Die 24-Jährige will das „Foodsharing“ nach Norderstedt und Umgebung bringen. Gruppe koordiniert sich auf Facebook

Kreis Segeberg. 6,7 Millionen Tonnen – so schwer ist der Berg von Lebensmitteln, den die Deutschen jedes Jahr erst für viel Geld kaufen und dann anschließend in den Müll werfen. Das entspricht pro Person etwa 82 Kilogramm oder zwei vollgepackten Einkaufswagen. Die Zahlen klingen unglaublich, wurden aber durch eine vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie ermittelt. Besonders schlimm: Viele der weggeworfenen Lebensmittel wären noch essbar gewesen.

Genau diesem sinnlosen Wegwerfen von Lebensmitteln hat Marlene Hoffmann, 24, den Kampf angesagt. „Foodsharing Norderstedt/Kaltenkirchen/Bad Bramstedt und Umgebung“ heißt die von ihr zu diesem Zweck gegründete Facebook-Gruppe. Die Idee: Jeder, der mal wieder hungrig einkaufen war oder ein bisschen zu viel gekocht hat, kann dort sein Essen kostenlos zum Tausch oder zur Abholung anbieten. Auch Menschen, die in den Urlaub fahren wollen und verderbliche Lebensmittel im Kühlschrank haben, finden dort eine Möglichkeit, ihr Essen weiterzugeben. Per Facebook wird Übergabeort und -zeitpunkt geregelt und schon haben Tomaten, Zucchini und Salat den Besitzer gewechselt.

„Wer wie ich oft alleine kocht und isst, kann die Lebensmittel gar nicht rechtzeitig verbrauchen“, sagt Marlene Hoffmann. Viel zu oft sei bei ihr der Rest des Brotes und andere Lebensmittel im Müll gelandet. „Wenn ich ein Glas Wiener Würstchen kaufe, sind da meist zehn Würstchen drin. Das aufzuessen, ist ja alleine fast unmöglich“, sagt sie.

Schon lange war sie deshalb in anderen Gruppen, in denen Lebensmittel geteilt werden. „Die Leute wohnten aber einfach zu weit weg“, sagt die Frau aus der Gemeinde Kisdorf. Deshalb gründete sie eine eigene Gruppe. Jetzt soll auch im Kreis Segeberg rund um die Städte Norderstedt, Kaltenkirchen Bad Bramstedt geteilt werden, was der Kühlschrank hergibt.

Der Erfolg spricht für sich: Innerhalb weniger Tage schwoll die Anzahl der Gruppenmitglieder an. Mittlerweile sind es 405. Geteilt werden Reis, Salami oder auch Bohnenkraut. Alles, was im Haushalt sonst wegkäme, findet einen Abnehmer. Wachsen soll die Gruppe aber weiterhin, wie Hoffmann betont. Noch fehle es dem Netzwerk an Dichte. Für den großen Raum im Kreis Segeberg braucht die Gruppe noch mehr Mitstreiter. „Für ein paar Eier kann ich mich nicht mal eben ins Autos setzen und von Kisdorf nach Norderstedt fahren“, sagt Hoffmann. Das lohne nicht und entspreche auch nicht der Idee hinter „Foodsharing“.

Entsprechende Facebook-Gruppen existieren in vielen Städten. In Hamburg gibt es eine der aktivsten. Nicht nur auf Facebook organisieren sich die Lebensmittel-Liebhaber. Noch professioneller geht es beim Internetportal foodsharing.de zu. Auch dort ist das Prinzip das gleiche: Wer seine Lebensmittel teilen möchte, erstellt eine Notiz. Potenzielle Abnehmer suchen nach guten Angeboten in ihrer Umgebung.

Wie groß das Problem mit den weggeworfenen Lebensmitteln ist, zeigt die Initiative „Zu gut für die Tonne“ des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung. Die für die Aktion eigens in Auftrag gegebene Studie zeigt deutlich, dass nicht in erster Linie Verdorbenes im Müll landet, sondern vor allem Produkte, die uns nicht mehr appetitlich erscheinen. Das betrifft vor allem Obst und Gemüse. Welker Salat oder Äpfel mit Druckstellen landen am häufigsten in der Tonne, Obst und Gemüse machen fast die Hälfte des Lebensmittelabfalls aus. Danach folgen laut Ministerium Back- und Teigwaren sowie Speisereste.

Einer der Gründe für die vielen Lebensmittel im Müll ist das Mindesthaltbarkeitsdatum. Das Ministerium rät dazu, den eigenen Sinnen zu vertrauen: Nicht alle Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum seien verdorben. In der Facebook-Gruppe muss bei jedem Post das Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben werden. Dann könne aber jeder selbst entscheiden, ob das Produkt noch gut genug ist zum Tauschen, so Hoffmann.

Deutschland und die EU haben das Ziel, bis zum Jahr 2020 die Menge der verwertbaren Lebensmittelabfälle um die Hälfte zu reduzieren. Hoffmann will zusammen mit ihren Mitstreitern dazu beitragen, dass dieses Ziel erreicht wird. Ihr persönliches Ziel: 1000 Mitglieder sollen es werden. Dann käme das Teilen so richtig in Schwung – und der Berg an weggeworfenen Lebensmitteln würde ein bisschen kleiner.