Beim Spiel Deutschland gegen Brasilien fiebert der Deutsch-Brasilianer für den Gastgeber

Curitiba/Norderstedt. Die WM prägt ein neues Wort, das Wort von der Gänsehaut-Entzündung. Heute Abend erfasst sie wieder Tausende von Fußball-Fans, denn Deutschland trifft bei der WM in Belo Horizonte im Halbfinale auf den Gastgeber Brasilien.

Einer, der diese Gänsehaut-Entzündung noch einmal potenzieren dürfte, ist Ivens Hübert. Denn er ist in Brasilien geboren, aber die eine Hälfte seiner Familie ist in den 50er-Jahren aus Deutschland nach Curitiba eingewandert, die andere Hälfte bereits um die vorvorige Jahrhundertwende.

Für wen fiebert er? Wer soll gewinnen? Wem drückt er die Daumen? Deutschland, dem Land, in dem er gerade fünf Jahre seine Promotion geschrieben hat? Oder Brasilien, dem Land, in dem er jetzt wieder lebt?

Ivens Hübert, von Beruf Rechtsanwalt, setzt philosophisch an, doch seine Nervosität kann er kaum verbergen: „Was ist Fußball? Letztendlich ist es ein Sport, und einer wird gewinnen, der andere wird verlieren. Für mich sind die Nationen in der WM nicht viel anders als normale Fußballvereine. Aus unergründbaren Gründen wählt man sich als Kind eine Mannschaft aus und fiebert für sie. In meinem Kinder-Umfeld waren fast ausschließlich Brasilianer, und deshalb habe ich mich für das gelbe Trikot entschieden. Es hat also wenig mit der Tatsache zu tun, dass ich Brasilien als Lebensort liebe und den leichten Umgang der Menschen hier miteinander mag, oder ob ich Deutschland als Land liebe und mir die Menschen dort gefallen.“

Und wo guckt er sich das Spiel an? Ivens Hübert: „Das Spiel schaue ich mir mit Freunden an, die mich schon wegen meiner doppelten Staatsangehörigkeit gebeten haben, dabei zu sein, das wollen sie sich nicht entgehen lassen. Wir versuchen, einen Tisch in einem von den beiden berühmtesten deutschen Restaurants in Curitiba zu buchen, im Schwarzwald oder im Schimmel.“

Der 34-Jährige, der in Curitiba in einer Mannschaft mit Kollegen kickt und sicha uch an der Hamburger Uni gleich einen Fußball-Club gesucht hat, sagt: „Bei diesem Spiel werde ich für Brasilien fiebern. Doch falls Deutschland gewinnt, werde ich im Finale für Deutschland fiebern. Doch das hat weniger mit meiner familiären Herkunft zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass ich fünf Jahre in Norderstedt gelebt und viele gute Freundschaften geknüpft habe. Ich mag die Menschen und das Land und damit auch den Fußball, der bei euch gespielt wird.“

Ivens Hüberts Vater Ingo Hübert bekennt sich indes klar zur deutschen Mannschaft. „Das wird schwer. Sollten wir zusammen das Halbfinale gucken, hoffe ich, dass ich vorher nicht eine Mauer quer durchs Haus ziehen muss, weil ich Deutschland und der Rest der Familie Brasilien anfeuert“, sagt Ingo Hübert selbstironisch.

„Mehr als Fußball liebt mein Vater die Kultur, besonders natürlich die deutsche, weil er sprachlich mit ihr sehr verbunden ist“, sagt Sohn Ivens. Ingo Hübert ist deutschsprachig aufgewachsen, und auch seine Kinder lernten zwei Sprachen.

Und für wen jubeln die vielen anderen deutschstämmigen Brasilianer in Curitiba? Ivens Hübert: „Hier im Süden Brasiliens leben viele ehemalige Deutsche. In der Großstadt sind die deutschstämmigen Brasilianer wohl eher für Brasilien. Im Inneren, in den Dörfern, wo fast ausschließlich deutsch gesprochen wird, ist es noch anders. Dort ist Deutschland für die Menschen das Paradies auf Erden, aus dem ihre Vorfahren einst ausgezogen sind. Doch die Sehnsucht nach Deutschland ist groß.“ Und die Gänsehaut-Enzündung? „Packt uns jetzt alle“, sagt Rechtsanwalt Ivens Hübert.