marginale Rolle. Wer im Service-Teil der Seite nach Angeboten für Norderstedt sucht, bekommt unter „Incentives“ ein Wasserski- und Stadtpark-Paket für 79 Euro pro Person angeboten und unter „Abendprogramm“ eine Feuerwehr-Erlebnis-Tour, inklusive Leitstellen-Besichtigung, Feuer löschen und Barbecue am Abend – das war’s. Illustriert wird Norderstedt auf der Seite lediglich mit einem Foto: Ein sich ekstatisch nach hinten werfender Mann vor einer Blumenwiese, die mutmaßlich im Stadtpark liegt, was aber nicht zu erkennen ist. Immerhin bietet die Seite aber auch in einer Adressenübersicht eine komplette Auflistung aller Attraktionen der Stadt, inklusive „TriBühne“, Arriba-Bad, Kulturwerk, allen Hotels und den wichtigsten Restaurants der Stadt.

Die Unzulänglichkeit des Web-Angebots war bei der Erstellung des Bürgerhaushaltes 2013 Thema. Ein Norderstedter monierte, dass sh-staedte.de zwar auf die Homepage der Stadt führe, der User dort aber keinen Tourismus-Bereich finden würde. Die Stadt antwortete: „Da Norderstedt kein touristisches Reiseziel in diesem Sinne ist, wurde auf einen eigenständigen Menüpunkt Tourismus verzichtet. Inhalte sind jedoch in den Bereichen Freizeit, Kultur und Wohnen auffindbar. Vor dem Hintergrund, dass Norderstedt gerade im Bereich Geschäftstourismus über ein erhebliches Potenzial verfügt, arbeitet die Verwaltung unter Einbindung der kommunalen Gesellschaften an einer Verbesserung dieses Angebotes.“

Norderstedt hat also die Absicht, das Stiefkind Tourismus in Zukunft besser zu behandeln. Eine Tourismuszentrale wird es wohl nie in der Stadt geben. „Doch wir arbeiten daran, für die Stadt eine visuelle Anlaufstelle zu schaffen, einen guten Internetauftritt, der alle Informationen für Reisende übersichtlich zusammenfasst. Außerdem eine Telefonnummer, unter der sich ein kompetenter Ansprechpartner den Anfragen der Gäste annimmt“, sagt Weidner. In loser Folge beraten Norderstedt Marketing, die Stadtpark GmbH und Vertreter der Stadtverwaltung über diese Ziele. „Wir stehen damit noch ganz am Anfang.“ Auch die Hoteliers und Betreiber von weiteren Unterkünften sollen in die Überlegungen mit eingebunden werden.

Auf Unterstützung hofft die Stadt dabei auch durch das Land. In der Neuausrichtung des Tourismuskonzeptes für Schleswig-Holstein, die Wirtschaftsminister Reinhard Meyer ausgerufen hat, soll der Städtetourismus als Entwicklungsthema in den Fokus gestellt werden. Uwe Wanger, stellvertretender MakS-Vorsitzender: „Von besonderer Bedeutung für eine nachhaltige touristische Entwicklung in Schleswig-Holstein ist die aktive Bearbeitung des Geschäftsreisetourismus, der als saisonunabhängiger Potenzialmarkt eine perfekte Ergänzung zum Urlaubs- und Städtetourismus darstellt. Er entzerrt die Saisonzeiten und ist ein wichtiger Baustein, um die Ziele der Wachstumsstrategie zu erreichen.“ Das ist ganz im Sinne Norderstedts.