Das Norderstedter Amateurtheater Pur bietet Workshops zur Gewalt-Prävention in Vereinen und Institutionen

Norderstedt. „Ist das ein sexueller Übergriff? Oder noch lockere Anmache?“, fragt Chiara, elf Jahre alt. Ist schon eine Berührung der Haut eine sexuelle Belästigung? Oder ist man dann ein Rühr-mich-nicht-an, eine Mimose, eine Zimperliese? Beginnt körperliche Gewalt schon bei einem leichten Klaps?

Und die sprachliche Gewalt? Wann sind Wörter noch ein Frotzeln, wann beleidigen sie? Die Jugendlichen des Norderstedter Amateurtheaters Pur haben diese Gewalt-Grenzen in Workshops untersucht und gestestet, wie sie sich dabei fühlen, wenn ihnen jemand zu nahe kommt und die imaginäre Grenze überschreitet.

„Wir haben das mit Hilfe einer Ampel in Schauspiel-Szenen ausgedrückt“, sagt Larissa, 13 Jahre. Schaltet die Ampel auf Rot, so ist die Grenze der Gewalt eindeutig überschritten. Gelb heißt „Achtung, bis hier und nicht weiter“, Grün symbolisiert, alles ist in Ordnung. Die Jugendlichen setzten die Ampel auch für Pädagogen und Betreuer um, mit denen sie in der Schule und in Vereinen wie beispielsweise den Amateurtheatern zusammenarbeiten. Springt die Ampel auf Rot, hat der Betreuer eindeutig Gewalt beabsichtigt, Gelb zeigt ein kritisches Verhalten an, und dazu zähle auch, einen Schüler oder Betreuten den anderen vorzuziehen oder die Privatsphäre zu verletzen. Grün steht für pädagogisch richtiges Verhalten und das Einhalten von Regeln.

„Wir setzen die Ampel auch unter uns Jugendlichen ein“, sagt Melissa, 13Jahre. Wer sich beispielsweise beim Bühnenaufbau drückt, bekommt die gelbe Ampel. Rot warnt vor Mobbing, Bloßstellen eines Einzelnen in der Gruppe und bei sexuellen Übergriffen. „Die Jugendlichen haben im Workshop gelernt, Situationen besser einordnen und darauf reagieren zu können“, sagt Michael Scharbert, Gründer und Vorsitzender des Theaters Pur.

Seit 2012 leistet das Amateurtheater mit der Initiative „Kinder- und Jugendschutz sowie Prävention von sexualisierter Gewalt“ Aufklärungsarbeit, um Gewalt zu erkennen, vorzubeugen und die Gewalt-Tabus zu brechen. „Die Idee erhielten wir von der Sportjugend Schleswig-Holstein, und wir wollen die Präventionsarbeit jetzt in die Norderstedter und natürlich auch in andere Kulturvereine tragen“, sagt Scharbert.

Dazu hat das Theater Pur erst einmal den Kinder- und Jugendschutz in seiner Vereinssatzung aufgenommen. „Die Gewalt-Prävention ist eines unserer Hauptthemen, wir wollen damit Gefahren abwenden und das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen stärken“, sagt Andreas Kostein, Sprecher des Theaters.

Bevor die Jugendgruppe in den Workshop ging, absolvierten Vorstand und Gruppenleiter im Februar eine Fortbildung, bei der sie auch für die sexuelle Gewalt sensibilisiert und die Strategien von Tätern offen gelegt wurden. Sie würden sich beispielsweise gezielt Vereine aussuchen, um dort ihre Opfer zu finden. Der Kursus vermittelt auch, welche Maßnahmen der Verein gegen diesen Tätertyp ergreifen kann.

„Jetzt wollen wir mit Vorträgen, beispielsweise auf dem Landesverbandstag der Amateurtheater Schleswig-Holstein, andere Vereine ermutigen, Gewalt-Prävention umzusetzen“, sagen Ann-Kathrin Hubrich und Bernd Meißner vom Verein. „Auch das Verhalten im Internet ist Teil des Workshops“, sagt Hubrich. Der Kattendorfer Theaterverein hat sich bereits für Vortrag und Workshop angemeldet,

Gewalt und Mobbing sind auch Inhalt des Jugenddramas „Give a boy a gun – Ich knall euch ab“ von Morton Rhue. „Das Stück bearbeitet die vom Theater geplante Initiative, und wir hoffen, viele Menschen damit zu erreichen“, sagen die Regisseure Julia Grünke und Daniel Dekkers. Am 8. November, 17 Uhr, ist Premiere im Norderstedter Kulturwerk.

„Der Workshop gibt uns mehr Sicherheit, wir können jetzt brenzlige Situationen besser erkennen und darauf reagieren“, sagt Nadine. „Ich weiß jetzt nicht nur, was ich nicht will, oder was ich noch tolerieren kann, sondern auch, wie ich das ausdrücke“, sagt Janina, 15Jahre. „Der Workshop hilft mir, eine eigene Ordnung zu finden“, sagt Carolin, 18. „Ich habe gelernt, rechtzeitig Stop sagen zu können und auch, mir Hilfe zu holen“, sagt Johana, 15. „Ich habe durch den Workshop mehr Selbstbewusstsein gewonnen“, sagt Larissa, 13.

Das Theater Pur gibt anderen Vereinen und Institutionen gern Informationen. Kontakt per E-Mail an andreas.kostein@t-online.de .