Der Wege-Zweckverband wird 60 Jahre alt. Anfangs war er für die Gemeindewege zuständig – heute auch für die Datenautobahnen des Kreises

Das Erfolgsmodell steht in Norderstedt. Der Recyclinghof an der Oststraße ist eine 2004 eröffnete Gemeinschaftsanlage des Wege-Zweckverbandes und der Stadt Norderstedt. Die Planer haben sich verschätzt – und das ganz gewaltig. Vor zehn Jahren hatte niemand geglaubt, dass so viele Menschen ihren Sperrmüll hier anliefern würden.

Geplant war der Hof für 15.000 Kunden pro Jahr, im ersten Jahr nach der Eröffnung kommen aber bereits 65.000 Kunden, heute sind es 90.000 Kunden. Bei der Planung für diese Einrichtung hatten die Initiatoren vieles bedacht, nicht aber die Bereitschaft der Menschen, ihre aussortierten Dinge möglichst schnell loszuwerden und nicht erst bis zur nächsten Spermüllabfuhr zu warten.

„Bundesweit ist zu beobachten, dass die Menschen nichts zu Hause liegen lassen wollen.“, sagt Jens Kretschmer, hauptamtlicher Verbandsvorsteher (oder besser: Geschäftsführer) des Wege-Zeckverbandes. Experten aus aller Welt kommen nach Norderstedt, um sich anzusehen, wie auf engem Raum so viel Restabfall, Metall, Grünabfall und Bauschutt abgeladen, sortiert und abtransportiert wird. Liebend gerne würden der WZV und die Stadt Norderstedt das Gelände an der Oststraße erweitern.

Als der Wege-Zweckverband zur Instandsetzung und Erhaltung der Gemeindewege im Jahr 1954 im Hotel Germania in Bad Segeberg von 28 Gemeinden gegründet wird, ahnt niemand, wie wichtig er für den Kreis Segeberg im Laufe der Jahrzehnte werden sollte. Aus einem ehrenamtlich geführten Verband hat sich ein professionell agierendes, öffentliches Dienstleistungsunternehmen mit 40 Millionen Euro Jahresumsatz, 300 Mitarbeitern, 26 Auszubildenden in sieben Ausbildungsberufen und 20 Müllsammelfahrzeugen entwickelt.

Um den „letzten Dreck“ und die Unterhaltung des ländlichen Wegenetzes kümmert sich der WZV immer noch, aber längst sind Aufgaben hinzugekommen, die zukunftsweisend sind: Seit 2013 sorgt der Verband für die Breitbandversorgung in den ländlichen Gebieten. Wegebau und Datenautobahn – das passt nach Meinung von Jens Kretschmer ganz hervorragend zusammen. Und diese Meinung teilen viele, für die das Internet mit all seinen Facetten zum täglichen Leben gehört.

Für die meisten ist der WZV vor allem der Müllentsorger. An bestimmten Wochentagen kommen die „Profis in Orange“ mal eben vorbei und entleeren einen der diversen Abfallbehälter. Das klappt vorzüglich und reibungslos. Da muss sich niemand Gedanken machen, wie das organisiert wird, wohin der Müll transportiert wird und was danach mit ihm geschieht. So soll es sein und so wird es vermutlich auch in den nächsten Jahrzehnten sein. In 94 Städten und Gemeinden des Kreises Segeberg wird es so gemacht – sie alle sind inzwischen Verbandsmitglieder. In Norderstedt funktioniert die Müllabfuhr ebenfalls reibungslos, aber die größte Stadt des Kreises gehört nicht zum Revier des Verbandes. Abfallentsorgung ist Aufgabe der Stadt Norderstedt. WZV und Stadt beäugen sich, agieren aber auf Augenhöhe und im Falle des Recyclinghofes auch gemeinsam.

Den Namen Wege-Zweckverband gibt es seit 1956. Obwohl er den Aufgaben nicht mehr gerecht wird und eher altbacken klingt, wird er beibehalten. Ansonsten aber hat sich im Laufe der Jahrzehnte vieles verändert. Angefangen hat es mit Wegebau und -wartung, das Kapitel Müllabfuhr kommt erst 1967 hinzu. Bis dahin wird der Abfall durch Privatunternehmer oder von den Bürgern selbst beseitigt: Die „staubfreie WZV-Müllabfuhr“ setzt Maßstäbe in Schleswig-Holstein. Gekippt wird der Müll noch bis 1978 auf 130 Müllplätze und sechs Deponien, erst dann wird die Zentraldeponie in Damsdorf eingeweiht, wo auch der Norderstedter Hausmüll landet.

Mit dem auf der Damsdorfer Zentraldeponie gewonnenen Deponiegas betreiben der Wege-Zweckverband und die damalige Schleswag (die heutige E.on Hanse) eine Verstromungsanlage, in der bis 2003 rund 140 Millionen Kubikmeter Gas entzogen und verstromt werden.

Verantwortlich für den Ausbau als moderner Dienstleister ist zu dieser Zeit Karl-Heinz Radetzki, der 1980 Verbandsvorsitzender wird und eine derartige Dynamik entwickelt, dass so mancher ehrenamtlicher Bürgermeister ihm zunächst nur schwer folgen kann.

Wie effektiv, zukunftsweisend und beispielhaft für ganz Deutschland diese Arbeit ist, sollte sich erst in späteren Jahren zeigen. 18 Jahre bleibt Radetzki Kopf des WZV, 1998 folgt ihm Umweltingenieur Jens Kretschmer, 50, der vorher bereits Assistent der Geschäftsleitung war. Er ebnet den Weg zu neuen Strukturen: 2003 nehmen die WZV Entsorgung GmbH & Co.KG und die WZV Beteiligungsgesellschaft ihre Geschäfte auf. Mit der so gewonnen größeren Flexibilität gelingt es, trotz massiver Konkurrenz bei Abfall- und -Wertstoffentsorgung, gewerbliche Kunden an den WZV zu binden. Das Geschäft mit dem Abfall ist längst zu einem Millionendeal geworden, von dem viele profitieren wollen. Im Kreis Segeberg bleibt alles wie gehabt: Der Kreis Segeberg sorgt für Kontinuität und überträgt dem WZV 2011 die Abfallwirtschaft bis 2050 – eine in der Branche einzigartige und in der freien Wirtschaft undenkbare Zeitspanne.

Die „Profis in Orange“ gibt es übrigens seit 2004. Ein Kommunikationsunternehmen hatte die Idee für diesen Slogan, der nach den Beobachtungen von Jens Kretschmer nach außen und innen gut ankommt: Identität für die Mitarbeiter, Qualität für die Kunden. „Damit sind wir in der Gesellschaft angekommen.“

Was bringt die Zukunft? Jens Kretschmer denkt an die Herausforderungen, die die Energiewende mit sich bringt. Bürgersolarkraftwerke, die Nutzung von Deponieflächen für Solarkraftwerke, aber auch das Einsetzen von Bürgerbussen – das sind einige Stichwörter. „Wichtig wird es bleiben, über den Tellerrand zu gucken“, sagt der Verbandsvorsteher.