Wie das SOS-Kinderdorf Harksheide seine Jugendliche auf die Selbstständigkeit vorbereitet

Norderstedt. Erwachsen werden ist nicht einfach. Und wenn einem früh im Leben der Boden unter den Füßen weggezogen wird, dann wird es noch schwerer. Den Kindern im SOS-Dorf Harksheide geht das so. Nach Jahren der Verwahrlosung oder schweren Schicksalsschlägen finden sie in Harksheide eine neue Heimat, wachsen auf und müssen dann relativ schnell auf die eigenen Beine kommen. „Denn in der Jugendarbeit verbieten es uns Kostengründe, die Jugendlichen nach dem Ende ihrer Ausbildungszeit noch weiter in den Familien zu belassen“, sagt Manfred Thurau, Sozialpädagoge und Sprecher des Dorfes am Henstedter Weg.

Schnell flügge werden ist die Devise. Die Aufgaben und die Verantwortung, die ein selbstbestimmtes Leben bedeutet, können einem da schon mal Angst machen. Elf Jugendliche ab 15 Jahren stecken derzeit im Kinderdorf genau in dieser Phase. Das ist gut ein Fünftel aller dort lebenden Kinder. „Die Bedürfnisse sind da ganz unterschiedlich: Die einen würden gerne bis zum 30 Lebensjahr zu Hause bleiben. Andere können es kaum erwarten, auf eigenen Beinen zu stehen“, sagt Thurau. Aber bei den meisten müssten Versäumnisse aufgeholt werden, Entwicklungsdefizite, die in intakten Familien seltener vorkommen. Das spezielle Trainingsprogramm „Step by Step“ greift den Jugendlichen in diesem Lebensabschnitt unter die Arme.

„Verselbstständigung in der Jugendhilfe erfordert deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil die Zeit einfach knapper ist als gewöhnlich“, sagt die Pädagogin Petra Feuser, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen Cindy Klein und Kasia Kosmal-Stoffers das Training in Harksheide anbietet. Die Selbstgewissheit, voller Zuversicht Entwicklungsschritte zu gehen, gewänne man üblicherweise beiläufig in der Kindheit, so Kosmal-Stoffers. Eine Normalität, die Kinderdorf-Jugendliche nicht kennen.

Das Programm hat für die Jugendlichen des Dorfes verbindlichen Charakter, sogar zehn Euro Teilnahmegebühr müssen von jedem entrichtet werden. Alle zwei Wochen trifft sich die Gruppe, um sich mit Themen aus einem der vier Bausteine Geld, Gesundheit, Lebensraum und Beruf zu beschäftigen. „Niemand ist schneller gelangweilt als ein Jugendlicher“, sagt Petra Feuser. Deshalb achte man beim Programm auf Realitätsnähe. „Wir arbeiten mit örtlichen sozialen Trägern und Gastreferenten zusammen“, so Feuser, „aber auch mit der Norderstedter Polizei und dem Jugendamt.“ Die Themen sind vielfältig, vom Umgang mit Behörden bis zur Haushaltsführung. Im Mittelpunkt stehen aber die eigenen Zukunftsvorstellungen und was man tun muss, um sie Wirklichkeit werden zu lassen.