Abgewählter Bürgermeister fordert drei Jahre nach seinem Rauswurf aus dem Rathaus die politische Rehabilitierung

Kaltenkirchen. Was macht eigentlich Stefan Sünwoldt? Diese Frage stellen sich viele Kaltenkirchener seit seiner Abwahl als Bürgermeister im Mai 2011. Mit mehreren gescheiterten Comeback-Versuchen tauchte er in den Monaten danach in den Medien auf. Dann wurde es still um den Verwaltungsjuristen, der nach beispiellosen Querelen mit der Kaltenkirchener Politik den Chefsessel räumen musste. Jetzt meldet er sich erneut zu Wort: Stefan Sünwoldt verklagt die Stadt, weil er die Umstände seiner Abwahl für rechtswidrig hält. Beim Verwaltungsgericht in Schleswig hat der Ex-Bürgermeister eine Feststellungsklage eingereicht, die einen kompletten Aktenordner füllt.

Die endlosen Streitereien, der Rauswurf aus dem Rathaus, die Häme seiner Gegner – das vorzeitige Ende seiner Amtszeit schmerzt den Kaltenkirchener immer noch, der mit seiner Familie am Stadtrand lebt und sich inzwischen als Makler selbstständig gemacht. „Eine tolle Alternative“, sagt Sünwoldt über seine neue Tätigkeit.

Spricht er über seine Amtszeit in der Stadtverwaltung, ist seine Laune dahin. „Schärfe und Härte“ habe die Auseinandersetzung bestimmt. Sünwoldt beklagt die „fürchterliche Begleitmusik“ bei der Abwahl und bezeichnet das Verfahren als Farce. „Die Wunde bricht immer wieder auf“, sagt Sünwoldt, der nach einem überraschenden Sieg im ersten Wahlgang 2005 von Sachsen-Anhalt nach Kaltenkirchen zog, um Bürgermeister zu werden. „Es geht um eine schwere Ehrverletzung.“ Noch heute betont der Familienvater, dass er sich „nichts Schwerwiegendes“ vorzuwerfen habe.

Je länger SPD-Mitglied Sünwoldt im Amt war, desto heftiger wurde der Streit. „Er kann es nicht“, ätzten zunächst Christdemokraten, die mit ihrem Kandidaten bei der Wahl gescheitert waren. Nach und nach schwenkten auch Politiker anderer Parteien auf die Linie der Kritiker, bis auch Teile der SPD Sünwoldt bescheinigten, das Amt nicht im Griff zu haben. Noch heftiger als die Debatten über seine Amtsführung fielen die persönlichen Angriffe aus. Bis auf ein paar letzte Getreue aus der SPD hatte sich der Verwaltungschef mit der Politik überworfen. Daran konnten auch Mediation und der immer wieder beschworene Wunsch nach einem Neuanfang nichts ändern.

Loswerden konnten die Stadtvertreter den Bürgermeister jedoch nicht ohne die Bürger. Die Stadtvertreter starteten mit klarer Mehrheit das Verfahren, das zur Abstimmung der Kaltenkirchener über Sünwoldts Karriereende im Rathaus führte und bislang in Schleswig-Holstein einzigartig ist. Um dieses, von der Stadtvertretung in Gang gesetzte Verfahren geht es jetzt in der Klage, die dem Verwaltungsgericht vorliegt.

Sünwoldt wirft seinem Vorgesetzten eine Verletzung der Fürsorgepflicht vor. Chef eines Bürgermeisters ist der von Stadtvertretern besetzte Hauptausschuss. Vorsitzender war und ist der Christdemokrat Kurt Barkowsky, der öffentlich zu den schärfsten Kritikern Sünwoldts gehörte. Sünwoldts Argumentation: Wenn der Hauptausschuss gravierende Fehler in der Amtsführung erkennt, muss der Vorsitzende das Gremium einberufen und dem Bürgermeister – vergleichbar mit einer Abmahnung – die Leviten lesen.

Auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens hätte der Ausschuss erwägen können. „Das wäre ebenfalls ein dienstlicher Weg gewesen“, sagt Sünwoldt. Der Ausschuss verzichtete jedoch auf beide Möglichkeiten. Nicht einmal nach dem Beschluss der Stadtvertretung, die Bürger abstimmen zu lassen, sei ihm rechtzeitig rechtliches Gehör gewährt worden, beklagt Sünwoldt.

Außerdem geht Sünwoldt davon aus, dass nicht alle Stadtvertreter beim Beschluss über das Abwahlverfahren teilnehmen durften. Dazu zählt in erster Linie die damalige Bürgervorsteherin und Ex-Liberale Elke Adomeit, die sich ebenfalls mit dem Bürgermeister immer wieder gestritten hatte.

Sünwoldt wirft ihr vor, die Abstimmung zu einem Zeitpunkt geleitet zu haben, als sie schon beschlossen hatte, selbst Bürgermeisterin zu werden. Dass sie diese Entscheidung bereits vor dem Tag der Abstimmung getroffen hatte, gab Adomeit Monate später in einem Zeitungsinterview zu.

„Ich habe lange genug gebüßt“, sagt Sünwoldt, der mit seiner Klage nicht nur die politische Rehabilitation anstrebt. Er will darüber hinaus durchsetzen, dass ihm die volle Amtszeit anerkannt wird, die regulär erst am 31. Mai 2013 geendet hätte. Sünwoldt war nach seiner Abwahl am 11. Mai 2011 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Ob er nach einem Erfolg vor Gericht finanzielle Forderungen bei der Stadt erheben wird, lässt er offen. „Das behalte ich mir vor“, sagt Sünwoldt.

Ob ein Erfolg vor Gericht über die politische und berufliche Rehabilitierung hinausginge, ist offen. Dem Ex-Bürgermeister geht es auch ums Ansehen und seine Rolle in der Stadtgeschichte. Dass er nicht einmal mit seinem Konterfei als Porträt in der Galerie der ehemaligen Bürgermeister im Rathaus hängt, nimmt Sünwoldt längst mit Galgenhumor: „Diejenigen, die dort hängen, sind schon alle tot.“

Wäre es für ihn und seine Familie besser gewesen, wenn die Sünwoldts nach dem Rauswurf aus dem Rathaus Kaltenkirchen verlassen hätten? Zweimal hat er einen Anlauf genommen, nachdem der Versuch gescheitert war, bei der Neuwahl nach seiner Abwahl sein eigener Nachfolger zu werden. Immerhin: Sünwoldt verbuchte mehr Stimmen als Elke Adomeit, musste sich aber dem heutigen Amtsinhaber Hanno Krause geschlagen geben.

Im ersten Anlauf wollte Sünwoldt nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg Nachfolger des verhassten Bürgermeisters Adolf Sauerland werden. „Das war vielleicht eine Nummer zu groß“, sagt er rückblickend über seinen Wunsch, als ehemaliger Bürgermeister einer 20.000-Einwohner-Stadt den Chefposten in der 500.000 Einwohner großen Ruhrmetropole zu werden. Sünwoldt scheiterte in Duisburg ebenso wie im baden-württembergischen Göppingen und blieb in Kaltenkirchen.

Warum er bei Wahlen und Bewerbungen scheitert, wird nicht immer ausgesprochen. Doch Sünwoldt weiß es: Den Ruf des rausgeworfenen Bürgermeisters wird er nicht mehr los. Der Prozess vor dem Verwaltungsgericht könnte ihn von diesem Makel befreien – oder ihm eine weitere Niederlage bescheren, die seine alten Kritiker erneut mit Häme quittieren würden.

Doch bis zu einer Entscheidung muss sich der Ex-Bürgermeister noch gedulden. In diesem Jahr sei mit einem Termin nicht mehr zur rechnen, teilte ihm das Verwaltungsgericht vor wenigen Tagen mit.